Michael Jackson war nicht nur der weltweit berühmteste Mensch, sondern auch ein engagierter und großzügiger Wohltäter. Er hatte eine tiefe Verantwortung, seinen Ruhm und Reichtum für Gutes einzusetzen. In seinem Hit „Man In The Mirror“ forderte er die Menschen dazu auf, sich nicht nur um sich selbst zu kümmern, sondern aktiv zu werden. Jackson spendete Millionen an wohltätige Organisationen und besuchte regelmäßig Krankenhäuser und Waisenhäuser. Sein humanitäres Engagement war ebenso bemerkenswert wie seine musikalische Karriere.
Eines der Merkmale, das man sicherlich häufig mit Prominenten in Verbindung bringt, ist Narzissmus. 1988 hätte Jackson sicher viele Gründe gehabt, egozentrisch zu sein. Er war der weltweit berühmteste Mensch. Wo auch immer er hinkam, brach Hysterie aus. Am Tag nach seinem ausverkauften Konzert im Wiener Prater, druckte die AP einen Artikel mit der Überschrift: „130 Fans wurden im Jackson Konzert ohnmächtig.“ Wenn die Beatles populärer waren, als Jesus, wie es John Lennon einst formulierte, hatte Jackson gleich die komplette Heilige Dreifaltigkeit geschlagen.
Während Jackson zwar die Aufmerksamkeit genoss, und in gewisser Weise sogar dadurch lebte, spürte er dennoch eine tiefe Verantwortung, seinen Status für mehr als Ruhm und persönlichen Reichtum zu nutzen. Im Jahr 2000 platzierte ihn das Guinness Buch der Weltrekorde zum karikativ engagiertesten Popstar der Geschichte. Im Lauf seines Lebens spendete er über 300 Millionen Dollar an wohltätige Organisationen, darunter die Make-A-Wish Foundation, die Elizabeth Taylor AIDS Foundation, NAACP, UNICEF, und das Rote Kreuz, um nur einige zu nennen. „Wenn du das gesehen hast, was ich gesehen habe, während ich die ganze Welt bereiste, wäre es dir und der Welt gegenüber nicht ehrlich, wenn du einfach wegschauen würdest“, sagte Jackson.
Und genau darum ging es auch in seinem Hit „Man In The Mirror“, der im Frühjahr 1988 den ersten Platz in den Billboard 100 erreichte. Das Lied beschreibt das persönliche Erwachen. Es beschreibt die Erkenntnis, dass Veränderungen nicht einfach von selbst stattfinden. Es fordert, dass den Menschen bewusst wird, sich nicht nur um sich selbst zu kümmern, sondern aktiv zu werden. Jackson singt: “Who am I to be blind/ Pretending not to see their needs/ („Wer bin ich, dass ich die Augen verschließe und so tue, als würde ich ihre Not nicht sehen“) Seine Performance des Songs während der Bad World Tour war sowohl der Höhepunkt der Show, als auch deren Botschaft zum Abschied. „Make That Change“, forderte er seine Zuhörer auf. In einer Zeit, die oft durch Individualismus, Gier und Materialismus charakterisiert wird, war es eine Hymne über Bewusstsein und Verantwortlichkeit. Jackson spendete alle Einnahmen aus dem Song an das Ronald McDonald Camp for Good Times, das an Krebs erkrankte Kinder unterstützt.
Aber noch wesentlicher als das Spenden von Geld war der Fakt, dass Jackson seine Zeit spendete. An beinahe jeder seiner Stationen der Bad World Tour besuchte er Waisen- und Krankenhäuser. Nur wenige Tage bevor er in Wien eintraf, war er in Rom und besuchte dort das Bambini Gesu Childrens Hospital, verteilte Geschenke, lies sich fotografieren und gab Autogramme. Bevor er wieder ging, sagte er eine Spende von über 100.000 Dollar zu. Vor seinem Konzert im Londoner Wembley Station besuchte er das Great Ormond Street Children’s Hospital – das Krankenhaus, dem der Autor J.M. Barrie alle Copyrights und Einnahmen von Peter Pan überschrieb. Jackson verbrachte in dem Krankenhaus mehrere Stunden damit, sich mit den Kindern, von denen einige unheilbar krank waren, zu unterhalten, sie zu umarmen und aufzumuntern. Laut eines örtlichen Presseberichts „hatte der Popstar Kinder auf dem Schoß sitzen und erzählte ihnen Geschichten“; und er „verteilte Dutzende Geschenke, Alben, Fotos und T-Shirts.“ Jackson spendete dem Krankenhaus 100.000 Pfund. Zusätzlich gab er noch einen nicht bekannten Betrag an das London Hospital for Sick Children, dem er während seines Aufenthalts ebenfalls einen Besuch abstattete.
Während der Bad World Tour ließ Jackson vor und nach den Konzerten benachteiligte und kranke Kinder in den Backstage-Bereich der Bühne bringen. „Jede Nacht kamen Kinder auf Tragen“, erinnert sich Stimmtrainer Seth Riggs, „sie waren so krank, dass sie nicht mehr aufstehen, oder den Kopf heben konnten. Michael kniete sich neben sie und hielt sein Gesicht neben ihres, damit er mit ihnen ein Foto aufnehmen konnte und ihnen dann einen Abzug gab, als Erinnerung an diesen Moment. Ich konnte es nicht verkraften. Ich ging ins Bad und weinte. Die Kinder blühten in seiner Anwesenheit regelrecht auf. Wenn es ihnen half, ein paar Tage und etwas neue Energie zu gewinnen, war Michael all das die Mühe wert.“
Wo immer die Tour hinkam, versuchte Jackson etwas zurückzugeben. In Detroit spendete er 125.000 $ an das Motown Museum; in New York gab er 600.000 $ an den United Negro College Fund; in Japan spendete er der Familie eines ermordeten Jungen 20.000 $ und viele Tausende Dollar spendete er an Krankenhäuser und Schulen. Als die Tour vorbei war, gab er seine persönlichen Sachen zur Auktion und der gesamte Erlös ging an die UNESCO.
Das war der Mann, den die britischen Klatschblätter „Wacko Jacko“ nannten, und über den das People Magazine ein Jahr zuvor geschrieben hatte: „Er ist zurück, er ist „schlecht“. Ist dieser Typ verrückt?“ („He’s back. He’s bad. Is this guy weird or what?“) Jacksons Gutherzigkeit und Mitgefühl war ihnen keinen Bericht wert, wenn davon in den Nachrichten überhaupt etwas zu lesen war, dann war es meist begraben unter Geschichten über plastische Chirurgie oder einem Affen als Haustier.
Jacksons humanitäres Engagement während der Bad-Tour war jedoch nicht neu. Schon 1984, bei dem Dreh des Pepsi-Werbespots, bei dem seine Haare Feuer fingen, gründete Jackson das Michael Jackson Burn Center als eine Abteilung des Brotman Medical Centers in Culver City, es war eine der dringend benötigten Verbrennungs-Stationen im Großraum Los Angeles. „Als ich im Krankenhaus lag, war ich so bewegt von den Schicksalen der anderen Verbrennungsopfer, dass ich etwas tun wollte.“, sagte er. Jackson hatte an seiner Kopfhaut sehr schmerzhafte Verbrennungen II-Grades erlitten, aber das Personal des Krankenhauses erinnert sich, dass er einen Großteil seiner Zeit mit Besuchen und Unterstützung anderer Patienten verbrachte. Jackson spendete den gesamten Betrag, den er von Pepsi als Schadensersatz für den Unfall erhielt, 1,5 Millionen Dollar, an die Klinikstation für Verbrennungen.
Im selben Jahr spendete Jackson ebenfalls all seine Einnahmen der Victory Tour, etwa 5 Millionen Dollar, an wohltätige Organisationen.
1985 war Jackson Teil des U.S.A. For Africa Projekts, geleitet von Schauspieler und Aktivist Harry Belafonte und Musikmanager Ken Kragen. Inspiriert durch das U.K. Charity Projekt Band Aid, und dem dazugehörenden Song „Do They Know It’s Christmas?“ hatte Belafonte die Vision, amerikanische Künstler für eine wichtige Sache zusammen zubringen: Aufmerksamkeit und Geldspenden für die durch verschiedene Faktoren verursachte Hungersnot in Äthiopien zu bekommen, die das Leben Tausender Menschen, darunter vieler Kinder, bedrohte. Die Hungersnot wurde durch eine Reihe unterschiedlicher Faktoren ausgelöst: einem komplizierten Bürgerkrieg, einer korrupten Regierung und einer der schwersten Dürre-Perioden, die in dieser Region je registriert wurde. Im Jahr 1985 waren laut den Vereinten Nationen bereits geschätzte 1 Million Menschen gestorben. Belafonte wandte sich an Produzent Quincy Jones, um einen Song für U.S.A. For Africa zu produzieren. Jones wiederum rief Lionel Richie, Stevie Wonder und Michael Jackson. Da Stevie Wonder zeitlich verhindert war, übernahmen Jackson und Richie die Aufgabe. Jacksons Ziel war es, eine einfache Melodie zu schreiben, die jeder, auch ohne den Text zu verstehen, summen könnte, egal welcher Kultur oder Nation er zugehörte.
Er erinnerte sich, dass er sich für „We Are The World“ an dunkle Orte begeben hatte, z. B. in einen Schrank oder das Badezimmer, um sich in das Leben der Menschen in Äthiopien, in ihre Leiden und ihre Menschlichkeit, hineinzuversetzen. Als er schließlich ein paar Noten der Melodie hatte, ließ er seine jüngere Schwester Janet zuhören. „Was siehst du, wenn du diese Melodie hörst?“, fragte er sie. „Sterbende Kinder in Afrika“, erwiderte sie. „Das ist richtig“, antwortete Jackson, „das ist, was meine Seele mir mitteilte.“ In den Tagen und Wochen arbeitete Jackson mit Lionel Richie weiter an dem Song. Anfang Januar hatte er ein Solo Demo aufgenommen und schickte es an Quincy Jones. Jones gefiel, was er hörte. „Ein großartiger Song ist für die Ewigkeit“, reflektierte der Produzent später, „ich garantiere dir, wenn du heute an irgendeinen Ort der Welt reist, und die ersten Takte der Melodie summst, werden die Menschen das Lied sofort erkennen.“
Der offizielle Termin für die Aufnahme war für den 22. Januar 1985 im A&M Recording Studio in Los Angeles geplant. Wie von Jones vorgesehen, würden die Stars direkt nach den American Music Awards, die im Shrine Auditorium stattfanden, herüberkommen. An der Tür befestigte er eine Notiz: „Last eure Egos draußen vor der Tür“.
Die Liste der Legenden, die in dieser Nacht den Raum füllten, war bemerkenswert: Unter anderem Ray Charles, Bob Dylan, Stevie Wonder, Diana Ross, Bruce Springsteen, Billy Joel, Steve Perry, Tina Turner, Cyndi Lauper, Willie Nelson, und Paul Simon.
„Hier waren 46 der weltweit größten Stars versammelt, um verzweifelten, Not leidenden Menschen an einem weit entfernten Ort zu helfen“, erinnert sich Jones. „Ich glaube nicht, dass diese Nacht, diese ganze Erfahrung, wiederholt werden könnte. Ich weiß um die Kraft der Musik und ich glaube daran, dass Musik Menschen zusammenbringen und die Welt verbessern kann, und dafür gibt es wohl kein besseres Beispiel, als diese Gemeinschaft mit dem Namen „We Are The World.“
Jackson ließ die American Music Awards in dieser Nacht ausfallen und kam früher ins Studio, um seinen Teil aufzunehmen. Als die restlichen Künstler eintrafen, halfen ihnen Michael, Lionel, Stevie und Quincy dabei, ihre Teile und den Refrain zu lernen. Das Erschaffen und den Aufnahmeprozess bezeichnete er als „Spirituelle Erfahrung“. Die meisten der Teilnehmer stimmten dem zu. Sie berichten von einem besonderen Gefühl der Freude, von Gemeinsamkeit und Bestimmung. „Jede Sekunde dieser Nacht war magisch“, erinnert sich Quincy Jones. „Als Künstler sind wir alle nur Gefäße für Gottes Flüstern, und ich weiß, dass Gott in dieser Nacht durch unser Studio ging, mehrere Male.“ Das endgültige Werk war etwa um 8:00 Uhr morgens fertiggestellt – eine majestätische, Gospel-geprägte, sieben Minuten lange Hymne, in der die Stimmen von einigen der größten Künstler des 20. Jahrhunderts eingewebt sind. Die New York Times pries es als „eine beispiellose Gemeinschaftsarbeit für einen guten Zweck von der Elite der Pop-Musik – einen künstlerischen Triumph, der die eigentliche Sache überschreitet.“
Natürlich spotteten einige Kritiker auch über die Selbstgerechtigkeit des Charity-Events und des Songs. Aber Quincy und Harry Belafonte ließen sich nicht darauf ein: „Jeder, der mit Steinen auf eine Sache wie diese werfen möchte, soll seinen Arsch hochbekommen und selbst etwas tun“, sagte Jones über die Kritiker. „Gott weiß, dass es noch viel mehr zu tun gibt.“ Belafonte war am meisten von dem Willen der Teilnehmer, ihre Talente für eine wichtige Sache einzusetzen, beeindruckt. „Da stehst du mit einigen der besten und einflussreichsten Künstler der Popkultur – sie hatten ihre Manager nach Sibirien geschickt, und die Konsequenz davon war, dass es Kunst um der Kunst willen war.“
„We Are The World“ wurde im März veröffentlicht und wurde schnell zur absatzstärksten Single der Geschichte. Allein in den ersten drei Tagen wurde es knapp 1 Million Mal verkauft. Es wurde der meistverkaufte Song der 1980er-Jahre und verkaufte sich weltweit über 20 Millionen Mal. Noch wichtiger ist jedoch, dass dadurch über 60 Millionen Dollar einkamen, die dazu genutzt wurden, um 120 Tonnen Nahrungsmittel und medizinischen Bedarf nach Äthiopien zu senden, darunter Protein, Kekse, Wasser, Medizin, Zelte und Kleidung. Zudem wurden die Gewinne auch für 70 Entwicklungs-Projekte eingesetzt.
Jackson war stolz auf das, was der Song erreichte. Der Gedanke, dass Tausende unterernährte Kinder aufgrund eines Liedes ernährt werden konnten, beeindruckte und inspirierte ihn. Es zeigte ihm auf ganz konkrete Art die Kraft der Musik, Menschen zu vereinen, auf eine Sache aufmerksam zu machen und zu handeln. Aber er fühlte auch, dass das nicht genug war. Durch „We Are The World“ wurde weder Unterernährung noch Armut beendet; die komplizierten sozial-politischen Ursachen wurden dadurch nicht gelöst, die Machtverhältnisse und institutionelle Korruption, die zum Großteil für Hungerkatastrophen in Afrika verantwortlich waren, nicht verändert. Kritiker waren schnell dabei, diese Dinge herauszustellen und Jackson als „selbstgefällig“ und „naiv“ hinzustellen, weil er es versucht hatte.
Lieder wie „We Are The World“ und „Man In The Mirror“ wurden als simple, utopische Sentimentalitäten abgewertet. Musikkritiker Greil Marcus beschrieb den ersteren Song als nichts weiter als einen „Pepsi Jingle“, während Jon Pareles von der New York Times den letzteren als „Aktivismus für Einsiedler“ abwertete. Jacksons soziale Vision böte globalen Idealismus, Triumph und eine einfache Lösung, argumentierten sie, während sich die materiellen Umstände in der realen Welt immer weiter verschlechtern würden. Diese Kritiken verfolgten Jackson während er tourte. Er war überzeugt, dass die Kritiker es nicht verstanden hatten; er glaubte, dass sie nicht nachempfinden konnten, was die Musik den Menschen bedeutete – was sie ihm bedeutete. Er glaubte fest daran, dass Veränderungen in den Herzen und Köpfen jedes Einzelnen begann. Und genau da erreichte Kunst die Menschen.
Und dennoch war er nicht zufrieden. 1987 wurde er in einem Interview mit Ebony/Jet gefragt:
„Wenn du in den Spiegel schaust, bist du mit dem, was du siehst, zufrieden?“ „In welcher Beziehung?“, entgegnete er. „Hinsichtlich dieser Philosophie …“ „Ich bin nie völlig zufrieden. Ich wünsche mir immer, die Welt könnte ein besserer Ort sein. Nein, überhaupt nicht!“ antwortete er.
Wenn er auftrat, oder Kindern direkt und persönlich helfen konnte, konnte Jackson diese Gefühle von Unzulänglichkeit, Zweifeln und Verzweiflung abstreifen. Wenn sich die Menschenmengen überall auf der Welt zu „Man In The Mirror“ wiegten und mitsangen, dann erlebte er diesen kleinen Teil einer harmonischen Welt und war glücklich. Er war in seinem Element. Aber wenn er dann in sein Hotelzimmer zurückkehrte, kehrten oft auch der Schmerz und die Verzweiflung zurück.
„Der Kontrast zwischen dem King of Pop auf der Bühne und dem gleichen Menschen als Privatperson war enorm“, erinnert sich der belgische Komponist François Glorieux, der Jackson zum ersten Mal 1987 traf und von da an einige klassische Arrangements von Jacksons Songs erstellte. „Die Presse beschrieb ihn als einen unberührbaren und unmöglichen Menschen. Aber ich entdeckte einen völlig anderen Menschen: Sehr sensibel, emotional und geradezu scheu … In der ersten Stunde unseres Treffens fragte er mich nach meiner Kindheit. Er unterbrach mich nicht ein einziges Mal und hörte der ganzen Geschichte meiner Jugend, darüber, wie Bomben mein Haus zerstörten und drei meiner Familienmitglieder töteten, zu.“ Glorieux traf sich noch weitere Male mit Jackson, 1989 und 1990. Er beschreibt diese Treffen als „die emotionalsten meiner ganzen musikalischen Karriere. Es war fantastisch, so viele Gemeinsamkeiten zu entdecken: Leidenschaft für Musik (ohne Limit), für Frieden und Freiheit, die Liebe zur Natur und zu Tieren; und auch die Sorge um die Menschheit.
Publizist und Autor Howard Bloom, der mit vielen legendären Künstlern, darunter Prince und Billy Joel, arbeitete, beschreibt Jackson als „den bemerkenswertesten Menschen, den ich je in meinem Leben kennenlernte. Ganz ohne Frage … Er hatte die Fähigkeit zur Verwunderung und zum Staunen, mehr, als ich es je bei irgendjemand anderem gesehen habe. Sahst du dir mit ihm ein Portfolio eines Künstlers an, reagierte er mit etwas, das wie der Anfang einer orgastischen Erfahrung schien, und das, sobald du auch nur ein paar Zentimeter der Seiten geöffnet hattest … Wenn du mit ihm über ein schwieriges Thema gesprochen hast, z. B. dass er Konzerte absagen musste, fühlte es sich an, als ob sich in Michaels Brust goldene Schleusentore öffnete und du darin 10.000 Fans sehen konntest. Seine Aufgabe war es, sich für diese Fans zu engagieren. Er fühlte, dass Gott ihm dieses Geschenk gegeben hatte.“
Der New Age Author Deepak Chopra, mit dem Jackson für sein zweites Buch „Dancing The Dream“ zusammenarbeitete, hatte einen ähnlichen Eindruck von diesem schwer zu erfassenden Pop-Star. Er erinnert sich: „Als wir uns etwa 1988 zum ersten Mal trafen, traf mich diese Kombination von Charisma und Verwundbarkeit, die von Michael ausging. Er wurde am Flughafen von Menschenmengen umschwärmt, performte dann eine auszehrende dreistündige Show und setzte sich danach hinter die Bühne, so wie wir es einmal in Bucharest taten, trank Wasser und sah sich, als ich in den Raum kam, Sufi Gedichte an und wollte meditieren.“
Diese Sensibilität war bei Jackson schon in jungen Jahren spürbar. Smokey Robinson nannte ihn eine alte Seele in einem kleinen Körper. „In seinem Herzen trug er andere Zeitalter“, sagte Robinson, „es war mehr, als einfach nur Soul, es war der Soul, der tief in der Erde, der Geschichte eines ganzen Volkes verwurzelt war.“ Das war eine der Qualitäten, die ihn zu diesem unwiderstehlichen Performer machten, sogar schon als Kind. Und bei all der Freude und Vitalität, die er ausstrahlte, war da auch immer eine gewisse Traurigkeit, dieser Weltschmerz.
Als Teenager begann Jackson die ersten Samen seiner sozialen Vision und seines humanitären Strebens zu entwickeln. „Politiker können die Welt nicht retten, deshalb sollten die Musiker es wenigstens versuchen“, sagte er 1979 in einem Interview mit Blues & Soul. „Ich könnte niemals Platten machen, nur um damit reich zu werden. Das ergibt für mich keinen Sinn. Da muss mehr vorhanden sein.“
Themen wie brüderliche Liebe, Akzeptanz und soziale Transformation sind Bestandteil seiner ersten selbst geschriebenen Werke. Der erste Eindruck dessen, was er zu erreichen versuchte, erhält man vielleicht durch den Song und den Film für „Can You Feel It“. Mit seinem älteren Bruder Jackie zusammengeschrieben, lieferte der Song eine passionierte Botschaft über Rasseneinheit („the blood inside of you is inside of me“, „das Blut in deinem Innern ist das Blut in meinem Innern) und globaler Harmonie („take the news to the marchin’ men/ Who are killing their brothers/ When death won’t do”, trage die Nachricht zu den marschierenden Männern/ die ihre Brüder umbringen/wenn der Tod es nicht tun wird). Es war die klangliche Destillation des Symbols des Pfaus, das auf ihrem vorherigen Album zu sehen war.
Im Booklet-Text des Destiny Albums erklärt Jackson: „Von alters her wird der Pfau für seine attraktive, erhabene Schönheit verehrt. Von der ganzen Familie der Vögel ist der Pfau der einzige Vogel, der alle Farben in sich vereint. So wie der Pfau versuchen auch wir, durch die Liebe zur Musik, alle Rassen zu vereinen.“
Der wegweisende, zehnminütige Kurzfilm für „Can You Feel It“, ein Augenschmaus, geschrieben und erdacht von Jackson, nahm die Symbolik des Pfaus klar und deutlich auf. Auch Elemente von Science-Fiction Filmen, wie „2001: A Space Odyssey and Close Encounters of the Third Kind“ („2001: Odysse im Weltraum“), die Sprache von biblischen Geschichten, und Andeutungen an Carl Sagans „Cosmos“(„Unser Kosmos“) wurden eingewebt, um die Botschaft über kosmische Liebe und Harmonie zwischen der Rassen zu vermitteln.
Im folgenden Jahrzehnt entwickelte Jackson sich sowohl künstlerisch als auch intellektuell weiter. Er bildete sich größtenteils selbstbestimmt weiter und tat das mit unersättlicher Neugierde. Überall, wo er auftrat, studierte er die Kultur und die Menschen, er besuchte Museen, Galerien und Buchläden, aber auch Krankenhäuser und Waisenheime. Er sammelte eine Bücherei mit Tausenden Büchern, Filmen und Videos an. Er las viel, unterhielt sich mit Experten und kaufte sich Ausgaben, die ihn leidenschaftlich interessierten. Sogar seine Aversion gegenüber Parteipolitik löste sich Ende der 1980er auf. Auch wenn es ihn nie zur Politik hinzog, begann er doch einige der Motive, Interessen und Mächte zu erkennen, die zur weitverbreiteten Ungerechtigkeit, Zerstörung und Leiden führten.
Zusätzlich zu den vielen Wohltätigkeitsorganisationen, die er unterstützte, führte sein Interesse für globale Fragen dazu, 1992, ausgehend von einem Song seines Dangerous Albums, die Heal The World Foundation zu gründen. Jackson beschrieb diesen Song als ein Mittel zum Erlangen öffentlicher Aufmerksamkeit, mit der Absicht, Geld zu sammeln und ein Bewusstsein für weltweite humanitäre Belange zu erschaffen. Die Heal The World Foundation war wesentlich umfassender ausgerichtet, als U.S.A. For Africa. Mittel aus der Stiftung sollten bei Armut, zur Unterstützung von Bildung, für Hilfe bei Krankheiten (darunter AIDS), in Kriegsgebieten, Genozid und Naturkatastrophen eingesetzt werden. In den ersten Jahren nach der Gründung war die Stiftung sehr aktiv, ihre Mittel kamen u. a. Projekten für die innerstädtische Jugend, Kinderkrankenhäusern und Kriegsflüchtlingen zu gute. „Der einzige Grund, weshalb ich auf Tour gehe, ist, Mittel für die Heal The World Foundation zu generieren“, sagte Jackson bei einer Pressekonferenz. „Mein Ziel ist es, bis Weihnachten 1993 100 Millionen Dollar zu sammeln. Ich bitte jede Firma und jede Person, die sich um diesen Planeten und die Zukunft der Kinder sorgt, dabei zu helfen, Geld für die HTW Foundation zu sammeln.“
Die Los Angeles Times berichtete 1993, Jackson habe 1,25 Millionen Dollar zugunsten von Projekten mit innerstädtischen Jugendlichen, von denen viele von den Ausschreitungen in LA, die dem Urteil im Fall Rodney King folgten, betroffen waren, zugesagt.
Jackson machte seine Heal The World Stiftung zum Mittelpunkt seiner ikonischen Superbowl Halftime Show. Er transformierte dieses typischerweise hyper-maskuline, nationalistische, kapitalistische Spektakel zu einem grenzenlosen utopischen Fest der Liebe. „Heute stehen wir rund um die Welt zusammen, vereint für ein gemeinsames Ziel“, sprach er zu der Zuschauermenge in der Arena (und den Millionen, die zu Hause zuschauten), „um diesen Planeten wieder zu einem Ort der Freude, des Verständnis und der Freundlichkeit zu machen. Keiner sollte leiden müssen, besonders die Kinder nicht. Dieses Mal muss es gelingen.“ Sein Performance-Honorar von 1 Million Dollar spendet er der Heal The World Stiftung.
Noch bevor ihm jedoch die Idee zu Heal The World kam, gab es schon „Earth Song“.
Die späten 1980er-Jahre stellten sich allgemein als Wendepunkt heraus – nicht nur für Michael Jacksons politisches Bewusstsein, sondern auch für die globale Umweltbewegung. Die Nachrichten dieses Jahres lesen sich wie alte Schriften: Es gab Hitzewellen und Trockenheiten, massive Waldbrände und Erdbeben, Völkermord und Hungersnöte. Im Heiligen Land eskalierte die Gewalt, im Amazonas wurden die Wälder verwüstet und Müll, Öl und Fäkalien wurden an den Küsten angeschwemmt. Es gab zudem deutliche Hinweise, dass sich die Erde erwärmte. Anstelle der „Person des Jahres“ hatte die Times 1988 ihre letzte Ausgabe des Jahres der „gefährdeten Erde“ gewidmet. Das Magazin schrieb: „Dieses Jahr hat die Erde gesprochen, wie einst Gott Noha vor der Flut warnte.“ Plötzlich wurde es vielen Menschen bewusst, dass wir dabei waren unser eigenes Zuhause buchstäblich zu zerstören …
Manche Menschen gewöhnen sich durch das gelegentliche Lesen und Hören der Nachrichten daran und werden passiv. Die schrecklichen Bilder und Geschichten, die über den Bildschirm flimmern, stumpfen sie ab. Jackson jedoch rührten solche Geschichten regelmäßig zu Tränen. Er verinnerlichte sie und reagierte oft mit körperlichen Schmerzen darauf. Wenn Leute sich über seine Sensibilität lustig machten, oder ihm sagten, er solle doch einfach sein eigenes Glück genießen, wurde er wütend. Er glaubte an die Worte des Dichters John Donne, die sagen „kein Mensch ist eine Insel“. Für Jackson bezog sich das jedoch auf alle Lebensformen: Natur, Tiere und Menschen aller Länder, Kulturen und Rassen (besonders Kinder) – der ganze Planet war verbunden und wertvoll.
„Der Durchschnittsmensch sieht irgendwo da draußen Probleme, die gelöst werden sollten“, erklärt er, „vielleicht werden sie es, vielleicht auch nicht … Aber ich empfinde es nicht so – diese Probleme sind nicht „irgendwo da draußen“, ehrlich, ich fühle sie in mir. Ein weinendes Kind in Äthiopien, eine Möwe, die in einer Ölpfütze um ihr Leben kämpft … ein Kinder-Soldat, der vor Furcht zittert, wenn er Flugzeuge über sich hinweg fliegen hört: Geschehen diese Dinge nicht in mir, wenn ich sie sehe oder davon höre?“
Einmal musste Jackson eine Tanzprobe abbrechen, weil das Bild eines in einem Netz gefangenen Delfins, das er zuvor gesehen hatte, ihn so emotional verstörte. „Durch die Art, wie sich sein Körper in den Seilen verheddert hatte, konntest du seine ganze Qual erkennen“, erklärte er.
Wenn Jackson performte, fühlte er diese turbulenten Emotionen durch sich hindurchströmen. Durch seinen Gesang und Tanz, versuchte er dieses Leiden zu übertragen – er verlieh ihm Ausdruck und eine Bedeutung. Es war befreiend. Für einen kurzen Augenblick konnte er sein Publikum – und sich selbst – zu einer alternativen Welt aus Harmonie und Ekstase mitnehmen. „Es gibt keine größere Glückseligkeit“, erklärte Jackson. „Du wirst Eins mit der Musik, Eins dem Publikum … Man beginnt, miteinander zu spielen und man weiß, wohin es geht, bevor man ankommt, … du fühlst dich transformiert.“
Aber unweigerlich musste er wieder auf den Boden zurückkommen. Die Musik hörte auf, die Lichter gingen aus, die Menschenmenge marschierte hinaus. Und er wurde von seiner Entourage weggebracht, in ein anderes Hotel, in eine andere Stadt.
Wie es während der BAD Tour üblich war, wurde Jackson mit Bill Bray, seinem langjährigen Sicherheitschef, und anderen Begleitern durch den Personaleingang in sein Wiener Hotel eingeschmuggelt.
War er dann drin, duschte er, danach las er meistens ein Buch, oder zeichnete oder sah sich einen Film an. In der Nacht nach seinem Konzert im Wiener Prater Stadion, strömten draußen vor dem Hotel Tausende Fans zusammen und riefen seinen Namen. Jackson erschien schließlich an einem der Fenster, bekleidet mit einem grau blau gestreiften Pyjama Oberteil und roten Flanell Hosen. Er winkte der euphorischen Menge zu und rannte dann zurück in sein Badezimmer, um ein paar Fotos zu signieren, die er aus dem Fenster warf.
Egal, wie lang sein Aufenthalt in irgendeiner Stadt war, sein Hotelzimmer wurde für ihn gleichermaßen zum Zufluchtsort und zur Gefängniszelle. Die Zimmermädchen des Wiener Marriott erinnern sich daran, dass er sehr auf seine Privatsphäre bedacht war. Kamen sie in seine Suite, um Essen zu bringen, oder sauberzumachen, „verschwand er in ein anderes Zimmer.“
Er war der weltweit größte Star, aber in solchen Zeiten wollte er nichts lieber, als die Anonymität einer normalen Person.
Es geschah während des kurzen Aufenthalts in Wien, dass ihn eine Inspiration erreichte. „Es fiel mir einfach plötzlich in den Schoß“, erinnert er sich an den Moment. Das Lied der Erde (Earth’s song). Ein Lied aus ihrer Perspektive, mit ihrer Stimme. Ein Appell und ein Klageruf.
Der Refrain kam zuerst – ein wortloser Schrei. Er nahm seinen Rekorder und drückte „Aufnahme“. Aaaaaaaaah Oooooooooh. Die Akkorde waren einfach, aber wundervoll. Das ist es, dachte Jackson. Er arbeitete dann an der Einleitung und an den Strophen. Seine ganze Tragweite stellte er sich im Kopf vor. Noch konnte keiner sehen, was er sah. Aber sie würden. Er spürte, dass das der wichtigste Song sein würde, den er je komponiert hatte …
Übersetzung: M.v.d.Linden
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