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“A lot of people misunderstand me. That’s because they don’t know me at all.” – Michael Jackson

In diesem Interview diskutiert Joe Vogel seine Gründe für die Auswahl von „Earth Song“ als Fokus seiner Forschung. Er spricht über seine Bewunderung für den Song und die Bedeutung, die er Michael Jacksons kreativer Herangehensweise und Perfektionismus beimisst. Auch diskutiert er Michael Jacksons Meisterung der technischen Aspekte der Songschöpfung und den Eindruck, dass der Künstler mehr als nur einen „empfangenden Kanal“ darstellte.

Joie: Willa und ich sind sehr glücklich, dass sich Joe Vogel uns in dieser Woche anschließt. Wie ihr alle wisst, wird am 1. November sein lang erwartetes Buch Man in the Music erscheinen, und nun geht es um die gedruckte Version seines E-Books Earth Song. Danke, Joe, dass du dich uns anschließt!

Also, hier ist das, was ich gern wissen möchte. Warum hast du Earth Song ausgewählt, um separat darüber zu schreiben? Hast du für dich selbst eine spezielle Vorliebe für den Song oder bist du einfach fasziniert von Michaels Vorgehensweise oder wurde es zur Besessenheit, als du für Man in the Music recherchiert hast?

Joe: Ich habe Earth Song immer geliebt. Die Kraft und Erhabenheit und Leidenschaft des Songs hat mich tief ergriffen. Obwohl, als ich an Man in the Music arbeitete, war ich Michaels Werken so nah, dass viele Songs ganz neue Eindrücke bei mir hinterließen. Earth Song war einer von ihnen. Je mehr ich darüber erfuhr und je mehr ich zuhörte, umso überzeugter wurde ich davon, dass dies Michaels bedeutendster Song war. Er umfasst so viel. Das Rufen und Antworten mit dem Chor ist für mich einer der kraftvollsten Momente in der Musikgeschichte. Jedoch gab es so wenig Anerkennung für diesen Song in den Kritiken. Sehr wenig wurde nur geschrieben, das nicht herablassend und abschätzig war. So wollte ich irgendwie in einer Art darüber schreiben, die seine Power herüberbringt – und ich war aufgeregt über die Aussicht, wirklich ganz nah an einen Song „heranzuzoomen“ und all die Interviews zu machen und mit dieser Konzentration und Tiefe zu recherchieren.

Willa: Ich hab‘ das geliebt! Der Grad an Detailliertheit, den du bietest, ist wundervoll, und ich liebe die Art, wie dein Buch Einblick in beides gibt, in Earth Song und genauso in Michael Jacksons kreativen Prozess. Du beginnst dein Buch damit, wie sehr unsere Welt in Gefahr ist und mit der Beschreibung von ihm, wie er diese Gefahr als einen fast körperlichen, wortlosen Schmerz empfindet – und dann zeigst du, wie er beginnt, diese grundlegenden Gefühle in seine Musik zu lenken und zu formen. Kannst du uns mehr über diesen Prozess und einige der Schlüsselmomente erzählen, darüber, wie Earth Song zu dem wurde, wie wir ihn heute erleben?

Joe: Sicher. Ich denke, zuerst einmal, bietet der Prozess des Earth Song ein großes Spektrum dazu an, wie Michael als Künstler funktioniert hat. Das ist es, was mir so viel Spaß beim Schreiben bereitet hat. Du beginnst, Verbindungen herzustellen, fügst Teile zusammen. Ich sprach unter anderem mit Matt Forger über dieses ursprüngliche Konzept von Earth Song als Trilogie (mit einem Orchesterteil, dem Song selbst und einem gesprochenen Poem); nachdem ich das gewusst hatte, kam ich zurück zu Bill Bottrell, um herauszufinden, wer der Komponist war, mit dem Michael zusammengearbeitet hat und wie es klang; Bill führte mich zu Jorge del Barrio, der wie ich daraufhin erfuhr, mit Michael genauso an Songs wie Who Is It und Morphine gearbeitet hat. Durch del Barrio bekam ich einige wunderbare Einblicke in das Konzept und Gefühl, das Michael erreichen wollte und wie es entstand. Du sprichst also verschiedenartige Menschen an, und alle möglichen neuen Verbindungen entstehen: Neue Details, neue Blickwinkel. Und du erfährst, wie gewissenhaft und gedankenvoll Michael mit seinen Werken umgeht. In Interviews neigte Michael dazu, nur sehr vage über seinen kreativen Prozess zu reden, aber was Earth Song enthüllt, ist, wie besessen er mit jedem Detail seiner Arbeit umging, vom Beginn den ganzen Weg bis zum finalen Mix. Er umgab sich mit großen Talenten, aber es war seine schöpferische Vision und sein Perfektionismus, der seine Projekte antrieb.

Willa: Du hast etwas beleuchtet, das mich wirklich umgehauen hat, als ich dein Buch las. Du zeigst, dass er technisch sehr versiert war und involviert in den tatsächlichen technischen Prozess, den Earth Song zu erschaffen – dass er in jede Stufe des Prozesses eingebunden war. Aber in Interviews blieb er vage in seinen Aussagen darüber, wie du sagst, und distanzierte sich auf eine Art selbst von diesem Aspekt, lenkte den Blick mehr auf Inspiration und wie empfänglich er dem Song gegenüber war. Er sagte in zahlreichen Interviews, dass die Musik einfach zu ihm komme und „in seinen Schoß falle“. Du schreibst in deinem Buch, dass er oft erzählte, er würde „die Musik sich selbst erschaffen lassen“, und du hast dies zurückgeführt auf eine Aussage von John Lennon, die er für sich selbst als Erinnerung mitführte, während er an Earth Song arbeitete:

„Wenn die wirkliche Musik zu mir kommt, die Musik der Sphären, die Musik, die den Verstand übertrifft – das hat mit mir nichts zu tun, denn ich bin nur der Kanal. Die einzige Freude für mich ist, dass es mir gegeben wurde und es wie ein Medium umzusetzen … Das sind die Momente, für die ich lebe.“

Wenn ich diesen Abschnitt deines Buches lese, denke ich sofort an die Romantiker. Wenn wir uns Auszüge ihrer Gedichte ansehen, bearbeiteten wir sie und waren tatsächlich sehr wissend und in das Handwerk des Erschaffens der Poesie eingebunden, Sie waren sachkundige Wortschöpfer. Aber wie Michael Jackson waren sie sehr zurückhaltend, darüber zu reden. Sie zogen es vor, über das Erschaffen von Poesie als einem Akt von Inspiration zu sprechen, eher als von Handwerk und tendierten dazu zu sagen, sie wären bloß Schreiber – nur die Worte niederschreibend, die einige schöpferische Impulse, größer als sie selbst, durch sie ausdrücken würden – eher als Schöpfer, welches ein Gedanke ist, den Michael Jackson wiederholt ausdrückte. In der Tat kämpfte er irgendwie darum, dies auszudrücken während der Aussage für den Plagiatsfall für Dangerous 1994, als er sagte, er schreibe alle seine Songs selbst, aber in einer Art täte er es auch nicht – sie kämen einfach zu ihm.

Ich weiß, du hast die Romantiker studiert, also weißt du viel mehr darüber als ich. Ich fragte mich, ob du etwas über dieses Ideal des Künstlers der Romantik sagen kannst, der bloß empfangende Kanal zu sein, durch den die Kreativität durchfließt, eher als ein Schöpfer, und wie dies zwei Jahrhunderte später von John Lennon und Michael Jackson reflektiert wird.

Joe: Eine hauptsächliche Metapher in der romantischen Dichtung ist die Windharfe: Wenn der Wind bläst, kommt die Musik. Du kannst es nicht erzwingen. Du musst darauf warten.

Willa: Das ist wunderschön.

Joe: Michael glaubte ganz stark an dieses Prinzip. Es muss gesagt werden, Michael war ohne Frage ein technischer Meister. Er veröffentlichte kaum Werke in Rohfassung. Eine andere Metapher, die er gern heranzog, um seinen Schaffensprozess zu verdeutlichen, ist Michelangelos Philosophie, dass in jedem Stück Marmor oder Stein „eine schlafende Form“ verborgen ist. Sein Job als Künstler ist es dann, ihn zu behauen, zu formen und zu polieren, bis er das Verborgene befreit hat. Also erfordert es viel ausführende Arbeit. Du kannst vielleicht eine Vorstellung darüber haben, wie es aussehen sollte, aber um während des ganzen Prozesses im Einklang damit zu sein, musst du hart arbeiten, um es zu realisieren.

Willa: Was für ein wundervolles Bild! Ich mag den Gedanken der „schlafenden Form“, und es macht wirklich deutlich, wie sehr der Erschaffungsprozess beides benötigt, Inspiration und technisches Know-how. Die Idee des Songs offenbart sich ihm und erschafft sich selbst, wie Michael zu sagen pflegte, jedoch erfordert es die Fähigkeit und Hingabe eines Handwerkers, um ihn zu „befreien“.

Joie: Joe, in deinem Buch sprichst du über die Absurdität der Tatsache, dass Earth Song niemals als Single in den USA veröffentlicht wurde, sogar obwohl Michaels vorangegangene Single You are not alone als Nummer Eins debütierte. Und trotzdem wurde Earth Song in anderen Teilen der Welt nicht nur als Single veröffentlicht, sondern direkt Nummer Eins in 15 Ländern. Ich stimme dir zu, wenn du sagst, es sei aufschlussreich, dass die Entscheider nicht das Gefühl hatten, das „Land des Überflusses“ würde einen Song tolerieren können, mit solch einem „Blick in dein Gesicht“ gegenüber dem menschlichen Befinden. Aber, ich glaube, diese Entscheidung war ein Riesenfehler. Ich denke, wäre es hier veröffentlicht worden, es wäre hervorragend gelaufen. Trotz der verächtlichen Beurteilungen, die es bekam, ist es ein Song, der schwerlich ignoriert werden kann, und ich denke, es hätte bedeutende Radiospielzeiten bekommen, wenn es den Stationen angeboten worden wäre.

Joe: Du könntest recht haben. Es ist schwer zu sagen. Einerseits hatte Michaels Popularität in den USA wegen der Anschuldigungen 1993 abgenommen. Aber seine ersten zwei Singles erreichten die Top 5. Es ist seltsam, wie schnell Sony sich für das Album verbürgte nach dem Start der Singles. Es wäre schön gewesen, wenn dem Song wenigstens eine Chance mit den amerikanischen Hörern gegeben worden wäre.

Joie: Ich liebe die Art, wie du Earth Song mit John Lennons Imagine vergleichst, indem du sagst, beide bitten den Zuhörer, sich mehr um die Welt zu sorgen, die wir haben, als von einem Leben nach dem Tod zu träumen. Aber kannst du ein wenig über deine Feststellung sagen, dass Imagine für den Durchschnittshörer eher „genießbar“ ist als Earth Song?

Joe: Gut, Imagine ist ein absolut schöner Song, der ebenso umtriebig ist. Weil er so angenehm ist und eine solche Nostalgie heraufbeschwört, realisieren viele Leute dagegen einfach nicht, was er tatsächlich sagen will. Er ruft zur Revolution auf, aber er wird einvernehmlich in Zahnarztpraxen und Kaufhäusern gespielt. Also wird der Eindruck von ihm auf gewisse Weise abgestumpft. Wenn er am Neujahrsabend auf dem Times Square in New York gespielt wird, wirkt er wie eine Art Wohlfühl-Hymne. Daran ist nichts Falsches. Tatsächlich denke ich, dass Man in the mirror sehr ähnlich ist in der Art des Tons und des psychologischen Effektes. Aber Earth Song ist anders. Er hat eine andere Dringlichkeit und Intensität. Stell dir vor, Earth Song würde am Neujahrsabend mit voller Lautstärke aus den Lautsprechern schmettern. Noch besser, stell dir Michael vor, wie er damit auftritt. Die Zuhörer würden wahrscheinlich in Erstaunen versetzt werden. Der Song wurde nicht gemacht, damit die Leute sich wohlfühlen; er wurde gemacht, das Bewusstsein der Menschen anzupieksen, die Leute aufzuwecken.

Joie: Was mich einmal mehr fragen lässt, wie es aufgenommen worden wäre, wenn es eine ordentliche Promotion und das Abspielen über Radiostationen in den USA erfahren hätte.

Willa: Und dass das hier nicht funktioniert hat, sagt auch etwas Wichtiges aus, denn es hat in vielen anderen Ländern funktioniert.

Joe: Große, prophetische Kunst wird oft abgelehnt oder in seiner Zeit missverstanden. Dafür gibt es so viele Beispiele, von Blake über Van Gogh zu Tschaikowsky und Picasso. Michael war ein Studierender der Geschichte und Kunst, und er hat das verstanden. Er war selbstsicher darin, dass die Werke, die er erschuf, die Zeit überdauern würden. Earth Song ist ein Song, der in der ganzen Welt extrem populär war und weiter sein wird. Aber letztlich war es ein Song, der gegen den Strom ging – also macht der Widerstand der Firmenmachthaber, Kritiker und anderer Gatekeeper Sinn.

Joie: Also gut, ich danke dir, dass du uns begleitet und mit uns über Earth Song gesprochen hast.

Joe: Ich danke euch, mich eingeladen zu haben. Es war mir eine Freude, und mir gefällt die ganze Idee des Dancing with the Elephant als einem Ort für gedankenvolle Diskussionen über Michael Jackson wirklich sehr.

Joie: Danke. Willa und ich haben eine großartige Zeit damit! Ich bin neugierig darauf, was wir als Nächstes von Joe Vogel erwarten dürfen, nun, da das Erscheinungsdatum für Man in the Music gerade um die Ecke kommt und Earth Song ebenfalls auf dem Weg ist, in Buchform zu erscheinen. Hast du irgendwelche Pläne für Büchersignierungen oder auf andere Art, in Erscheinung zu treten?

Joe: Ich arbeite mit meinem Agenten und Publizisten an all den Plänen bezüglich der Promotion für Man in the Music und ich werde in den kommenden Wochen klarere Gedanken dazu haben. Es wird geschäftig werden, aber ich bin aufgeregt, dass die Leute endlich das lesen werden, an dem ich all diese Jahre gearbeitet habe.

Joie: Gut, ich habe die Vorab-Kopie, die du dem MJFC überlassen hast, regelrecht verschlungen, ich weiß, die Fans werden es lieben. Es ist ein wirklich wundervolles Buch! Gibt es irgendwelche Schreibprojekte, an denen du zurzeit arbeitest?

Joe: Ummmm… Ich habe immer einen Haufen Projekte in Arbeit. Ich kann aber bislang nicht sagen, welche ich verwirklichen werde. Man in the Music und Earth Song könnte es für mich in Sachen Michael Jackson Bücher gewesen sein. Aber wir werden sehen. Es gibt viele praktische Berücksichtigungen, die es schwierig machen, aber es ist schwer zu widerstehen „wenn der Wind bläst“.

Willa: Also, wir haben es wirklich genossen, mit dir zu reden. Und wenn irgendjemand sich uns bei dieser Unterhaltung anschließen will, Joe wird diese Woche auf unserer Kommentarseite vorbeischauen, sodass ihr Fragen oder Kommentare für ihn posten könnt.


Übersetzung: Lilly


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