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“A lot of people misunderstand me. That’s because they don’t know me at all.” – Michael Jackson

War Michael Jackson Schwarz genug?

Joie und Willa diskutieren die Kritik, dass Michael Jackson nicht „schwarz genug“ gewesen sei und thematisieren die Schwierigkeiten und Widersprüche aus ihrer eigenen Erfahrung mit rassischen Identitäten. Sie betonen, dass es keine festgelegte Definition von „Schwarzsein“ geben kann und plädieren für Selbstbestimmung. Sie argumentieren, dass Jacksons Kunst und sein Einfluss auf die Kultur weitaus wichtiger sind als Fragen seiner rassischen Zugehörigkeit.

Willa: Diese Woche wollen Joie und ich mit einem jener Elefanten im Raum tanzen und die immer wiederkehrende Kritik ansprechen, Michael Jackson wäre nicht „Schwarz genug“ gewesen. Wir sprechen nicht über seine Hautfarbe. Wir reden über die Kritik, die vor langer Zeit begann in den 1970er- und 80er-Jahren, als Kritiker auf seine Penny Loafer und sein Image in der Öffentlichkeit schauten und sagten, er tue nicht genug, um seine schwarze Herkunft anzunehmen.

Joie: Ok, das ist ein schwieriges Thema für mich. Nicht, weil ich nicht weiß, wo ich bei diesem Punkt stehe, sondern weil die Frage mich aus einigen Gründen ein wenig wütend macht. Einer davon ist, dass es eine Frage ist, die bei mehr als einer Gelegenheit auch an mich gerichtet wurde. Ich bin in gutbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen und die Schulen, in die ich in den 1970er- und 80er-Jahren ging, waren ein guter Mix aus Schwarz und Weiß. Aber weil ich nicht grundsätzlich nur mit den anderen farbigen Kindern herumhing und stattdessen auch viele weiße Freunde hatte, war ich plötzlich das Mädchen, das versuchte, weiß zu sein. Und diese Kritik kam nicht nur von den anderen Schwarzen Kindern, sondern genauso von einem meiner Geschwister. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich mehr gemeinsam hatte mit den Kindern, die ich mir ausgesucht hatte zum Spielen als mit den Kindern, die aussahen wie ich. Das war offensichtlich nicht der Punkt. Aber dies ist die Sache … ich bin wirklich immer noch nicht sicher, was der entscheidende Punkt ist und ich glaube nicht, dass es irgendjemand anderer weiß.

Mein Neffe, den ich anbete, schloss kürzlich das Morehouse College ab. Es ist ein Campus nur für farbige, männliche Studenten (der weibliche Gegenpart, Spelman, liegt genau gegenüber). Ich fragte ihn, was er denkt über diese „Schwarz genug“-Frage, und ich muss zugeben, dass ich ein wenig betrübt bin über seine Antwort. Betrübt deshalb, weil er sagte, dass sogar auf diesem Campus, mit nur farbigen Mitgliedern, Jungs sind, die diese selbe Kritik ertragen müssen – entweder wegen der Art, wie sie sich kleiden (wie angepasste / figurbetonte statt weit sitzender Kleidungsstücke, glatte Haare statt natürlich gelockte) oder wen sie daten (weiße Freundinnen statt farbige). Okay, nach dem Standard gibt es dann einige von farbigen Menschen da draußen – beides, männlich und weiblich (mich selbst eingeschlossen), die nicht mehr schwarz genug sind! Warum, oh, warum hat mir niemand gesagt, dass ich durch das Tragen von glatten Haaren und das Eingehen einer Mischehe meine Rasse ausverkaufe? Oh, welche Schande! Ich schätze, es ist eine gute Sache, dass ich fest daran glaube, dass wir alle von derselben Rasse abstammen – der menschlichen Rasse!

Willa: Joie, dieser Satz „… ich bin wirklich immer noch nicht sicher, was der entscheidende Punkt ist und ich glaube nicht, dass es irgendjemand anderer weiß,“ hat wirklich meine Aufmerksamkeit gefesselt. Denn was ist genau der zugrunde liegende Aspekt hierbei? Ich verstehe die Befürchtung, dass das kulturelle Erbe einer Gruppe verloren gehen kann. Ich habe das auch erlebt. Die Großmutter meines Großvaters war Potawatomi (Anm.: ein Indianerstamm), aber außer ein paar Quilt-Decken, die sie zusammen angefertigt hatten, als er ein Kind war und einer alten sepiafarbenen Fotografie, habe ich keinen Zugang zu meiner Ur-Urgroßmutter oder zu ihrer Kultur. Das ist alles komplett verloren für mich. Wenn ich ein Formular ausfüllen und meine Identifikation ankreuzen muss, kreuze ich Weiß an. Sogar, wenn ich mehr als eines ankreuzen kann, mache ich das Kreuz nur bei Weiß. Genetisch gesehen bin ich ein wenig Potawatomi, aber kulturell bin ich es nicht, und es würde sich für mich vermessen anhören, wenn ich meine Verbindung zu einer Herkunft behaupten würde, über die ich nichts weiß. Ich bedauere wirklich, dass die Herkunft für mich verloren ist, aber an diesem Punkt ist es einfach so.

Gleichzeitig empfinde ich es als sehr verwirrend, wenn Kommentatoren, speziell Weiße, Michael Jackson oder Präsident Obama oder irgendeine öffentliche Person dafür kritisieren, angeblich ihre traditionelle schwarze Identität nicht zu würdigen. Es unterstellt, dass es eine Definition dafür gibt, was Schwarz bedeutet und dass jeder, der Schwarz ist, sich daranzuhalten hat. Ich weiß noch, als ich einmal in einem Supermarkt in Jeans und T-Shirt einkaufte, kam ein Mann auf mich zu und sagte zu mir, ich sollte doch meine Weiblichkeit mehr schätzen. Ich war ziemlich sprachlos deswegen – und offen gestanden, ein wenig beleidigt. Welches Recht hat er, mir seine Gedanken darüber aufzuzwingen, was an mir feminin ist? Ich entscheide für mich selbst, was feminin ist und was nicht, oder ob ich überhaupt feminin sein will oder nicht, was immer das heißt, und ich denke, die meisten Leute würden mir zustimmen.

Trotzdem ist es irgendwie okay für weiße Kommentatoren, ihre Definition dessen, was Schwarz für sie heißt, Michael Jackson aufzuzwingen. Und generell auch, wenn sie sagen, dass sie nicht das Gefühl haben, ihn würde seine schwarze Herkunft interessieren. Es hört sich an wie eine Herabsetzung, auf eine wirklich manipulative und hinterlistige Art.

Joie: Das ist eine Herabsetzung. Aber hier ist das, was mich besonders an diesem Thema ärgert, Willa, und es ist etwas, das du gerade schon angesprochen hast. Und ich möchte alle diejenigen, die diese Kritik üben, bitten, diesem Punkt wirklich Beachtung zu schenken und dies zu verstehen: Was ist eine „traditionelle Schwarze Identität“? Denn die Wahrheit ist, was immer du auf diese Frage antwortest, es wird zweifellos ein Klischee sein. Es gibt KEINE SOLCHE SACHE wie die „traditionelle Schwarze Identität“. Es gibt so viele verschiedene Arten von Schwarzen Menschen, wie es Schattierungen von Schwarz gibt. Wir kommen aus allen sozialen Schichten, mit jeglichem sozialen und wirtschaftlichem Hintergrund – im Gegensatz zu dem, was die Medien euch glauben machen wollen! Wenn ich Rap höre und Slang rede, dann ist es okay, und wenn ich Heavy Metal höre und artikuliert rede, dann habe ich die Bindung zu meiner Herkunft verloren? Mit den Worten meines Neffen … warum erlauben wir der Popkultur, die Messlatte dafür zu sein, an der wir entscheiden, wer „Schwarz genug“ ist? Das Gebot, wirklich schwarz zu sein, würde bedeuten, du hast ganz bestimmte Kleidung zu tragen und ganz bestimmte Musik zu hören und zu singen, ganz bestimmte Leute zu treffen und auf eine ganz bestimmte Art zu sprechen. Das ist einfach absurd. Und dieses Denkmuster, das darauf besteht, dass alle farbigen Menschen konform mit dieser gewissen Stereotype gehen müssen, ist auf eine bestimmte Art eine eigene sonderbare Form des internen, selbst auferlegten Rassismus. Ich verstehe dieses Denken überhaupt nicht. Ich meine, wenn alle Schwarzen diese Ansichten beherzigen würden, wie viel Schönheit und Staunen würde uns dadurch vorenthalten werden? Würde es dann überhaupt einen Michael Jackson geben, über den wir diskutieren könnten?

Also, ich vermute, das, was ich zu sagen versuche, ist JA! Michael Jackson ist reichlich Schwarz. Und so sind es übrigens auch Darius Rucker und Charlie Pride! Wer hat jemals gesagt, dass Musik farblich gekennzeichnet sein muss? Wer hat gesagt, dass unsere Schwarzen öffentlichen Personen in eine imaginäre stereotype Schublade passen müssen, damit sie als etwas gelten können? Warum können wir nicht ganz einfach stolz sein auf die Tatsache, dass Michael Jackson – ein stolzer schwarzer Mann – der größte, am meisten gefeierte Entertainer aller Zeiten wurde, geliebt von Millionen auf der ganzen Welt? Warum können wir nicht ganz einfach stolz sein auf das Wissen, dass Michael Jackson – ein stolzer schwarzer Mann – der einflussreichste musikalische Innovator der Welt wurde? Er folgte niemals den Trends, er setzte sie! Warum können wir nicht einfach die Tatsache feiern, dass Michael Jackson – ein stolzer schwarzer Mann – verantwortlich ist für das bestverkaufte Musikalbum der Geschichte? Er wird für immer bekannt sein als der einzig wahre King of Pop. Ein schwarzer Mann hat das getan! Ein stolzer, schöner, starker, hart arbeitender schwarzer Mann hat das alles und noch viel mehr getan! Warum können wir ihn nicht ganz einfach feiern, anstatt anzuklagen, er sei nicht „Schwarz genug“?

Ich vermute, der wahre Grund dafür, dass diese Frage mich so aufregt ist, dass ich es wirklich beleidigend finde, dass diese Frage niemand anderem gestellt wird. Niemand hat jemals gefragt, ob Jackie Chan chinesisch genug sei oder ob Robin Thicke Weiß genug sei. Wirklich, lass uns das doch mal näher betrachten: Robin Thicke ist ein sehr talentierter Sänger mit einer wunderbaren Stimme. Aber er singt R & B, und er redet gewissermaßen „Schwarz“, er ist verheiratet mit einer wunderschönen farbigen Frau, ich weiß nicht … Vielleicht hat er seine weiße Herkunft verkauft? Hat sich darüber schon mal jemand Gedanken gemacht?

Willa: Das ist ein sehr interessanter Punkt, und dazu einer, über den ich vorher nie nachgedacht habe. Ich habe mich niemals in meinem Leben gefragt, ob ich Weiß genug bin, und ich hatte nie das Gefühl, dass ich mich zurückhalten, mich selbst anzweifeln oder in irgendeiner Form begrenzen muss, um mit der Identifikation meiner Rasse übereinzustimmen. Ich kann mein Haar glatt tragen oder dauergewellt oder mit Dreadlocks, ich kann French Toast zum Frühstück essen oder Sushi zum Lunch oder Fish Tacos zum Abendessen, ich kann dem Zauber eines Buches von Toni Morrison oder Leslie Marmon Silko oder Maxine Hong Kingston verfallen, und es ist ganz einfach kein Thema. Weil ich Weiß bin und zur „vorherrschenden“ Kultur gehöre, kann ich andere Kulturen erforschen so viel ich will, und es bedroht meine Identität in keiner Weise. Und niemand fragt danach. Ich könnte beschuldigt werden, die Kultur von anderen in Beschlag genommen zu haben, aber das ist ein anderes Thema. Aber ich musste mich nie mit dieser Kritik von außen auseinandersetzen oder mit den inneren Selbstzweifeln, über die du gesprochen hast.

Vielleicht ist es das, was Michael Jackson in dem Rap-Abschnitt von Black or White herüberbringen wollte, als er schrieb „Ich werde nicht mein Leben damit verbringen, eine Farbe zu sein“ (I’m not going to spend my life being a color). Ich denke, Michael Jackson leistete allem Widerstand, was uns dazu bringt, unser Leben zu begrenzen, einschließlich unseres Alters, Geschlecht, Nationalität, Sexualität, Rassenidentifikation. Wie du gesagt hast „Er war reichlich Schwarz“ – er war der direkte Nachfahre von James Brown und Jackie Wilson und Sammy Davis, Jr., und er war sehr stolz darauf – aber er bewahrte für sich selbst das Recht zu definieren, was es heißt Schwarz zu sein.

Idealerweise sollte jeder das Recht haben zur Selbstbestimmung, wir sollten selbst definieren können, wer wir sind und wer wir sein wollen. Künstler experimentieren mit diesem Recht der Selbstdefinition mehr als die meisten anderen Leute – und niemand verschob das Recht auf Selbstdefinition weiter, als es Michael Jackson tat. Er verweigerte absolut, von den Erwartungen anderer Leute in eine Schublade gesteckt zu werden. Wenn er roten Lippenstift tragen wollte, dann tat er es. Allerdings hat dieser Widerstand gegen kulturelle Erwartungen eine ebenso lange Geschichte. Josephine Baker und James Baldwin forderten die kulturellen Rollen auf massive Weise für sich heraus, aber das wies keinesfalls darauf hin, sie würden ihre schwarze Herkunft nicht respektieren. Stattdessen weiteten sie sie aus und erschufen ein neues Kapitel in der Geschichte ihres Schwarzen Erbes. Und wie du es schon so schön beschrieben hast, Michael Jackson erschuf sehr verwegen ein neues Kapitel ganz für sich allein.

Ich denke, Michael Jackson war eine umgestaltende kulturelle Person, die tiefgreifend beeinflusst hat, wie wir als Volk die Unterschiede, die uns teilen und trennen, wahrnehmen und erfahren – Unterschiede der Rassen, Geschlecht, Alter, Religion, Nationalität, Sexualität – und ich glaube, er war der bedeutendste Künstler unserer Zeit. Nicht der bedeutendste Schwarze Künstler. Der bedeutendste Künstler, Punkt. Kein Künstler seit Warhol hat uns herausgefordert und verändert auf die Art, wie Michael Jackson es getan hat. Und ironischerweise erreichte er das teilweise, indem er den Beschränkungen trotzte, deren Überschreitung er angeklagt war.

Joie: Wow. Ich liebe die Art, wie du das sagst: „… indem er den Beschränkungen trotzte, deren Überschreitung er angeklagt war.“ Du hast so recht. Und ich glaube wirklich, es war sein Ziel, die Welt zu vereinen – alle Rassen, alle Farben, alle Nationalitäten – durch das Geschenk seiner Musik. Er sagte einst der Reporterin Sylvia Chase:

„Wenn sie sich alle an den Händen halten und jeder rockt und da sind alle Farben von Menschen, alle Rassen … Es ist die wundervollste Sache. Sogar Politiker können so etwas nicht!“

Die Ehrfurcht in seiner Stimme, als er diese Worte zu ihr sagte, ist so echt und andächtig, du weißt einfach, dass er ehrlich bewegt ist, wenn er das sieht. Du kannst es in seiner Stimme spüren und ich glaube, dass er wirklich fühlte, was er in Black or White sang: „Wenn du denkst mein Bruder zu sein / Spielt es keine Rolle, ob du schwarz oder weiß bist“ (If you’re thinkin‘ of being my brother / it don’t matter if you’re Black or White). Ich glaube, diese Worte sprachen wirklich zu ihm und waren wichtig für ihn. Ich denke, oberflächlich gesehen wurde der Song von den meisten Leuten als ein süßer „Können wir nicht einfach alle gut miteinander auskommen – Yeah“-Typ Einigkeits-Song gesehen, in Wirklichkeit war es eine sehr ernste Botschaft, die er versuchte uns allen herüberzubringen. Es spielt keine Rolle, ob du schwarz oder weiß bist, und das ganze Beurteilen und Etikettieren dient nur dazu, uns alle kleinzuhalten und unter Kontrolle zu haben. Ist jemand Schwarz genug? Weiß genug? Chinesisch genug? Puerto-ricanisch genug? Das ist nicht gerade eine berechtigte Frage. Sicherlich keine, die jeder – jeder Rasse – jemals jemand anderen fragen sollte, weil nur der Einzelne selbst auf diese Frage antworten kann. Nur ich allein habe das Recht zu fragen, ob ich Schwarz genug bin, genau wie nur du, Willa, das Recht hast zu fragen, ob du Weiß genug bist. Und nur Michael Jackson hatte das Recht zu fragen, ob oder ob er nicht schwarz genug war. Und ich denke, er beantwortete diese Frage für uns wieder und wieder in seiner Kunst und in der Wahl dessen, was er unterstützte wie den United Negro College Fund und die Equality For Blacks in the Music World.


Übersetzung: Ilke


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