all4michael

“A lot of people misunderstand me. That’s because they don’t know me at all.” – Michael Jackson

Michael Jackson: Unterwanderung von Blackface Stereotypen


Michael Jackson, der die Blackface-Minstrel-Tradition in seinem Werk aufgreift, ist ein Meister darin, unsere Wahrnehmung umzudrehen. Wie die traditionelle Blackface-Maske untergräbt er Vorstellungen von Rasse, Sexualität und Geschlecht auf kunstvolle und widersprüchliche Weise. Er nutzt die Klischees und Stereotype des Blackface, um sie gleichzeitig zu kritisieren und zu unterminieren. Michaels Werk ist ein Meisterwerk der Transformation und ermöglicht es uns, Rassenvorurteile und Klischees zu hinterfragen. Es ist inspirierend, wie er mit den Erwartungen spielt und sein eigenes Selbstbild neu definiert hat. Michaels Einfluss wird auch nach seinem Tod weiterleben, und seine Kunst wird uns weiterhin herausfordern und inspirieren.


Willa: In dieser Woche bin ich so begeistert, dass Harriet Manning bei uns ist, die Autorin eines faszinierenden neuen Buches mit dem Titel Michael Jackson and the Blackface Mask, das kürzlich von Ashgate Press veröffentlicht wurde und Lisha McDuff, eine professionelle Musikerin und Musikwissenschaftlerin, die ihre Dissertation über Black or White schrieb, mit der teilweisen Annäherung an dieses Thema als einem Beispiel für „Weißgesichtige Minstrelsy – oder eine Umkehrung der Blackface Minstrel Darstellung“ („Whiteface minstrelsy – or a reverse blackface minstrel performance)“. Lisha hat einige ihrer Gedanken über Black or White in einem faszinierenden Post im letzten Jahr mit uns geteilt. Danke euch beiden, dass ihr hier seid!

Harriet: Hallo. Danke für deine Gastfreundschaft.

Lisha: Danke, Willa! Es ist immer ein Vergnügen.

Willa: Oh, es ist mir immer eine Freude, mit dir zu sprechen, Lisha. Und Harriet, da sind so viele interessante Gedanken in deinem Buch, über die wir sprechen sollten! Aber bevor wir eintauchen, bin ich neugierig zu wissen, wie dein Interesse für Michael Jackson und an Blackface Minstrelsy begann. Und dann, wie kam das schließlich zusammen?

Harriet: Es begann, als ich etwas zum Thema Blackface Minstrelsy (der weißen theatralischen Parodie schwarzen Tanzes, schwarzer Musik und Gestik) lernte. Ich war fasziniert von der Tatsache, dass sie trotz ihrer langen Lebensdauer (die Tradition bestimmte die vorherrschende Populärkultur während des 19. Jahrhunderts in U.K. und den Vereinigten Staaten) als seit langer Zeit vorüber betrachtet wurde und der Bekanntheitsgrad ihrer Geschichte nicht sehr hoch ist. Ich fragte mich, wie etwas so Großes einfach verschwinden konnte und grübelte darüber nach, welche Form es wohl heute annehmen würde, in einer Zeit, in der politische Korrektheit „das Schwärzen“ nicht mehr toleriert.

Ich wusste nicht viel über Michael Jackson, aber ich habe darüber nachgedacht: Was wäre, wenn hier das Vermächtnis der Blackface Tradition liegen würde? Ich fing an, die Tanzbewegungen und die schwarzen Stereotypen dieser Tradition zu studieren und erkannte, wie Michael Jackson diese für sich nutzte. Eine wunderbare Schatztruhe öffnete sich: Ich fand nicht nur die Wurzeln in MJ’s Tanz, sondern ich fand auch einen Weg, durch den man ihn verstehen konnte und erkannte die verschiedenen Schwierigkeiten, denen er sich gegenübersah.

Lisha: Harriet, das ist so faszinierend, und ich muss sagen, dein Buch zu lesen ist eine Erfahrung, die einem die Augen öffnet – nicht nur, um zu verstehen, wie Blackface Minstrelsy sich in Michaels Werken widerspiegelt, sondern auch, um die Minstrel Show als „erstes kommerzielles Pop-Format“ von Musik zu verstehen. Ich denke, ich fange gerade erst an zu begreifen, wie vorherrschend diese Form der Unterhaltung einmal war. Ein so großer Teil der populären Musik kann bis zur Blackface Minstrelsy zurückverfolgt werden und ich glaube nicht, dass mir das vorher schon bewusst war.

Willa: Mir geht es genauso. Ich hatte keine Vorstellung darüber, dass es so unglaublich populär war und das über so lange Zeit. Ihre Popularität war natürlich fließend, aber es herrschte über ein Jahrhundert vor.

Lisha: Das ist ziemlich unglaublich, wenn du darüber nachdenkst – es ist solch ein riesiger kultureller blinder Fleck. Wie du sagst, Harriet, trotz der Attraktivität der Minstrel Show auf die Massen im 19. Jahrhundert, schien sich die Blackface Parodie zu verflüchtigen, und es scheint so, als hätten die meisten von uns nicht einmal eine Ahnung davon, wie populär sie einmal war. Gab es ein bestimmtes Ereignis, das die Ursache dafür war, dass der britischen und amerikanischen Öffentlichkeit plötzlich bewusst wurde, wie beleidigend die Blackface Parodie war?  Was war passiert, das einen so dramatischen Wandel im Bewusstsein verursacht hat?

Harriet: Die Tradition wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als es auf den Bürgerkrieg zuging und schließlich mit der Abschaffung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten endete, in zunehmendem Maß unsicherer. Sie kam aus der Mode, als ihr Publikum sich immer unwohler mit den rassistischen Inhalten fühlte. Die Blackface Maske wurde daraufhin zu einem Brauch auf der Bühne und das offenkundige, rassistische Material wurde entfernt. Dann verschwand schließlich auch die Maske selbst.

Lisha: Interessant, denn viel von demselben rassistischen Inhalt besteht immer noch, aber in einer subtileren Form. Ich bin so neugierig darauf, was dein Interesse so anhaltend wirklich hier eintauchen ließ und sogar noch mehr über Blackface Minstrelsy aufdeckte?

Harriet: Blackface Minstrelsy war Teil eines Kurses über Black Music, den ich für meinen Abschluss in Musik absolvieren musste. Ich war richtiggehend schockiert dadurch. Die Leute sollten darüber Bescheid wissen.

Willa: Das sehe ich auch so. Wir müssen darüber Bescheid wissen, teilweise weil wir seinen Einfluss heute immer noch erkennen können. Bei seltenen Gelegenheiten sehen wir moderne Darsteller als Blackface, wie in Neil Dimonds Neuauflage von The Jazz Singer von 1980. Ich kann mich immer noch gut erinnern, wie schockierend es sich für mich anfühlte, Neil Diamond als Blackface zu sehen. Und in dem Video für Do You Really Want to Hurt Me von Culture Club vergleicht Boy George die Vorurteile, die er gegenüber sich selbst erfahren hat, mit rassenbezogenen Vorurteilen, und es gibt da stumme Zeugen als Blackfaces auf den Bänken. Hier ist ein Clip:

Culture Club – Do You Really Want To Hurt Me

Lisha: Blackface ist eine wirklich interessante Wahl in diesem Clip, Willa, die sehr wirksam als eine schonungslose Art (as an „in your face“ way / direkt ins Gesicht geschriebene Art) ausdrückt, wie irrational und unbewusst Vorurteile sind.

Harriet: Lest ihr daraus ab, dass Boy George Rassenvorurteile mit Vorurteilen sexueller Art gleichsetzt?

Willa: Ich tue es. Wie ist es mit dir, Lisha?

Lisha: Ja, ich auch. Ich habe bemerkt, dass in vielen Vorträgen, die die Rechte von Homosexuellen betreffen, Rassenvorurteile als ein Weg benutzt werden, aufzuzeigen, wie Menschen in der Geschichte sich dazu berechtigt gefühlt haben, andere zu diskriminieren, nur um später erkennen zu müssen, wie schrecklich töricht und unzivilisiert ihre Vorstellungen waren. Zum Beispiel ist es noch nicht lange her, dass es Vorgaben für Bücher gab, die gemischtrassige Ehen einschränkten, genauso wie wir heute immer noch Vorgaben erkennen, die die Rechte für gleichgeschlechtliche Paare einschränken.

Willa: Das stimmt, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob Bürgerrechtler es begrüßt haben, dass ihre Bewegung mit der LGBT Bewegung in Verbindung gebracht wurde. Aber es gibt eine Menge Parallelen, wie du sagst, und ich denke, Boy George deutet das in Do You Really Want To Hurt Me unterschwellig an.

Er steht vor Gericht – wir wissen nicht genau warum, aber es scheint deswegen zu sein, weil er seine Sexualität auf unkonventionelle Weise ausdrückt, oder vielleicht auch, weil er ganz allgemein anders ist. Und die Menschen, die über ihn urteilen – die „Jury bestehend aus seinesgleichen“ – ist aus Leuten zusammengesetzt, die als Blackfaces auf eine Weise auftreten, die die schwarzen Stereotypen Weißer darstellen, welche ja die Grundlage für Blackface Minstrelsy bilden. Also scheint er sagen zu wollen, dass, genau wie die vorherrschende weiße Bevölkerung ihre Ängste und Vorurteile durch Blackface Schwarzen auferlegt, die vorherrschende heterosexuelle Bevölkerung nun ihre Ängste und Vorurteile ihm aufzwingen. Und er tut das auf eine sehr „schonungslose“ Art, wie du sagst, Lisha.

Lisha: Das Wortspiel („in your face“) ist beabsichtigt. Es ist interessant, wie Boy George in dem Video in der Historie zurückgeht, in einen Nachtclub von 1936 und in einen Londoner Fitnessclub von 1957, als ob er alte Verhaltensweisen über Rasse, Geschlechter und Sexualität, die angepasst werden müssen, untersuchen würde.

Harriet: In der Tat hat Blackface Minstrelsy Themen wie Sexualität und Geschlechterzugehörigkeit „unter der Maske“ historisch erkundet, denn Rasse und Sexualität sind durch ihren Glauben an eine „Norm“ (weiß und straight) und an ein sich davon unterscheidendes „Andere“ (schwarz und schwul) grundlegend verbunden.

Willa: Ich wusste das bisher nicht – dass die Blackface Tradition Geschlecht und Sexualität genauso wie Rasse parodiert hat – und war von diesem Aspekt in deinem Buch sehr fasziniert, Harriet. Ich würde heute wirklich gern darüber sprechen.

Lisha: Ich bin davon auch sehr fasziniert. Es half mir wirklich dabei zu verstehen, wie wichtig die frühen Minstrel Shows für Michael Jacksons Werk sind.

Aber es gibt da ein ziemlich neues Beispiel für Blackface, das ich erwähnen möchte, weil ich es so überraschend fand – einen Comedy-Act mit dem Titel The Jackson Jive, der in der australischen Variety Show Hey Hey It’s Saturday im Oktober 2009 ausgestrahlt wurde. Unglaublich, diese Darbietung wurde als ein „Song and Dance Tribute“ für Michael Jackson nach seinem Tod aufgeführt.

https://www.youtube.com/watch?v=qEtjaZ8ZuNU


Den Darstellern und dem Gastgeber der Show scheint es überhaupt nicht bewusst zu sein, dass diese Art Blackface Parodie als Beleidigung herüberkommen könnte – nicht einmal der YouTube Poster scheint ein Problem damit zu haben! Harry Connick Jr. allerdings, der als Gast bei dem Programm dieses Abends dabei war, sagte, er wäre niemals zu dieser Show erschienen, wenn er gewusst hätte, dass eine derartige Aufführung dabei wäre. Aus meiner eigenen (amerikanischen) Perspektive ist es schockierend, dass irgendjemand dies lustig finden und als eine akzeptable Form der Unterhaltung sehen könnte.

Harriet: Absolut. Was ich außerdem bemerkt habe, ist, dass als der Moderator Harry Connick Jr. dazu auffordert, seine Bedenken auszudrücken, es anscheinend erklärt werden muss, warum: weil die Nummer in seinem, „Harry Connicks Land“, als beleidigend angesehen werden kann. Dies deutet durch eine Bemerkung an, dass dies nur ein „Problem“ Amerikas ist, die auf diese Art die Show aus der Verantwortung nimmt. Ich bin ganz ehrlich nicht glücklich damit.

Willa: Das ist eine gute Beobachtung, Harriet. Und Australien hat eine lange Historie mit Rassismus – sieh dir nur einfach an, wie die Aborigines behandelt wurden – obwohl ihre Geschichte ganz anders ist als unsere. Sie hatten nicht die Einrichtung der Sklaverei, die in den Vereinigten Staaten für Jahrhunderte existierte, aber es gab Sklaven in Australien und sie haben eine Tradition des Rassismus‘.

Lisha: Daran besteht kein Zweifel. Aber eines der interessanten Dinge an diesem Clip ist für mich, wie er die geografische Besonderheit des Rassismus aufzeigt. Ich denke, Harry Connick Jr. hat recht – diese Darstellung würde in den Vereinigten Staaten auf eine völlig andere Art wahrgenommen werden. Eigentlich glaube ich nicht, dass dieser The Jackson Jive Auftritt in den Vereinigten Staaten überhaupt ausgestrahlt würde. Ich kann mir überhaupt keinen amerikanischen Sender vorstellen, der eine Blackface Comedy Darstellung ausstrahlen würde, die sich auf diese Art über das Rassenthema lustig macht. Es ist etwas, von dem ich denke, dass Amerikaner es nicht tolerieren würden, vielleicht weil Blackface Parodie solch ein schmerzlicher Teil unserer Geschichte ist.

Harriet: Es wäre auch in England niemals ausgestrahlt worden. Ich bewundere Harry Connick Jr.‘s Erklärung dafür, warum er sich angegriffen fühlt. Es erinnert mich an das Problem mit der Golliwog-Figur (der Erscheinungsform der Blackface Minstrel Rolle mit kreisrunden Augen, breitem Lachen und wolliger Perücke). Die Verteidiger der Golliwog-Figur sagen, es sei harmlos, lustig und niedlich, aber ihre Geschichte (die in rassistischem Spott wurzelt) ist nichts von alldem.

Der Clip erinnert mich an das Video Just Loose It von Eminem aus dem Jahr 2004 (das auch Thema in meinem Buch ist), welches ein weiteres Beispiel dieser Art gemütlichen Rassismus‘ bietet (und in der Form einer eher unverhohlenen zeitgenössischen „Blackface“ Performance).

Willa: Ich mag die Art, wie du das ausdrückst, Harriet – „gemütlicher Rassismus“.  Das ist eine hervorragende Art, diese beiden zu beschreiben. Ich habe diesen Jackson Jive Clip noch nie vorher gesehen, Lisha, und es ist durch und durch deprimierend. Es ist ganz besonders verstörend, dass sie Can You Feel It in Blackface aufführen, denn dieser Song handelt ausdrücklich davon, Rassenvorurteile zu überwinden, Joie und ich sprachen darüber im vergangenen August. Es ist einfach erschreckend, das zu sehen – und wie du betont hast, Harriet, gibt es diese Andeutung, dass es dein Problem ist, wenn du es beleidigend findest.

Ich erinnere mich, dass es ein ähnliches Empfinden über das Eminem Video gab, als es herauskam – dass, wenn du dich angegriffen fühltest, du einfach keinen guten Sinn für Humor hattest und es dein eigenes Problem war. Und es wurde ziemlich regelmäßig auf MTV gezeigt, was genauso schockierend ist wie die Ausstrahlung der Jackson Jive Darstellung in Australien. Hier ist ein Link zu Eminems Just Loose It, obwohl ich die Leser warnen muss, dass es wirklich verstörend ist:

Eminem – Just Lose It (Official Music Video)

Lisha: Das Eminem Video ist meiner Meinung nach so beleidigend, wie es schlimmer nicht sein kann. Wenn Amerikaner versucht sind, die moralische Überlegenheit für politische Korrektheit für sich zu beanspruchen und auch dafür ein buchstäbliches „Schwärzen“ nicht zu tolerieren, dann relativiert dieses Video wieder alles. Harriet, du hast darauf hingewiesen, dass Eminem die Tradition des Minstrelsy mit seiner weißen Version von Hip-Hop weiterführt, während er Michael Jackson auf eine Art parodiert, „die einhergeht mit den rauesten weißen Darstellungen schwarzer Männer im traditionellen Minstrelsy“.  Das ist sehr milde ausgedrückt, meinst du nicht?

Harriet: Das ist es, Lisha, ja. Wir sollten es nun besser wissen, gerade Eminem, der seine ganze Identität rund um diese Verbindung zu schwarzen Künstlern aufgebaut hat. Eminem scheute auch keine Mühen zu leugnen, dass es da ein Problem mit dem Video gab, was es erst recht schlimm machte.

Willa: Das tut es wirklich. Ich hoffe, diese Performer, einschließlich Eminem, entwickeln sich dahin, dass sie sich eines Tages gründlich für sich selbst schämen. Aber diese Art von offenkundigem Nachspielen von Blackface oder der Bezugnahme darauf ist heute ziemlich selten, nicht wahr

Harriet: Offenkundiges Bezug nehmen auf Blackface ist selten, ja. Dies ist aus zwei Gründen der Fall: zuerst einmal, weil es allzu sehr ein Teil der Geschichte ist, der „nur zu gern vergessen wird“ und zweitens deswegen, weil der Einsatz der Maske sozial immer unakzeptabler wurde, sodass es erzwungenermaßen versteckt werden musste, um subtiler ausgelebt zu werden.

Willa: Aber während es subtil ist, kann es doch immer noch eine kraftvolle Auswirkung haben, wie du in deinem Buch diskutierst. Genau genommen deutest du an, dass die Blackface Tradition einen durchgängigen Einfluss auf unsere Wahrnehmung von Rassenunterschieden gehabt hat, der heute immer noch sehr lebendig ist. Du weist unter anderem darauf hin, dass Blackface Darsteller ein ganzes Jahrhundert lang einen stereotypen Blick auf Schwarze als gewalttätig und übersexualisiert und mit dem insgeheimen Bedürfnis weiß zu sein und sich wie Weiße der Oberschicht zu kleiden, gefördert haben – und dies wurde grundsätzlich auf komische Art durch die Rollen des schwarzen Dandys und des ungebildeten Sklaven, Jim Crow, repräsentiert.

Und wir sehen diese Klischees noch heute. Besonders schwarze Männer werden nur zu oft als gewalttätig und sexuell aggressiv porträtiert, ein Vorurteil, das wesentliche gesetzliche und kulturelle Auswirkungen nach sich zieht. Dies kann ein Grund dafür sein, dass die Polizei und die Öffentlichkeit so empfänglich dafür waren, 1993 die Anschuldigungen gegen Michael Jackson zu glauben, entgegen aller Beweise.

Und weiße Kommentatoren beschuldigen Michael Jackson und sogar Barack Obama oft, „zu weiß“ oder „nicht schwarz genug“ zu sein. Was sie damit wirklich sagen, ist, dass Michael Jackson und Barack Obama nicht zu ihrer stereotypen Vorstellung darüber, was es bedeutet schwarz zu sein, passen – Klischees, die während der Jahrzehnte der Blackface Minstrelsy geformt oder zumindest sehr verstärkt wurden.

Harriet: Ja, die Konstruktion des Schwarzseins im Blackface Minstrelsy, einschließlich der Vorstellung vom übersexualisierten männlichen Schwarzen, durchdringen grundlegend die heutige Art zu denken. Ich denke nicht, dass es ein Zufall war, dass Michael Jackson Beschuldigungen und Verfolgung für unangemessenes (sprich „gefährliches“ und „unkontrollierbares“) sexuelles Verhalten herausforderte. Die heute existierenden Klischees von Schwarzen haben alle ihre Wurzeln im Minstrelsy: Schwarze als verrückt, böse und gefährlich („mad, bad and dangerous“) ist die heutige Version der bekanntesten Blackface Rolle, Jim Crow, der ungeschliffen, unberechenbar und unzuverlässig war. Das ist ein grundlegendes und direktes Vermächtnis.

Es gibt auch noch andere Arten, auf die sich Blackface Minstrelsy ebenso in zeitgenössischer populärer Kultur fortsetzt, nicht zuletzt durch die Aneignung schwarzer Musik, Tanz und Gestik durch Weiße, gewöhnlich ohne deren Anerkennung und in „Whiteface“. Aber das Erbe wird im Hintergrund weiter fortgeführt: in der Arbeit und Präsentation schwarzer Künstler.

Willa: Was, wie du in deinem Buch ausführst, eine sehr komplizierte Performance ist – schwarze Künstler stellen ihre Rasse für weißes Publikum dar. Und du weist darauf hin, dass sich dies heutzutage in der Gewalt, der Frauenfeindlichkeit und Übersexualisierung in vielen Stücken des Hip-Hops fortsetzt.

Harriet: Ja, historisch gesehen wurde schwarzen Künstlern der Zugang zur Blackface Minstrelsy Bühne verwehrt bis gut nach ihrer Glanzzeit (nach dem Bürgerkrieg). Als ihnen schließlich erlaubt wurde sich selbst im Minstrelsy zu zeigen, trugen auch sie eine Maske und spielten die traditionellen Klischees vor. Schwarze Darsteller „fügten sich“ augenscheinlich in einem scheinbaren Akt der Selbstverhöhnung und Empörung.

Allerdings wurde angedeutet, dass da sehr viel mehr dran war, dass schwarze Entertainer nämlich eigentlich eine doppelte Parodie ablieferten, die besagte „wenn es das ist, von dem du willst, dass ich es bin, dann ist dies das, was ich sein werde“ und sie trieben es bis zu einem bisher ungesehenen Extrem. Es schien also, dass sie im Handumdrehen manchmal oder auch immer die traditionellen rassistischen Konstrukte untergruben, und das schwarze Publikum wusste dies (während Weiße dazu neigten, dies nicht zu bemerken).

Willa: Das ist solch ein bedeutender Gedanke und ich finde, einer der faszinierendsten Aspekte überhaupt in deinem Buch. Und wir erkennen, dass Michael Jackson diesen Gedanken von „wenn es das ist, von dem du willst, dass ich es bin, dann ist dies das, was ich sein werde“ offenkundig auch ausgedrückt hat in Is It Scary zum Beispiel, bei dem er wiederholte Male singt „Ich werde genau das sein, was du sehen willst“ („I’m gonna be / Exactly what you wanna see“).

Harriet: Ganz genau. Ein anderes Beispiel ist das gesamte Wacko-Image, von dem vieles (wenigstens in seiner frühen Zeit) durch Michael Jackson selbst hervorgerufen wurde. Verrückt, böse und gefährlich (mad, bad and dangerous) ist das, was er uns immer wieder über sich „erzählt“ hat, nicht nur durch seine Musik, sondern auch in seinem Leben. Wenn man sich Michael Jackson ansieht und auch Hip-Hop Acts in diesem Bezugssystem betrachtet, wird dies wirklich deutlich.

Lisha: Weißt du, Harriet, das ist absolut unglaublich, wenn du über den fröhlichen und amüsanten Teil des Verrückten oder des „Wacko-Images“ nachdenkst, das MJ angeblich selbst gefördert hat (Bubbles und die Sauerstoffkammer) und über die Tatsache, dass er zwei Alben herausgebracht hat, die tatsächlich die Titel Bad und Dangerous trugen!

Willa: Daran habe ich gar nicht gedacht, Lisha! Weißt du, als Erstes denke ich bei diesem Ausdruck an Lady Caroline Lambs Beschreibung von 1812 über Lord Byron als „verrückt, böse und gefährlich zu kennen“, das war also vor langer Zeit. Und interessanterweise pflegten Byron und die anderen Dichter der Romantik diesen Ruf als Bad Boy, indem sie die Öffentlichkeit dazu aufforderten, sie auf diese Art zu sehen, genau wie Michael Jackson dies bis zu einem gewissen Ausmaß gemacht hat. Aber ich habe dies bisher nicht mit den Titeln der Alben Bad und Dangerous in Verbindung gebracht. Das ist interessant.

Lisha: Es ist auch eine interessante Strategie, mit dem Image als Kinderstar und Teen-Idol umzugehen, dessen sich erwachsen gewordene Künstler so schwer entledigen können.

Harriet, du gehst manchmal ins Detail darüber, Michael Jackson die Blackface Maske aufzusetzen (ich meine eher über-sexualisiert, über-kriminalisiert als ein buchstäbliches Blackface), indem du den Panther Dance in Black or White als ein vorzügliches Beispiel anführst, einem Song, bei dem es ausdrücklich um Rasse geht. Ich war immer fasziniert davon, wie Michael Jackson sich aus dem schwarzen Panther heraus verwandelt, um einen Fedora an einem Tor hängend vorzufinden, neben einem Lichtkreis, ähnlich dem, was wir in den Live Performances von Billie Jean sehen. Er setzt den Hut auf und macht dann einen Schritt in das „Rampenlicht“, um seine Rasse, sein Geschlecht und seine Sexualität „darzustellen“. Diese Szene beschwört für mich jedes Mal Blackface Minstrelsy herauf, und meiner Meinung nach hast du präzise gekennzeichnet, warum dies so ist. Aber es gibt auch etwas daran, dass sich vollkommen anders anfühlt. Hast du auch dieses Gefühl?

Harriet: Ja, Lisha. Der Panther Dance für Black or White ist ein anschauliches Beispiel, bei dem Michael Jackson die Blackface Minstrel Rolle als „verrückt, böse und gefährlich“ spielt. Er läuft Amok, wirft mit Mülleimern, zerschlägt Fensterscheiben und agiert wie der animalische Charakter einer Wildkatze. Michael Jackson gibt uns (dem weißen Publikum und der Musikindustrie) genau das, was wir wollen, im Sinne von Weißen kreierter Vorstellungen schwarzer Männlichkeit.

Was allerdings anders ist, ist die Tatsache, dass dies auf eine fröhliche Vision von Harmonie zwischen den Rassen folgt (das Hauptvideo, in dem „es keine Rolle spielt, ob du schwarz oder weiß bist“), was die Performance von „verrückt, böse und gefährlich“ zu einer zornigen Kritik macht. Es ist eine Kritik in ihrer reinen Extremität. Es ist eine doppelte Parodie.

Die Tatsache, dass Michael Jackson für das Video abgeurteilt und gezwungen wurde, eine öffentliche Entschuldigung herauszugeben, zeigt, wie wir als Publikum mit der Realität dieser Botschaft nicht umgehen können.

Willa: Da stimme ich dir zu, und der Panther Dance ist immer noch von dem „offiziellen“ Black or White Video auf Vevo ausgeschlossen, also offenbar können wir weiterhin nicht, mehr als 20 Jahre später, mit der Kraft dieser Botschaft umgehen.

Was für mich am interessantesten in dem Abschnitt über Black or White in deinem Buch war, Harriet, war, wie du die spezifischen Elemente des Panther Dance genau bestimmst, der für dich die Tradition des Blackface Minstrelsy direkt hervorruft und wiederaufbereitet – etwa seine Haltung mit den gespreizten Beinen, als er auf dem Autodach tanzt. Bevor ich dein Buch gelesen habe, habe ich überhaupt nicht bemerkt, dass diese Positur geradewegs vom Blackface kommt, und in meinen Augen scheint es bedeutsam zu sein, dass wir es gerade in Black or White sehen – welches ein direkter Protest gegen Rassenklischees ist – und nirgendwo sonst in seinem Werk. Ich war wirklich ergriffen davon, und ich denke, es ist wichtig, einige dieser Details konkret anzusprechen.

Was gibt es also zusätzlich zu dem offensichtlichen „Schwärzen“ der Hautfarbe für andere signifikante Merkmale beim Blackface? Ich meine, gibt es bestimmte Gesten oder Tanzbewegungen oder Kostüme, bei denen du, wenn du sie siehst, sofort an Blackface Minstrelsy denkst?

Harriet: Ja, Willa, es gibt bestimmte „Blackface“-Gesten, und Michael Jackson verkörpert sie alle. Die Grundbewegungen, aus denen die Tänze der Blackface Parodie zusammengesetzt sind (Tanz war zentral für die Darstellung, da er die Vorstellung von schwarzer Körperlichkeit verstärkt), sind all diejenigen von Michaels eigenem Tanz: Angewinkelte Gliedmaßen mit gebeugten Knien, Drehungen, Zehenstand (Betonung auf der Ferse ebenso wie auf den Zehen, da Sklaven traditionell mit großen, schlenkernden Füßen porträtiert wurden), gleitende Bewegungen und die Kreuzigungspose (im Original auf einem Bein kniend, die Arme ausgestreckt als Sichtbarmachung schwarzer Untergebenheit).

Zu beachten ist, dass beim späteren Blackface Minstrelsy – als schwarze Darsteller die Bühne einnahmen – oft weiße Handschuhe (bekannt geworden durch Al Jolson in dem Film The Jazz Singer) zusammen mit knöchelkurzen Hosen und breitkrempigem Hut getragen wurden.

Lisha: Absolut faszinierend. Dies eröffnet eine gänzlich andere Dimension von Michael Jackson für mich.

Willa: Und für mich ebenso. Ich hatte zum Beispiel immer angenommen, Michael Jackson hätte den weißen Handschuh und die kurzen Hosen mit den weißen Socken übernommen, um die Aufmerksamkeit auf die Bewegungen seiner Füße und Hände zu lenken, während er tanzt – und ich denke immer noch, dass es ein großer Teil davon ist. Aber dann habe ich, als Lisha und ich vor ein paar Wochen in einem Post darüber sprachen, über Fred Astaire als Blackface in Bojangles of Harlem nachgedacht, mit seinen Cartoon-artigen riesigen weißen Handschuhen und den weißen Gamaschen über seinen Schuhen und fragte mich, ob eventuell noch mehr dahintersteckt – ob Michael Jackson die Blackface Tradition aufarbeitet, wie du andeutest, Harriet.

Wenn wir den weißen Handschuh und die weißen Socken durch diese Linse betrachten, dann ist es bemerkenswert, dass, während dieses Kostüm ursprünglich dafür entworfen war, um Schwarze als Possenreißer darzustellen – als Zielobjekte für Spott und Verachtung – Michael Jackson diese Kleidung für sich zurückgefordert und elegant gemacht hat. Denkt nur mal daran, wie schön er bei Motown 25 aussah. Dabei er trägt das Kostüm der Blackface Darsteller: den „weißen Handschuh … zusammen mit knöchelkurzen Hosen und breitkrempigem Hut“, wie du beschrieben hast, Harriet. Das ist eine unglaubliche Umformung dessen, wie wir dieses Kostüm „lesen“.

Lisha: Erstaunlich!

Willa: Das ist es wirklich – es haut einen um! Ich weiß, dass wir alle Motown 25 schon vorher tausendmal gesehen haben, aber hier ist ein Clip und seht doch einfach mal, wie schön und elegant er ist:

http://www.youtube.com/watch?v=7XZGJiY2a3o


Wow. Was für ein eindrucksvoller Akt der Rückforderung und Verwandlung.

Lisha: Fantastisch. Und bedenkt, wie oft dieser ikonenhafte Look in der ganzen Welt bewundert und kopiert wurde.

Willa: Und zu Recht! Er hat die Bedeutung dieses Kostüms vollkommen neu definiert und es zu etwas gemacht, das viele Künstler – einschließlich der weißen – nur anstreben können.

Ebenso faszinierend ist, dass du die „Kreuzigungspose“, wie du es nennst, Harriet, mit der Geste des demütigen Anflehens und „als Sichtbarmachung schwarzer Untergebenheit“ verbunden hast – ich denke an Al Jolsons ausgestreckte Arme in The Jazz Singer – ganz besonders, da viele von Michael Jacksons Kritikern diese Geste auf die genau gegenteilige Art interpretiert haben, nämlich als Beleg dafür, dass er sich selbst als Messias gesehen habe. Also noch mal, wenn wir ihn durch die Linse der Blackface Tradition betrachten, führt uns das zu einer grundlegend anderen Interpretation.

Harriet: So ist es! Was du sagst, Willa, trifft genau den Kern meiner Auffassung von Michael Jackson und seines Genies und wie wir ihn meiner Meinung nach versuchen sollten zu verstehen.

Wie die traditionelle Blackface Maske – durch die Übertragung von rassenbezogener, sexueller und geschlechterbezogener Identität – war Michael Jackson erstaunlich klug, eine Deutung seiner Person auf viele Arten möglich werden zu lassen und darüber hinaus nicht nur auf viele Arten, sondern auf offenkundig widersprüchliche Arten. Dies war einer der zentralen Gründe für seine enorme Popularität (er konnte zu einer einzelnen Person sprechen oder „singen“ und für diese das sein, was sie sich von ihm wünschte). Gleichzeitig jedoch ermöglichte dies auch seinen Niedergang und versorgte seine Gegner mit Futter. Die „Kreuzigungspose“ stellt dies bildlich dar: Sie war die Verbildlichung der schwarzen Untergebenheit und Sinnbild für Größenwahn zugleich. Die veränderte Farbe seines Gesichtes, seine „Maske“, symbolisiert dies ebenfalls: Seine Kritiker lasen darin Selbsthass, aber war es nicht viel mehr eine utopische Vision von Rassenlosigkeit („weiß“, aber keineswegs kaukasisch-hellhäutig, sondern eher farblos)?

Den schwarzen Darstellern traditionell verweigert, wurde die Blackface Maske von Michael Jackson zurückgefordert. Im Grunde drehte er das Innere nach außen. Zusammen mit seinen lyrischen und rednerischen Rufen nach Brüderlichkeit, radierte er sie vollständig aus. Kein anderer zeitgenössischer Künstler ist jemals in die Nähe dessen gekommen. Dass also Michael Jackson die Tanzbewegungen der traditionellen Minstrel Show übernommen hat, ist wirklich nur der Anfang!

Lisha: Ich muss noch einmal sagen, dass ich vollkommen verblüfft bin. Gerade wenn du denkst, du wärst vielleicht auf dem Weg, die Breite und die Tiefe in Michael Jacksons Werk zu erfassen, dann kommt etwas wie dieses daher und haut dich wieder aus den Socken.

Harriet, wie verbreitet sind diese Tanzbewegungen und Gesten in zeitgenössischem Tanz und Gesang? Willa und ich sprachen zum Beispiel vorher über Michael Jacksons Verbindung zu Fred Astaire und wie oft Astaire in Michael Jacksons Werken zitiert wird. Aber was selten erwähnt wird, ist, wie viel Astaire und das gesamte Musical Genre Hollywoods schwarzen Tänzern verdankt, einschließlich jenen, die in den frühen Minstrel Shows aufgetreten sind.

Harriet: Blackface-Bewegungen und –Gesten tauchen oft auf, vom Stepptanz hin zu Hip-Hop.

Fred Astaire und Gene Kelly übernahmen stillschweigend viele schwarze kulturelle Gesten und Gedanken, erkannten dies aber nie formal im Einklang mit der gesamten Produktion des Musical-Genres Hollywoods, in dem schwarzen Darstellern die Teilnahme versagt wurde, an. Darin wiederholt sich der Prozess des Blackface Minstrelsy: Einerseits die Aberkennung der Selbstdarstellung der Schwarzen, dagegen, andererseits aber der Luxus der Weißen, damit spielen zu können. Dass Michael Jackson ständig mit Kritik und Verurteilung für seine Selbstdarstellung, von seiner Hautfarbe über seine Gesichtszüge bis zu seiner wütenden Panther-Darbietung, kämpfen musste, wiederholt ebenfalls diesen schmerzhaften Prozess.

Willa: Das sehe ich auch so. Es erstaunt mich immer noch, dass weiße Kommentatoren sich im Recht fühlen definieren zu dürfen, was es bedeutet schwarz zu sein und dann versuchen, ihnen ihre Definitionen aufzuzwingen. Für mich ist das die Kernaussage des Blackface – Weiße bürden Schwarzen ihre Klischees auf – in diesem Sinn also ist die Blackface Tradition noch sehr lebendig.

Lisha: Das ist so wahr. Ich meine, dass die Szene mit den „afrikanischen Kriegern“ in Black or White sehr viel über von Weißen kreierte Klischees sagt, als Michael Jackson zum ersten Mal überhaupt mit solch einer hellen, „weiß“ aussehenden Haut erscheint. Im Gegensatz zu den anderen ethnischen Tanzszenen in Black or White – die traditionelle Tänzer in ihrer eigenen authentischen Aufmachung zeigen – sind die schwarzen „afrikanischen“ Tänzer mit Filmkostümen und offensichtlichem Bühnen-Make-up ausgestattet. Sie tanzen in einem Stil á la Broadway / Hollywood und ihre Gesichter sind mit weißer Asche beschmiert und mit stark stilisierten Stammeszeichnungen versehen. Ich sehe diese Szene als eine Parodie von für die Kamera „weiß gemachten“ afroamerikanischen Tänzern, die ihre „afrikanische“ Herkunft gemäß den Bedürfnissen und Erwartungen eines hauptsächlich weißen Publikums und der weißen Filmindustrie darstellen. Man könnte von den afroamerikanischen Darstellern, die für die Kameras „weißer gemacht wurden“, sogar als von Michaels eigenem „Stamm“ denken – wo das Whiteface (das weiß gemachte Gesicht eines Schwarzen)  nicht als schwarze Parodie der Weißen genutzt wird, sondern als ein Ausdruck der Realität, dass nämlich schwarze Darsteller ihre „afrikanische Art“ den weißen Empfindungen anzupassen haben. In diesem Sinn hat die Szene für mich sehr viel mit dem Panther Dance gemeinsam.

Willa: Das ist so interessant, Lisha. Ich habe mir darüber noch nie Gedanken gemacht, bis ich deine Dissertation gelesen habe. Es ist interessant zu denken, dass sie das Schwarze nur „darstellen“, besonders da sie dann enthüllen, dass sie sich auf einem Set in Hollywood und nicht in Afrika befinden. Das erinnert mich an etwas, das James Brown 1973 dem Jet Magazine in einem Interview, das Charles Thomson empfohlen hat, sagte:

Ich weiß, dass ich (schau-)spielen kann. Alle Schwarzen können spielen. Der einzige Grund, warum wir heutzutage überleben ist der, dass wir auf gewisse Art für den weißen Mann etwas (vor)-spielen müssen. Zu viele Künstler akzeptieren Rollen, die sie in Filmen darstellen, wo sie doch in Wahrheit überhaupt nicht spielen dürften.

Wie du aufgezeigt hast, Lisha, inszenieren die „afrikanischen“ Tänzer in Black or White diese „Performance“ ihrer Rasse, über die James Brown gesprochen hat, und es ist auch eine sehr interessante Aufarbeitung der Blackface Tradition, auf vielen verschiedenen Ebenen.

Wie du jedoch in deinem Buch zu bedenken gegeben hast, Harriet, war Blackface Minstrelsy nicht einfach ein Forum, um Rassenklischees darzustellen und schwarze Männer und Frauen lächerlich zu machen, sondern im Grunde ein kompliziertes Gebräu widersprüchlicher Impulse. Du beschreibst etwa die Aneignung der Gestik und Tanzbewegungen der Schwarzen durch Weiße und sagst, dass sie sowohl durch „Liebe“ als auch durch „Diebstahl“ motiviert war – mit anderen Worten, eine Würdigung des schwarzen Ausdrucks ebenso wie ein Impuls ihn zu stehlen ((in Anlehnung an das Buch „Love & Theft: Blackface Minstrelsy and the American Working Class (Race and American Culture)“ von Eric Lott, Anm. d. Übers.)).

Lisha: „Liebe“ und ziemlich viel des buchstäblichen „Diebstahls“! Viele Weiße sind ziemlich reich durch die Ausbeutung schwarzen musikalischen und geistigen Eigentums geworden.

Willa: Das stimmt, mit Blackface beginnend über Jazz und Rock und nun Hip-Hop. Und dieser „Diebstahl“ bereichert nicht nur die Weißen, sondern löscht auch die Errungenschaften der schwarzen Künstler aus dem öffentlichen Bewusstsein. Joe Vogel spricht darüber in The Misunderstood Power of Michael Jackson’s Music (Der missverstandene Einfluss von Michael Jacksons Musik).

Der King of Jazz war für weiße Kritiker nicht etwa Louis Armstrong, sondern es war Paul Whiteman; der King of Swing war demnach nicht Duke Ellington, es war Benny Goodman; der King of Rock war auch nicht Chuck Berry oder Little Richard, nein, es war Elvis Presley.

Und da sind auch komplizierte Kräfte am Werk, psychologisch gesehen, in dieser dualen Motivation von „Liebe“ und „Diebstahl“. Wie du beschrieben hast, Harriet, wurden schwarze Männer durch Minstrelsy verspottet, während es weißen Männern auch ein Ventil bot, einen sublimierten „Neid“ auszudrücken und abzuarbeiten, was eine faszinierende Vorstellung für mich ist – ganz besonders, da Michael Jackson viele Male angedeutet hat, dass die Gegenreaktionen ihm gegenüber durch Neid motiviert wären.

In deiner Diskussion über die „Prostituierten“, einer Darstellung schwarzer weiblicher Stereotypen durch weiße Männer auf der populären Minstrel-Bühne, schreibst du, dass Minstrely „eine kühne und sehr öffentliche Wertschätzung gegenüber dem schwarzen männlichen Körper sei, in der rassenübergreifende Identifikation, einschließlich des Neides auf eine vermutete unübertroffene Potenz, lauert“. Und du betonst weiter, dass diese „vermutete sexuelle Potenz“ sehr bedrohlich war „in einer Zeit, als körperliche ‚Männlichkeit‘ besonders wichtig für die Selbstachtung weißer Männer der Arbeiterklasse war.

Blackface Minstrelsy erlaubte also weißen Männern sicherlich schmerzliche Klischees darüber, was es bedeutete, schwarz zu sein, zu verbreiten, aber es war so viel komplizierter als das. Zunächst einmal erlaubte es auch jenen selben weißen männlichen Darstellern und dem Publikum, damit klarzukommen, was es bedeutete, weiß und männlich zu sein.

Harriet: Ganz genau.  Und ab da wird es richtig kompliziert. Eine kürzliche Dokumentation der Blackface Tradition hat den Aspekt der „Liebe“ in den Vordergrund gerückt, dass Blackface eben auch dahin gehend gesehen werden konnte, ihr eine konkrete Form zu geben. Diese Berichte argumentieren, dass Minstrelsy ein Weg war, durch den weiße Männer und Frauen insgeheim wirklich in das Schwarzsein eintauchen und ihm nahe sein konnten, in einer Gesellschaft, in der dies ansonsten verdammt wurde. Hiermit verbunden sind Theorien, die den (rassenübergreifenden) homosexuellen Ausdruck, teilweise in dem Stereotyp des „mit Prostituierten“ verkehrenden Transvestiten, erörtern.

Was wirklich am bedeutendsten daran ist, ist zu verstehen, dass die Blackface Maske die Fähigkeit besaß grundsätzlich widersprüchlich zu sein und Michael Jackson diese Erwartungen erfüllte.

Lisha: Ich finde diese Art von Trick in Michael Jacksons Werk so herrlich und nicht weniger als brillant. Ich denke an den Film Ghosts, Harriet, und wie du einige von den Themen, die er in diesem Werk anspricht, interpretierst.

Harriet: Ghosts (dem ich ein Kapitel in meinem Buch gewidmet habe) ist ein Meisterwerk darin, Vorstellungen von unten nach oben zu kehren, und belegt in seiner Erzählung alles von diesen rassenbezogenen Themen, dem Tanz und der Symbolik, über die wir schon gesprochen haben.

Während der Geschichte des Films über die unheimliche Rolle des Maestro (gespielt von Michael Jackson), der durch die Dorfbewohner aus dem Ort vertrieben werden soll (die ihrerseits Angst bekommen durch den Tanz und das Spiel des Maestro und seiner „Familie“), verkörpert Ghosts Schlüsselthemen, auf die wir hingewiesen haben: Rassismus durch das Verspotten des „Anderen“ oder des „Andersseins“, von den Gesten des Minstrel durchdrungene Tanzbewegungen, den Prozess des Darstellers, „anderen das zu geben, was sie sehen wollen“, dies jedoch gleichzeitig durch extreme Übertreibung zu kritisieren und zu unterminieren.

Aber Ghosts theatralisiert den selbstverletzenden Eindruck, den all dies auf schwarze Künstler gehabt haben muss und immer noch hat. Dies wird in einer eindrucksvollen Szene, fast am Ende der Geschichte gezeigt. Nach der Bestätigung, dass die Gäste des Maestros immer noch darauf bestehen, dass er den Ort verlässt (obwohl sie mit einer atemberaubenden Vorführung mit Tanz und Gesang „verwöhnt“ wurden), gesteht der Maestro die Niederlage ein und gibt sich geschlagen. Mithilfe von computergesteuerten Spezialeffekten werden wir Zeuge davon, wie sich der Maestro auflöst. In einer unangenehmen Szene beobachten wir das Verschwinden von Michael Jackson, wie er zuerst seine Fäuste ballt und dann sein Gesicht auf den Boden stößt, sodass er zerfällt, bis nichts mehr außer Staub von ihm übrig ist.

Ist dies nicht das, was wir in Michael Jacksons wirklichem Leben auch gesehen haben? Das Festhalten an der Darstellung und den Traditionen von Blackface Minstrelsy – an der Blackface Maske – was am Ende zerstörerisch war, und die Welt sah tatenlos zu?

Willa: Ja, obwohl die Selbstzerstörung des Maestros in Ghosts als Illusion entlarvt wird – eine Darstellung, die zeigen soll, dass wichtige Veränderungen in den Emotionen und der Wahrnehmung der Dorfbewohner herbeigeführt werden. Michael Jackson versorgt also wieder einmal – wie in der Blackface Tradition – sein Publikum mit Klischees, an die es schließlich selbst glaubt, und entlarvt diese Klischees dann als falsch.

Harriet: Klare Sache. Wieder einmal kehrt Michael Jackson unsere Wahrnehmung von unten nach oben, er dreht den Spieß um. Allerdings hat, anders als der Maestro, nicht einmal Michael Jackson im „wirklichen“ Leben den Einfluss und das Genie von den Toten zurückzukehren.

Lisha: Oder vielleicht hat er es schon getan! Für eine ansehnliche Anzahl neuer Fans, wie mich selbst, wurden Michael Jacksons Werke 2009 plötzlich lebendig, das kommt einer Wiederauferstehung nahe.

Willa: Und er sagt dies genauso auch in Ghosts vorher. Nachdem der Maestro gestorben ist, kommt er als eine riesige steinerne Statue zurück – ein lebendes Kunstwerk.

Harriet: Interessanterweise dauerte es nicht lange, damals im Juni 2009, als Gerüchte aufkamen, er sei überhaupt nicht tot und sein Tod wäre ein Hoax (Falschmeldung).

Lisha: Ja, eine winzige Handvoll Leute sagte dies, die Medien jedoch sind bedacht darauf, dies über Michael Jackson Fans generell zu sagen. Ich habe sogar einige Nachrichten gelesen, die Jackson Fans als verrückt, böse und gefährlich (mad, bad and dangerous) darstellen – in denen sogar angedeutet wird, dass wenn Michael Jacksons Fans wütend werden, die Leute um ihr Leben fürchten müssten! Kann es sein, dass die Medien und die Öffentlichkeit die Fans benötigen, damit sie diese Rolle spielen, nun, da Michael Jackson gegangen ist?

Willa: Das ist eine interessante Sichtweise, Lisha. Es stimmt, dass viele Medienkanäle entschlossen scheinen, seine Fans als „wacko“ (seltsam) zu porträtieren, aber ich habe auf diese Art noch nie darüber nachgedacht – dass nun wir die Rolle des Anderen einnehmen, die er einst eingenommen hat.

Harriet: Ich frage mich, ob es eher ein letzter verzweifelter Versuch ist, Michael Jackson zu steuern. Ich meine damit, wenn seine Fans als hysterisch oder gestört verstanden werden können, dann kann sein Erfolg und Genie – sein kulturelles und rassenbezogenes Werk – unterwandert und Geschichte umgeschrieben werden. Dies belebt den zentralen Prozess des Black Minstrelsy wieder, demzufolge die schwarze darstellende Person von anderen und für die Bedürfnisse anderer geformt und benutzt wird, und, wie es unglücklicherweise bei Michael Jackson der Fall war, bestenfalls auf Kosten des Selbstgefühls dieses Künstlers, schlimmstenfalls auf Kosten seines Lebens.

Lisha: Ich habe das mulmige Gefühl, dass du damit richtig liegen könntest.

Willa: Hmmm. Ich weiß nicht – ich denke, er hat das auf bedeutende Art untergraben und sein Selbstsein wieder auf eine Art neu bekräftigt, die wir selbst noch nicht ganz verstehen. Was ich meine ist, dass ich denke, dass er den kulturellen Erzählungen, die ihm aufgedrückt wurden, widerstanden hat und sie umschrieb, genauso wie er die Bedeutung des Kostüms des Blackface Minstrelsy neu formulierte.

Ich habe das Gefühl, dass ich mich nicht so korrekt ausdrücke, aber ich schätze, was ich zu sagen versuche, ist, dass ich sein Leben nicht als tragisch ansehe. Es ist sicherlich wahr, dass ihm schlimme Dinge widerfahren sind, aber er schlug auf kreative und unglaubliche Art zurück. Es ist so, wie wenn ein vielversprechender Athlet paralysiert ist und den Rest seines Lebens auf der Couch verbringt, um sich vorzustellen, was hätte gewesen sein können, dann ist es tragisch. Aber wenn er es irgendwie hinbekommt, trotz seiner Behinderung wunderbare Dinge zu erreichen, dann ist es nicht tragisch. Es ist genau das Gegenteil. Es ist inspirierend. Das ist es, wie ich Michael Jackson sehe – tragische Dinge sind ihm passiert, aber er antwortete auf eine Art und Weise, die mich fortlaufend in Erstaunen versetzt und mich inspiriert.

Lisha: Das ist nicht zu bestreiten!

Willa: Also Harriet, ich habe eine letzte Frage an dich. Dein Buch ist faszinierend und ich würde mich freuen, wenn alle Michael Jackson Fans es lesen könnten, aber es ist ziemlich teuer – wie akademische Bücher es oft sind. Ich habe gerade auf Amazon nachgesehen und es kostet $90 mit Hardcover, und sogar die Kindle-Ausgabe kostet $70. Das ist ziemlich happig. Ich denke, Verleger preisen wissenschaftliche Bücher so hoch aus, weil sie grundsätzlich nicht so viel Exemplare davon verkaufen, also müssen sie mehr berechnen, um ihre Kosten zu decken, und weil sie denken, dass die meisten Kopien an Universitätsbibliotheken gehen, wo viele Leser Zugang zu ihnen haben. Ich befürchte aber, dass Fans, die keinen Zugang zu einer Universitätsbibliothek haben und es sich nicht leisten können, es auch nicht lesen können werden. Gibt es einen weniger teuren Weg für Fans an dein Buch zu gelangen?

Harriet: Mein Verleger hat zugestimmt, es im nächsten Sommer als Taschenbuch herauszubringen, falls es sich gut verkauft. In der Zwischenzeit gibt es einen Discount von 50 % für Fans. Geht einfach auf Ashgate1 und nutzt den Promotion-Code beim Check-out: A13IEC50. Fans können mehr von dem Buch und seinen Illustrationen auf Facebook2 sehen.

Willa: Du hast einige wundervolle Illustrationen in deinem Buch und auf deiner Facebook Seite, einschließlich Fotos von den Aufnahmen für Say Say Say, wo Michael Jackson die Tradition des Blackface Minstrelsy heraufzubeschwören scheint, worüber Joie und ich in einem Post im letzten Herbst ein wenig gesprochen haben. Er trägt eine Art Variation der Blackface Maske, aber mehr wie ein Clown und mit aufgemalten Tränen in den Augen, was die Bedeutung der Maske für mich aus etwas Possenhaftem – einer Komödie – etwas eher Trauriges und tief Empfundenes – eine Tragödie – macht.

Lisha: Nun, es wird wahrscheinlich niemanden überraschen, dass meine liebsten Illustrationen diejenigen sind, die sich auf Black or White fokussieren, da ich bereits damit aktenkundig geworden bin, dass ich es als eines der besten Kunstwerke des 20. Jahrhunderts betrachte! Es gibt da einige wirklich faszinierende Illustrationen aus den frühen Minstrel Shows in deinem Buch – sie sind einigen Screenshots aus dem Panther Dance gegenübergestellt – die von ungeheurem Wert für jeden sind, der ernsthaft das Werk Michael Jacksons studiert. Harriet, dein Beitrag zu dem bereits eindrucksvollen Schaffenswerk akademischer Literatur über Michael Jackson, besonders in Hinsicht auf Black or White, ist in der Tat sehr bedeutend.

Willa: Ganz meine Meinung, und ich hoffe, du veröffentlichst deine Dissertation auch eines Tages, Lisha. Wir benötigen mehr Michael-Jackson-Forschung! Ich danke euch beiden für die Arbeit, die ihr getan habt und dafür, mit mir zusammen darüber zu diskutieren. Es war faszinierend.


  1. Der Link http :// www .ashgate .com/ isbn/ 9781409455103 funktioniert leider nicht mehr. ↩︎
  2. Der Link https :// www .facebook .com/ michaeljacksonblackfacemask funktioniert leider nicht mehr. ↩︎

Weitere Arbeiten von Willa Stillwater:

Du möchtest mehr zu dem Thema wissen? Hier kannst du dir alle Beiträge in den jeweiligen Kategorien anzeigen lassen:

, , , , , , ,

Kommentare

2 Antworten zu „Michael Jackson: Unterwanderung von Blackface Stereotypen“

  1. […] schwarz als die facettenreiche Spanne der Hautfarbe realer Afroamerikaner. [siehe auch http://all4michael.com/2014/01/27/michael-jackson-unterwanderung-von-blackface-stereotypen/, Anm.d.Übers.] Sie sind ebenfalls fast ausschließlich schattenhaft dargestellt mit manischem und […]