Der Artikel befasst sich mit der gemischten Berichterstattung über Michael Jackson in den Medien, insbesondere im Rolling Stone Magazine. Die Autoren diskutieren die Vorurteile und den Rassismus, die zu einer negativen Berichterstattung über Jackson geführt haben. Sie betrachten zwei Bücher über Jackson, die positivere Porträts zeichnen, und diskutieren die Bedeutung dieser Bücher für die Verteidigung von Jackson. Die Autoren stellen fest, dass es noch einen langen Weg zur Aufarbeitung der Vorurteile gegenüber Jackson gibt, aber dass diese Bücher ein wichtiger erster Schritt sind.
Willa: Zwei der neusten Biografien über Michael Jackson wurden von Autoren des Rolling Stone Magazine geschrieben – nämlich Randall Sullivan und Steve Knopper. Beide Autoren führten umfangreiche Recherchen, einschließlich Hunderte Interviews mit Leuten, die Michael Jackson kannten und mit ihm gearbeitet haben, durch, und beide Autoren schienen zu glauben, sie hätten ein ziemlich positives Porträt von ihm gezeichnet. Beide sagen zum Beispiel, dass sie nach Durchsicht aller Beweise überzeugt sind, dass er in allen Belästigungsvorwürfen unschuldig sei. Viele Fans waren trotzdem von ihren Büchern enttäuscht.
D.B. Anderson und ich unterhielten uns kürzlich darüber, nachdem sie eine Review von Knoppers Buch veröffentlicht hatte, und sie stellte klar, dass dies ein langjähriges Problem beim Rolling Stone darstellte. In dieser Woche sehen wir uns also die zurückliegende Berichterstattung des Rolling Stone über Michael Jackson an, um zu sehen, ob uns dies dabei helfen kann, einige der Hauptursachen für ihre gemischte Berichterstattung über ihn aufzudecken. Und vielleicht kann uns das dabei behilflich sein, den Unmut und die Ambivalenz auch der Mainstream-Medien ihm gegenüber zu verstehen.
Danke, dass du hier bist, D.B.! Dies ist ein bedeutungsvolles Thema, denke ich.
D.B.: Schön wieder hier bei dir zu sein, Willa! Es ist aufschlussreich, den Fokus von Michael weg zu lenken und stattdessen auf die kulturellen, politischen und ökonomischen Faktoren zu blicken, die das mediale Ökosystem beeinflussen. Diese Einflüsse gehen weit über nur eine Veröffentlichung hinaus, aber das Rolling Stone Magazine ist aus verschiedenen Gründen ein interessanter Fall.
Als wir über Genius sprachen, stelltest du fest, dass es „bemerkenswert dünn“ sei und, „der Geschichte, die bereits hundertmal erzählt worden war, im Großen und Ganzen nur einige wenige neue Details hinzufügte“, und ich stimme dir zu. Wir waren erstaunt über Verlage und was sie wohl über das, was sie zur Unterhaltung beitragen, denken mögen. Mehr und mehr fokussiere ich mich auf das, was du in M Poetica darüber, wie Dinge zu Geschichten werden, gesagt hast:
Wenn eine Geschichte erst einmal akzeptiert wurde, dann formt unser Gehirn unsere Wahrnehmung, um diese Geschichte in einem solchen Maß anzupassen, dass wir nicht länger das sehen, was sich genau vor unseren Augen befindet. Wir verspüren nicht einmal Zweifel.
Ist das die Erklärung dafür, warum diese Autoren, Herausgeber und Verleger das Gefühl haben, sie würden positive Porträts erschaffen? Ich denke, dass es so ist.
Wenn du im Verlagswesen arbeitest (oder mehr Geduld hast als ich), dann ist es vielleicht so, dass diese beiden Bücher als mutig und bemerkenswert gelten, weil in ihnen bestätigt wird, dass Michael wahrscheinlich unschuldig war. Von diesem Standpunkt aus stellen sie möglicherweise einen Fortschritt dar.
Willa: Ja, und im Grunde denke ich, dass sie wirklich einen Fortschritt darstellen. Ich habe bemerkt, dass Knoppers Buch einige sehr positive Beurteilungen erhalten hat, hauptsächlich von Lesern, die nicht viel über Michael Jackson wissen, also hilft Knopper dabei, Leute außerhalb der Fanbase zu erreichen. Das ist wichtig.
Er nimmt außerdem kein Blatt vor den Mund bei der Beteuerung von Michaels Unschuld – zum Beispiel in diesem Interview in The Denver Post, in dem er sagt: „Ich hatte nicht erwartet, so durch und durch von seiner Unschuld an der Anklage der Kindesbelästigungen überzeugt zu werden.“ Randall Sullivan machte nach Veröffentlichung seines Buches ähnliche Aussagen, und für mich ist das gewaltig. Dass Autoren wie Sullivan und Knopper das Beweismaterial prüfen – und im Fall von Sullivan sogar ein wenig neues Beweismaterial sammeln – und zu dem Schluss kommen, dass Michael Jackson unschuldig war, ist sehr bedeutend und sollte von den Fans mit Beifall aufgenommen werden. Jedes dieser beiden Bücher stellt einen wichtigen Schritt für seine Verteidigung dar.
Jedoch ist eine Sache, die ich festgestellt habe, die, dass Knopper bei der Beteuerung seiner Unschuld in Interviews wesentlich empathischer war, als in seinem Buch, in dem er lediglich schreibt: „Alle Beweise deuten auf Nein – obwohl das Schlafen im Bett mit Kindern und das Prahlen damit im internationalen Fernsehen, ihn nicht (gerade) für die Celebrity Judgment Hall of Fame (Anm.: Hall of Fame für die Beurteilung von Berühmtheiten) qualifiziert.“ Ich weiß nicht, ob sein Herausgeber bei Scribner ihn gezügelt hat oder ob er sich selbst gezügelt hat, aber es wäre erfrischend gewesen, wenn sein Buch so entschieden wäre, wie er selbst zu sein scheint.
D.B.: Du hast absolut recht, das Buch ist nicht so herzlich und positiv wie er in seinen Interviews. Ich finde diesen gerade von dir zitierten Satz respektlos und problematisch. Es wird Michael selbst angelastet, dass negativ über ihn geurteilt wird. Wenn Trayvon Martin sich gegenüber George Zimmermann gefügt hätte, dann wäre er nicht tot. Nein. Michael sagte das im nationalen Fernsehen, weil er nichts zu verbergen hatte. „Er hatte einen fairen Prozess,“ schrieb Knopper. Keine Erwähnung dessen, dass der Prozess überhaupt grundlegend falsch war und vollkommen irrsinnig.
Willa: Das war er. Ich sprach kürzlich mit Tom Mesereau (was faszinierend war – was für ein unglaublicher Geist) und er stellte für mich den Kontakt zu seinem leitenden Ermittler Scott Ross her. Mr. Ross verbrachte Hunderte Stunden damit, Beweismittel ausfindig zu machen, der Durchführung von Interviews von Kontaktpersonen und im Grunde der Durchführung von Untersuchungen, die eigentlich das Büro des Bezirksstaatsanwaltes von Santa Barbara hätte vornehmen müssen. Und dies war seine genaue Feststellung: Es ist ein Hohn, dass der Fall jemals vor Gericht kam.
Scott Ross hat 37 Jahre Erfahrung und während dieser Zeit musste er sich wirklich mit der dunklen Seite der menschlichen Natur auseinandersetzen – wie der Untersuchung des Laci Peterson Mordes. Um ehrlich zu sein, habe ich von jemandem mit seinem Hintergrund ziemliche Abgebrühtheit und ein gewisses Misstrauen gegenüber der Unschuld eines jeden erwartet. Aber er beharrte darauf, dass Michael Jackson nichts Falsches gemacht habe. Er sagte: „Es ist nichts passiert. Es hätte niemals vor Gericht kommen dürfen. Es (die Klage) hätte während der Feststellung abgewiesen werden müssen.“
D.B.: Du hast mit Mesereau gesprochen? Das ist fantastisch. Ich bewundere ihn für seine Integrität und seinen unaufhörlichen Willen für Michael einzutreten. Aber da haben wir es doch: Ross führte die Untersuchung durch, die der Bezirksstaatsanwalt hätte durchführen müssen. Und offensichtlich müssen andere immer noch das schreiben, was eigentlich die Aufgabe von Journalisten wäre.
Willa: Genau, und Mesereau ist überzeugt, dass Randall Sullivan genau das getan hat. Als ich mit ihm sprach, unterstützte er Sullivan sehr und hatte das Gefühl, dass die Fans ihn ebenso unterstützen sollten. Er sagte zum Beispiel, dass Sullivan Beweise dafür aufdeckte, dass das Büro des Staatsanwaltes von Santa Barbara, kaum dass der Arvizo Prozess vorbei war, mit Nachforschungen zu einer Anklage wegen Drogenmissbrauchs Michael Jacksons zu beginnen. Das ist eine bedeutungsvolle Information. Es deutet an, dass die Polizei ihn wirklich im Visier hatte und sie in Bezug auf die Handhabung der Anschuldigungen gegen ihn nicht unvoreingenommen waren. Es deutet ebenfalls an, dass Michael Jackson richtig damit lag, Neverland zu verlassen – dass sein Exil kein Zeichen von Paranoia war, wie so einige Artikel implizierten, sondern ein Zeichen seiner Klugheit. Er war klug genug, sein Zuhause zu jenem Zeitpunkt verlassen und Mesereau sagte, er habe ihm sehr dazu geraten zu gehen.
Meine Gefühle gegenüber Sullivans Buch sind mehr gemischt als die Mesereaus, aber ich schätze wirklich die gesammelten Informationen. Ich habe Sullivan einige Male in meinem Artikel „Monsters, Witches, Ghosts“ (Übersetzung hier) zitiert, denn er stellt neue und wichtige Beweise bereit, die man sonst nicht einfach so erhält.
D.B.: Sullivans Buch enthält in der Tat gute Informationen, speziell die rund um den Prozess, und mir ist bewusst, dass Mesereau dies unterstützt, was etwas heißen will. Ich habe ein Exemplar von Sullivans Buch und beziehe mich manchmal darauf. Es ist eine wirkliche Schande, dass er mit seinen Quellen bei anderen Themen allzu nachlässig wurde, denn dies schadet seiner Glaubwürdigkeit. Wusstest du, dass die Story der fehlenden Nase bei der Autopsie ursprünglich von einem weiteren Autor des Rolling Stone geschrieben wurde?
Willa: Nein, das wusste ich nicht. Ich erinnere mich daran, den Artikel gelesen zu haben, aber nicht an den Teil. Ich weiß, dass Fox News dieses Gerücht ein wenig gefördert hat – dass er keine echte Nase gehabt hätte und mit einer prothetischen Nase ins Krankenhaus gekommen sei, die dann bis zur Obduktion verloren gegangen war – bis sich Michael Jacksons plastischer Chirurg, Steven Hoefflin, meldete und sagte, dass es nicht wahr sei. Und der Autopsiebericht, der einige Monate darauf erschien, unterstützt Hoefflins Aussage. Es ist beunruhigend, dass der Rolling Stone auch derartige Gerüchte streut.
D.B.: Die Autopsie-Lüge wurde von Claire Hoffman vom Rolling Stone am 6. August 2009 veröffentlicht. Dann wurde sie in der ganzen Welt nachgeplappert. Auf der Website von Fox News sieht man, dass sie es von der New York Post haben, und die Post zitiert Rolling Stone. Für sein Buch verließ sich Sullivan wahrscheinlich auf den vorangegangenen Bericht des Rolling Stone und verbrannte sich die Finger, denn zu dem Zeitpunkt war das Ergebnis der Autopsie selbst bereits veröffentlicht und widerlegte alles. Es war nicht gegengecheckt worden.
Es gibt da ein systembedingtes Problem beim Rolling Stone. Sie hatten 1995 die Original-Story der fehlenden Nase, die du in deinem Buch zitierst, veröffentlicht. Die Mythenbildung, die da vor sich geht, ist schlicht unakzeptabel. Nun unterstellen sie, Michael habe den Moonwalk auf irgendeine Art gestohlen. Es gibt keine Entschuldigung dafür. Dem Ganzen liegt ein Muster zugrunde: Jackson verdient seinen Platz nicht anständig und ehrlich. Dies sind Geschichten, die für die Wirkung auf ihre weißen, männlichen Leser konstruiert wurden, aber sie sind nicht die Wahrheit.
Mein Review stellt die beiden Buchauszüge Seite an Seite nebeneinander, denn ich erkannte ein Beispiel einer absichtlichen, inhaltlichen Strategie durch die zwei Magazine. Es war auf dieser Ebene für mich interessant, und außerdem dachte ich mir, dass die Leute nach Belieben den Textauszug lesen könnten und frei entscheiden, ob sich mein Review richtig anhörte oder nicht. Jedoch sind die beiden Bücher sehr unterschiedlich. Genius beunruhigt mich offen gestanden sehr viel mehr als Untouchable.
Als ich sagte „Jemand anders sollte es schreiben“, da meinte ich nicht den Prozess, was Sullivan aber tat. Ich meinte die Geschichte darüber, wie die Presse in erster Linie zu der Anklage gegen ihn beitrug. Da gibt es nicht viel Selbstreflexion. Ich erkenne nicht, dass sie ihre eigenen Mythen und Vorurteile erkennen und zerstören würden. Ich sehe nur, dass sie neue Daten in eine alte Form hineinzwängen.
Willa: Das ist eine ausgezeichnete Feststellung, D.B. Ich erkenne, was du sagen willst und ich stimme dir vollkommen zu. Lange, bevor es zu den Anschuldigungen kam, hatte die Berichterstattung über Michael Jackson bereits ein Klima des Misstrauens erzeugt, dass da einfach etwas falsch an ihm war. Als es also zu den Anschuldigungen kam, waren viele Leute bereits empfänglich dafür zu glauben, dass er wegen irgendetwas schuldig war – wenn nicht Belästigung, dann irgendetwas – einfach seltsam zu sein, vielleicht. Und dann, natürlich, entwickelte sich eine Art Hysterie und die Berichterstattung neigte dazu, nicht gerade sehr einfühlsam oder selbst reflektierend zu sein, wie du sagst. Die Veröffentlichungen wollten nicht hinsehen, wie sie zu der Hysterie mit beigetragen haben und sie wollen es weiterhin nicht.
Aber ich denke auch, dass Veränderung schrittweise kommen wird, und diese Bücher sind wichtige erste Schritte – wenn auch Baby-Schritte – auf dem Weg dahin, die Geschichte darüber, was Michael Jackson passierte, zu verändern. Es ist bedeutsam, das große Bild über systembedingten Rassismus in den Vereinigten Staaten zu erfassen – besonders die tief verwurzelte Geschichte schwarzer Männer als sexuelle Raubtiere – und auf welche Art dies zur Wahrnehmung der Polizei und der Öffentlichkeit in Bezug auf die Beschuldigungen gegen Michael Jackson beitrug. Das ist essenziell. Aber ich glaube, diese Art tiefer Aufarbeitung benötigt einige Distanz zur Zeitgeschichte, und die weitgehende Realisierung, dass er tatsächlich unschuldig war. Und ich werde in meiner Ansicht bestärkt, dass sich die Dinge bereits in diese Richtung bewegen, wie wir in diesen beiden Büchern sehen. Die Einstellungen haben sich seit seinem Tod schneller entwickelt, als ich es erwartet hätte.
D.B.: Wirklich? Du bist sehr viel toleranter als ich, Willa! Ich bin nicht geneigt, dankbar für zu späte Schlussfolgerungen zu sein, dass er die ganze Zeit unschuldig war, solange dies nicht von einigem Ausdruck an Entsetzen darüber begleitet wird, dass es überhaupt so weit kommen musste.
Du magst recht damit haben, dass dieses Buch einen Riss im Fundament darstellt. Aber es ist ein Fundament, das die Presse selbst gelegt hat. Um Prinzessin Diana falsch zu zitieren: „Da gab es drei in dieser Ehe – Michael, die Presse und die Polizei.“ Komm schon …! Es ist gar nicht so kompliziert. Wirklich nicht. Es gibt Millionen von Leuten, die immer wussten, dass Michael unschuldig war und der Fall niederträchtig war. „Fairer Prozess“ – bei diesen Worten möchte ich das Buch quer durch den Raum werfen.
Willa: Es war in dem Sinn fair, dass er in allen Anklagepunkten für unschuldig befunden wurde – nicht, dass er überhaupt da durch musste.
D.B.: Genau. Hat das Rechtssystem funktioniert? Ganz und gar nicht. Es hätte niemals vor Gericht kommen dürfen, wie Ross sagte. Und die Medien sind direkt verantwortlich dafür. Das ist ihr Verschulden. Man kann die nicht ganze Schuld auf Sneddon schieben. Er wurde durch sie beeinflusst. Er glaubte ihrer Geschichte. Mesereau liegt nicht falsch, aber er ist einfach nicht auf diesen Teil fokussiert. Es gab eine Menge Berichterstattung nach dem Prozess darüber, wie die Geschworenen es missverstanden und durch Michaels Berühmtheit beeinflusst wurden. Das sollte man nicht vergessen.
Willa: Das stimmt.
D.B.: Was mich wirklich an Genius aufregt, ist dies: Es beginnt mit einem Vorwort über Rassismus, greift aber Michael an, indem man ihn von einem wichtigen Aspekt schwarzer Kultur, dem Streetdance, trennen will. Sie bringen es immer noch fertig, die Diskussion der Verfehlungen der Strafverfolgung oder der Boshaftigkeit der Presse zu vermeiden. Das ist intellektuell nicht stimmig. Das ist nicht selbstkritisch. Das ist wahrscheinlich sogar Zuhälterei, ein Lippenbekenntnis. Es tut mir leid, aber ich nenne das Bullshit.
Um das Vorwort zu zitieren: Es gab Rassismus in Gary während der ersten sechs Jahre in Michaels Leben und deshalb wurde er egoman (selbstsüchtig) und das ist der Grund, warum er diese sonderbare HIStory-Statue baute. Das ist schlimmer, als Rassismus überhaupt nicht zur Sprache zu bringen. Das ist Verhöhnung.
Ich möchte klarstellen, dass ich nicht den Autor persönlich angreifen möchte. Aber er ist Teil eines Systems, das Buch ist Teil eines Systems, das die Marketingabteilung des Verlegers beinhaltet. Vielleicht hat Scribner versucht, das Buch in etwas umzuwandeln, was es nicht ist und Knopper hatte keine Kontrolle darüber. Ich sage niemandem, dass er das Buch kaufen soll oder nicht – ich habe sie alle gelesen. Ich teile lediglich meine Reaktion darauf mit.
Es gibt viele Faktoren, die in dem System wirken: eine historisch bedingte, auf männliche Weiße bezogene Sichtweise, ein Profit-Motiv sowie institutionelle Selbstrechtfertigung. Als Genius vergangenen Monat erschien und eine Menge Presse bekam, setzte Bill Whitfield (der darum gekämpft hatte, dass über Remember The Time, das er mit Jason Beard und Tanner Colby geschrieben hatte, berichtet wurde) folgenden Tweet ab:
Die nationalen Medien haben nicht für RTT geworben, weil sie dann Mr. Jackson und seinen Fans eine Entschuldigung schuldig gewesen wären.
Bill Whitfield (@MJBODYGUARDS) October 21, 2015
Willa: Danke fürs Teilen, D.B. Das habe ich bisher nicht gesehen, und ich muss sagen, ich glaube, an dem, was er sagt, ist eine Menge wahres dran …
D.B.: Remember The Time ist vollgestopft mit neuen, nie zuvor gehörten Informationen.
Willa: Ja, und es zeigt ein völlig anderes Porträt von ihm, fürsorglich, intelligent, spielerisch – ganz anders als die Geschichte vom komischen Kauz, die in den letzten zwei Jahrzehnten seines Lebens so vorherrschend war.
D.B.: Das ist es wirklich. Es verdient eine sehr viel größere Begrüßung, als es bisher der Fall war. Warum also bekommt Genius so viel Aufmerksamkeit? Man kann einfach nicht vermeiden zu bemerken, dass die Presse sehr viel glücklicher damit ist, ein Buch von jemandem ihresgleichen zu bewerben – eins, bei dem sie nicht ihre eigene Verantwortlichkeit infrage stellen müssen.
Die Neu-Schreibung der Geschichte hat begonnen, aber gemäß Genius ist Jackson immer noch ein Lügner und „der sonderbarste Popstar der Geschichte“. Die ursprünglichen Prämissen haben sich nicht einen Deut geändert. Nein danke.
Willa: Und du glaubst, viele dieser Vorurteile können auf das Rolling Stone Magazine zurückgeführt werden, richtig?
D.B.: Während der Zeit, als ich mich damit herumschlug, meine widerstreitenden Reaktionen auf das zuletzt erschienene Buch zu verstehen, habe ich mich gefragt, was den Rolling Stone als Institution eigentlich genau ausmacht? Die Vorurteile sind so nahtlos integriert. So viele unwahre Geschichten, und zwei Bücher von Autoren dieses Magazins. Nein, warte – drei Bücher, Dave Marsh mitgezählt. Es handelt sich hierbei um Veröffentlichungen mit dem Fokus auf Musik, man dürfte also mehr von ihnen erwarten als von einem Klatschmagazin oder einer normalen Zeitung. Ihre Berichterstattung ist jedoch eine der schlechtesten.
Rolling Stone wurde 1967 von Jann Wenner in San Francisco gegründet und in den Sixties mit der Gegenbewegung der Hippies identifiziert. Es wurde von anderen wegen seiner generationsbezogenen Vorurteile gegenüber Musikern der 1960er- und 1970er-Jahre kritisiert, beispielsweise kritisierten sie Nirwana und Rap.
Douglas Wolk schrieb 2006 in der Seattle Times:
Die grundlegende DNA der Kritik an populärer Musik kam von den Leuten, die in den 60ern und 70ern für Rolling Stone und Creem geschrieben haben. Sie waren die Ersten, die interessant und ausführlich über Pop schrieben. Sie liebten den Rock dieser Pop-historischen Zeit der Beatles-/Stones-/Dylan-Schule mehr als alles andere. Und ihre Sprache, ihre Perspektive und ihr Geschmack wurde von so ziemlich jedem verinnerlicht.
Wolk verweist auf diesen Artikel von Kelefa Sanneh (2004), in dem eine spezielle Art des Schreibens über Musik, „Rockism“ erklärt wird:
Rockism heißt, die authentische, alte Legende (oder den Helden aus dem Untergrund) zu vergöttern, während man sich über den neusten Popstar lustig macht; für Punk zu schwärmen, während man Disco kaum toleriert; die Live-Show zu lieben und das Musikvideo zu hassen …
Rockism steht nicht im Zusammenhang mit älteren, geläufigeren Vorurteilen – das ist Teil dessen, warum es so machtvoll und so diskussionswürdig ist … kann es wirklich Zufall sein, dass der Rockist sich oft über heterosexuelle Männer gegen den Rest der Welt beschwert? Wie bei der Anti-Disco-Gegenreaktion vor 25 Jahren scheint der derzeitige Konsens unter Rockists nicht nur eine Vorstellung darüber zu reflektieren, wie Musik gemacht werden sollte, sondern auch darüber, wer sie machen sollte.
Ein ziemlicher Paukenschlag, oder?
Willa: So ist es wirklich, und ich denke, da ist viel Wahres dran. Ich glaube, es gibt definitiv ein „Rockist“-Vorurteil, das „die authentische alte Legende vergöttert“, mit starker Betonung auf dem Wort „authentisch“ – in der Bedeutung „heterosexueller, weißer Männer“ mit Gitarren, die ihr Leben auf der Straße verbringen, auf einer Serviette in einem heruntergekommenen Diner selbst geschriebene Songs singen und sehr wenig Geld damit verdienen. Diese Auffassung von Authentizität ist bedeutungsvoll für die Rockist-Bollwerke.
D.B.: Lol. Was für eine hervorragende Beschreibung. Du hast noch die Joint-Klammer und die Mädchen in jeder Stadt vergessen, aber sonst ist es perfekt.
Willa: Ha! Wie lustig. Danke, D.B. Aber obwohl ich zustimme, dass es typische Rockist-Vorurteile gibt, stimmt es überhaupt nicht, dass der Rolling Stone unerschütterliche Loyalität gegenüber der „Beatles-/Stones-/Dylan-Schule“ gezeigt hat. Ich bin ein wenig älter als du, und ich kann mich an die Zeit erinnern, als John Lennon als Peinlichkeit gesehen wurde. Wie Michael Jackson war er zu idealistisch (in der Bedeutung von zu naiv, zu vereinfachend) und zu uncool, und das ließ die Leute sich unwohl fühlen. Da war auch ein Misstrauen, dass er zu wohlhabend geworden war und sich vielleicht erschöpft hatte. Erinnerst du dich an die Storys über Yoko Ono, die in Milchkühe investiert und einen Bullen für eine viertel Million Dollar verkauft, oder etwas ähnlich Verrücktes? Das waren zeitweilig die großen Nachrichten. Und ich muss es noch einmal nachprüfen, aber ich meine mich an einen vollkommen falschen Rolling Stone Artikel erinnern zu können, der implizierte, dass Lennon, etwa ein Jahr bevor er starb, ein dicklicher Immobilienmakler in Florida geworden sei.
Rolling Stone hatte sogar seine Zweifel an Bob Dylan, besonders nachdem er ein wiedergeborener Christ wurde. Ich glaube, das verursachte eine Menge Angst beim Rolling Stone. So wünschten sich die Rockists ihre Helden nicht.
Ich sehe es also auch so, dass es ein starkes „Rockism“-Vorurteil beim Rolling Stone gibt und sie neigten dazu, sich selbst als kulturelle Weichensteller zu sehen, aber eher in Hinsicht der Unterstützung eines Ideals als spezieller Menschen, denke ich. Sie wollen, dass ihre Rockhelden in eine bestimmte Schablone passen. Und wenn eine so verehrte Person wie Bob Dylan die Erwartungen schon nicht erfüllt – jemand, der geholfen hat, ihre Vorstellungen dessen zu formen, wie ein authentischer Künstler sein sollte – was sollten sie dann über Michael Jackson denken, der Lippenstift trug und brillant tanzte (die meisten Rockstars tanzen nicht – vielleicht schlurfen sie ein wenig, aber sie tanzen nicht), dessen Konzerte ein Spektakel waren, der Kurzfilme machte, der die Vorrangstellung der Musik gegenüber Bildern herausforderte, der im Team arbeitete und vorgefasste Vorstellungen über Authentizität und Individualität infrage stellte? Er passte ganz einfach nicht in die Rockist-Form, und er weigerte sich, sich zugunsten ihrer Erwartungen zu limitieren.
D.B.: Ja, das stimmt. Sie richten sich an einem Ideal aus. Sie wollen den Hippietraum der 60er am Leben erhalten oder so etwas. Sie haben Lennon die Zeit kaum tragbar gemacht, als er etwa 1975 ausgestiegen ist, um Hausmann zu sein und Sean zu betreuen.
Das war damals ganz und gar unüblich, und ich denke, sie fühlten sich in ihrer Männlichkeit bedroht. Dave Marsh war ein Autor des Rolling Stone, der Lennon in einem offenen Brief züchtigte, weil er versagt hatte, gegenüber der Welt seine Pflicht zu erbringen. Derselbe Autor schrieb 1985 ein Buch über Michael mit dem Titel Trapped: Michael Jackson und der Crossover Dream (Gefangen: Michael Jackson und der Traum vom Cross-over). Hier ist ein Zitat daraus, warum Michael (seiner Meinung nach) gescheitert ist:
Es ist der Unterschied zwischen Jackie Robinson, dessen persönliche Emanzipation in der Welt des Baseballs nicht nur schwarze Amerikaner, sondern das ganze Land inspiriert hatte und Michael Jackson, dessen Triumphe in der Welt der populären Musik so privat waren, dass sie letztlich niemals mit jemandem geteilt wurden und als ein Ergebnis davon gerannen, sauer wurden und sich in einen dürftigen Restbestand ihres eigenen Potenzials verflüchtigten.
Es muss in jener Woche einen großen Gras (Marihuana)-Umsatz gegeben haben. Ich meine, im Ernst. Wo willst du da anfangen?
Willa: Ja, ich habe Marshs Buch gelesen, und es ist aus der Perspektive eines sich betrogen fühlenden Idealisten geschrieben. Er denkt, Michael Jackson habe das Potenzial eine Moses-Figur zu sein, die schwarze wie weiße Amerikaner heraus aus dem Sumpf von Rassismus hinauf auf eine höhere Ebene führen kann. Und er ist wütend, dass Michael Jackson seine (Marshs) Fantasien nicht erfüllt. Es gibt nicht einmal eine Andeutung, dass Marsh selbst etwas tun könnte oder sollte, um den Rassismus beenden zu helfen – einfach nur Verurteilung Michael Jacksons, dass er nicht mehr tut.
D.B.: Nun, wenn es jemals ein eindeutiges Beispiel für weiße Privilegien gegeben hat, dann ist es dies. Ein weißer Mann sagt dem Black Boy, wie er das Problem des weißen Mannes lösen soll. Es ist verrückt, Marsh lag mit seiner Einschätzung über Michaels Potenzial eigentlich nicht falsch. Ich habe so viele Kommentare von Menschen erlebt, die sagen, dass sie erstaunt sind, wie „erweckt“ Michael war. Jedoch verprügelt Marsh Michael, und das sogar noch, bevor dieser Bad veröffentlicht.
Willa: Ja, er scheint nicht zu verstehen oder zu schätzen, was Michael tatsächlich erreicht hatte – durch seine Kunst, wie in Beat It oder durch seine Position als global anerkannte kulturelle Persönlichkeit oder einfach durch seine Person – und stattdessen maßregelt er ihn für das, was er nicht ist. Es ist dasselbe Phänomen, über das du zuvor schon gesprochen hast, D.B., wobei Michael Jackson aber an einem Messias-artigen Ideal gemessen wird statt an einem Rockist-Ideal. Es ist interessant, durch den Rolling Stone zurückzuschauen und zu erkennen, woher dieser Impuls kommt.
D.B.: Einfach überwältigend. Marsh gibt Michael sogar die Schuld an der negativen Presse, die er in den Seiten seines eigenen Arbeitgebers, dem Rolling Stone, erhält. So funktioniert das: Beschuldige das Opfer. Wenn Trayvon nur auf George gehört hätte.
Es ist interessant, Rolling Stone hat kürzlich ein Archiv all seiner Cover zugänglich gemacht. Und ich denke, wenn du einmal auf die Titelseiten von Michael zurückblickst, kannst du erkennen, dass Rockism tatsächlich passiert, auch visuell. Nicht einmal die Artikel, nur die Titelseite. Es gab 1983 zwei von Michael – das Erste war ein Interview, das entstand, bevor Thriller dominierte und das Zweite war ein Kommentar über MTV. Dies war zwei Jahre, bevor Marshs Buch herauskam. Auf dem zweiten Cover beginnt der Rockism wirklich offensichtlich zu werden:
Viele Dinge stechen bei diesem Cover heraus. Zuerst einmal ist es Comic-artig – das einzige nicht fotografische Cover von 1983. Zweitens lautet der Untertitel: „Der Ausverkauf des Rock & Roll“ (The Selling Out of Rock & Roll).
Es gibt einen schneidenden Untertitel, der damit zu tun hast, dass John Lennon hier abwesend ist. Dies wurde nur drei Jahre nach dem Mord an Lennon veröffentlicht. Und was du hier siehst, ist, dass Michael Jackson buchstäblich Lennons „rechtmäßigen Platz“ neben Paul McCartney innehat (wie die Rockists es sehen würden). Obwohl sich die Beatles lange vor Lennons Tod getrennt hatten, scheint dies schmerzhaft zu sein.
Willa: Das ist eine faszinierende Art der Interpretation, D.B. Ich denke wirklich, du bist da einer Sache auf der Spur, obwohl ich glaube, dass die Geschichte noch ein wenig komplizierter ist. Es ist wahr, dass John Lennon und Paul McCartney beim Rolling Stone und bei Millionen Fans auf der ganzen Welt heiß geliebt waren. Aber dann wurde die Sache hässlich, die Beatles trennten sich, Leute ergriffen Partei, McCartney wurde unfairer Weise als Leichtgewicht besetzt, Lennon unfairer Weise als jemand, der vom Weg abgekommen war, Yoko Ono wurde abscheulich behandelt. Es war schrecklich …
D.B.: Ich erinnere mich an Teile der Kontroverse. McCartney hatte zu diesem Zeitpunkt als Reaktion auf diese Kritik bereits „Silly Love Songs“ geschrieben:
Some people wanna fill the world with silly love songs
And what’s wrong with that?
I’d like to know
‘Cause here I go again
Einige Leute wollen die Welt mit albernen Liebesliedern füllen
Und was ist falsch daran?
Ich möchte es gern wissen
Denn da bin ich wieder
Willa: Genau.
D.B.: Und das Drama über Yoko war heftig. Sie wurde für die Trennung der Beatles verantwortlich gemacht (was nicht stimmte) und die Giftigkeit, die ihr in den Weg gestreut wurde, war erstaunlich. Sie und John verließen England, weil sich die britischen Klatschblätter ihr gegenüber abscheulich verhielten. Sie zogen nach New York, aber es hörte nicht auf. Im Esquire gab es 1969 eine Story, deren Titel „John Rennon’s Excrusive Gloupie“ lautete (Anmerkung: Übers: „John Lennons exklusives Groupie“, allerdings zusätzlich verbrämt als eine Art rassistisches Wortspiel, indem gemäß der japanischen Aussprache die Buchstaben „r“ und „l“ vertauscht wurden). Diese Rockisten waren brutale Rassisten und Frauenhasser. John und Yoko „stiegen aus“, für etwa fünf Jahre, bis 1980.
Willa: Ja, so war es, und dann kam Double Fantasy heraus – Lennons erstes Album seit Jahren – und es war erstaunlich, abwechselnde Tracks von Lennon und Ono. Um ehrlich zu sein, waren sehr viele Kritiker nicht sicher, was sie davon halten sollten. Drei Wochen später dann war John Lennon gegangen, ermordet, und ich kann mich immer noch an die Nacht erinnern – als meine Freunde und ich es nicht fassen konnten.
Danach setzte eine Art Nostalgiewelle ein, fegte die Verwicklungen und Komplikationen unter den Teppich und ersetzte sie durch verschwommene, idealisierte Erinnerungen an Lennon und McCartney. Und dann, plötzlich, genau mitten in dieser nostalgischen Stimmung erscheint ein Titelbild des Rolling Stone, mit Michael Jackson auf John Lennons „rechtmäßigem Platz“, wie du gesagt hast und einer Schlagzeile über „den Ausverkauf des Rock & Roll“. Das ist wirklich aussagekräftig – ich denke, du liegst richtig, D.B.
D.B.: Es ist so interessant, die Archive aus diesem zeitlichen Blickwinkel zu betrachten. Damals war jeder traumatisiert. Lennon wurde gerade zu seinem Comeback ausgebremst, so wie es bei Michael war. Genau an dem Tag, an dem er getötet wurde, hatten John und Yoko für Annie Leibowitz posiert – für ein Rolling Stone Titelblatt. Am selben Tag.
Man kann also nachempfinden, welche Schwierigkeiten der Rolling Stone damit hatte jemanden an Johns Platz zu sehen. Wer, dieses schwarze Kind? Das Werbung für Alpha-Bits gemacht hat? Ähnlich wie wir auf jeden reagieren würden, der es wagt, an Michaels Stelle zu treten, wie es Michael Arceneaux in diesem Ausschnitt für VH1 ausdrückt: „Lasst uns aufhören, The Weeknd, Chris Brown + alle anderen mit Michael Jackson zu vergleichen.“
Aber der Rolling Stone war generell anfällig für Gehässigkeiten. Und sie haben nie den Unterschied begriffen zwischen Trauern und der Rockist-Weltsicht. Also genau hier in diesem Moment 1983, als er an der Weltspitze war, siehst du Michael, der in diese Paul-Box geschmissen wird, die zu der Zeit existierte, und als aalglatter, kommerzieller, nicht seröser Künstler (ab-)qualifiziert wurde.
Willa: Ja, und das wird in dem Artikel selbst offenkundig. Es geht größtenteils um MTV, aber jeder stellte die vage Verbindung her, dass MTV überschattet war. Das größte Problem ist wahrscheinlich, dass der Rolling Stone-Autor Steven Levy Musik allem anderen vorzieht und Videos einfach nur als Marketinginstrument betrachtet. Er schreibt: „Nach stunden- und tagelangem Anschauen von MTV kann man sich des Eindrucks, dass Rock ’n’ Roll durch Werbung ersetzt wurde, schwer erwehren.“ Während ich selbst Michael Jackson also als einen unglaublichen Multimedia-Künstler, dessen Filme erstaunlich waren und einen wesentlich wichtigen Teil seiner gesamten Kunst darstellten – vielleicht sogar als den Teil, in dem seine Kunst ihre volle Ausdruckskraft erreicht – betrachte, sieht Levy diese Videos, und er erkennt darin nichts anderes als „Werbung“. Er betrachtet den Künstler als jemanden, der an dem Prozess von Videos als Ausverkauf teilhat – einem der schlechtesten Etiketten, die ein Rockist einem Musiker aufdrücken kann.
D.B.: Ich denke, dies ist der Punkt, von dem an der Rolling Stone und andere komplett auf dem Holzweg waren, denn Michael war ein sozial orientierter Künstler in bester Lennon-Tradition.
Willa: Absolut.
D.B.: Weißt du, jedes Mal, wenn es nach einem tragischen Unglück eine Playlist für den Frieden gibt, sind Jackson und Lennon ausnahmslos darauf vertreten.
Willa: Das ist wahr.
D.B.: Das alles ließ mich über Michaels Beziehung zu Yoko und Sean nachdenken. Ich frage mich, ob es einen noch bedeutenderen als den bisher von uns realisierten Faktor, der persönlichen und symbolischen Sicht auf Michael, gibt. Wir wussten, dass unter den Rockists wegen des Kaufs des Beatles-Katalogs Verstimmung herrschte, aber es geht wahrscheinlich tiefer und ist viel emotionaler als das.
Und für Michael selbst: Was bedeutete diese Beziehung für ihn persönlich? Empfand er die unfaire Behandlung, die sie erfahren hatte, nach? Yoko und Sean war das erste Mutter-Sohn-Gespann, dem er nahestand, stimmt’s? Wurde Michael künstlerisch von Yoko inspiriert, so wie es bei John war? McCartney hat Yoko Johns Peace-Song-Periode zugeschrieben – „Imagine“, „Give Peace a Chance“, „War Is Over“. Versprach Michael Yoko, für John weiterzumachen?
Willa: Das sind interessante Fragen, D.B. Ich kenne die Antwort nicht, aber ich glaube, Michael wollte Sean Lennon nach dem Tod seines Vaters helfen und eine Art väterliche Rolle oder die eines großen Bruders für ihn einnehmen. Sie verbrachten mehrere Jahre viel Zeit miteinander und ich bin ergriffen von den Schlussszenen in Moonwalker. Sean spielt ein Straßenkind mit Namen „Sean“ (was bedeutsam erscheint), das mit der Hauptfigur „Michael“ befreundet ist. Fast am Schluss des Films sagt Michael zu Sean: „Ich möchte dir etwas Besonderes zeigen“, geht dann auf die Bühne und performt einen Song von John Lennon: „Come Together“.
In meinen Augen scheint es so, als würde er Sean hier zeigen, dass das Werk seines Vaters bedeutend ist, dass es von anderen Künstlern respektiert wird, und seine Musik weiterlebt, obwohl er selbst bereits gegangen ist. Das ist eine ziemlich machtvolle Botschaft für einen „Werbefilm“.
D.B.: Oh, ich hatte vergessen, dass sie ihre richtigen Namen benutzt haben.
Willa: Ja, und es sind die einzigen Rollen, bei denen es so ist.
D.B.: Das hört sich eher nach dem persönlichen Versprechen an, nach dem ich gefragt habe. Michaels Performance von „Come Together“ war auch in einer Ausstrahlung mit dem Titel Lennon: A Tribute von 1990 enthalten. Und später verband Michael natürlich „Come Together“ mit dem thematisch verbundenen „D.S.“ in einer Performance, denn Lennon war ein Ziel der Nixon-Regierung und wurde ebenfalls vom FBI durchleuchtet. Der INS (Immigration and Naturalization Service) versuchte sogar, Lennon auszuweisen.
Willa: Das ist wahr. Ich hatte „Come Together“ / „D.S.“ gar nicht mit den FBI-Untersuchungen von Lennon und der versuchten Ausweisung (die so an Charlie Chaplin erinnert) in Verbindung gebracht, aber du hast recht. Es passt alles zusammen, nicht wahr?
D.B.: Es scheint ganz sicher so. Es scheint, wie der klassische Michael – es gibt immer einen Grund für das, was er tut. Und Yoko wollte, dass Michael den Katalog bekommt, sogar mehr noch als sie selbst und Paul. Das sagt viel über ihr Vertrauen in ihn aus. Ich vermute, das ließ Michael noch mehr zur Zielscheibe der Rockists werden, wenn man bedenkt, dass er mit dieser verhassten Frau zusammenschloss. Er bekam nicht nur den Katalog, sondern das auch noch mit ihrem Segen.
Willa: Ja, Randy Taraborrelli zitiert ein Interview von November 1990, in dem Yoko Ono dies über den Erwerb sagte:
Geschäftsleute, die selbst nicht Künstler sind, verfügen nicht über Michaels Sichtweise. Er liebt die Songs. Er ist sozial sehr engagiert. Es hätte viele Streit- und Pattsituationen geben können, wenn Paul und ich sie zusammen besitzen würden. Weder Paul noch ich benötigten das. Wenn Paul Eigentümer der Songs geworden wäre, dann hätten die Leute wahrscheinlich gesagt „Jetzt hat Paul John endlich bekommen.“ Und wenn ich sie hätte, dann würden sie sagen „Oh, die Drachenfrau hat wieder zugeschlagen.“
Also hat sie unterstützend auf den Erwerb der Songs durch ihn eingewirkt. Aber es gab darüber sehr viele abfällige Kommentare, besonders von weißen Kritikern, die unterstellten, Michael Jackson habe etwas Hinterlistiges getan, dass der Kauf der Songs eines befreundeten Künstlers nicht ganz fair war.
D.B.: Ja. Da haben wir es wieder. Alles, was Michael macht, ist irgendwie illegitim. Lass mich also eine Frage stellen … wenn die Titelseite das Unbehagen gegenüber Michael an Johns „rechtmäßigem Platz“ neben McCartney zeigt, und wir wissen, dass die Leute wütend darüber waren, dass Michael die Lennon-McCartney-Songs besitzt, wie mochten die Rockists dann wohl über Michael denken, der Johns „rechtmäßigen Platz“ neben dessen Frau und Sohn eingenommen hat?
Siehst du, worauf ich hinaus will? Es kann sehr hässlich werden …
Willa: Ja, und es wurde sehr hässlich. Weißt du, es ist interessant, D.B. Ich habe dies niemals so weit zurück mit John Lennon verbunden, aber als ich die Aufzeichnungen bezüglich der Anschuldigungen von 1993 gelesen habe, wurde ich regelmäßig von dem Gefühl ergriffen, dass die Autoren Michael Jackson gar nicht so sehr wegen der Belästigung beschuldigten – obwohl dieser Verdacht natürlich immer im Hintergrund lauerte – sondern weil er den Sohn einem Weißen genommen hatte, von einer weißen Familie.
D.B.: Ja, das taten sie! Ich hatte das vergessen! Am Anfang war es nur das – Michael nimmt den Sohn dieses Mannes. Oh, meine Güte. Oh. Wow.
Willa: Ja, und da sind auch stark rassistische Untertöne bei der Sichtweise seiner eigenen Kinder spürbar – dass es nicht seine leiblichen Kinder seien, sondern stattdessen von einer Art bisher unbekanntem weißem Vater abstammen würden: vielleicht Mark Lester, vielleicht Arnold Klein, vielleicht Marlon Brando. Ich glaube wirklich, dass die Vaterschaft seinen Kindern gegenüber ausschließlich aus Gründen der Rassenzugehörigkeit ein Thema ist. Die dem Thema zugrunde liegende Geschichte scheint zu sein, dass er ein Schwarzer war, der „weiße“ Kinder erzieht, und das war keine legitime Rolle für ihn. Das war nicht sein „rechtmäßiger Platz“, um diesen Ausdruck noch einmal zu benutzen.
D.B.: Richtig. Knopper spricht in Genius das Thema Kinder auch an. Ich gebe es sinngemäß wieder, aber er sagt, nur Jacksons Familie würde denken, es seien seine leiblichen Kinder, und das allein deshalb, weil mit ihnen Geld verbunden sei. Ich stimme dir zu, diese Art des Angriffs passt zu allem anderen, was wir bisher von der männlichen, heterosexuellen, weißen Presse gesehen haben. Es ist nur dann notwendig, jemand anderen herabzusetzen, wenn du versuchst deine eigene Dominanz zu beweisen oder aufrechtzuerhalten. Wenn diese andere Person zufällig ein außergewöhnlich einflussreicher Schwarzer ist …
Willa: … dann entsteht ein Impuls, dessen Erfolge zu trivialisieren. Ja, das sehe ich auch so.
D.B.: Oder ihn ins Gefängnis zu bringen.
Willa: Oder ihn öffentlich zu demütigen und aus seinem Zuhause zu vertreiben.
Dies erinnert mich gerade an etwas anderes in Levys Rolling Stone Artikel. Levy beginnt mit der Aufzählung wichtiger Belege für den Ausschluss schwarzer Künstler bei MTV, was ich wirklich interessant fand, und er spricht speziell über den Kampf, Billie Jean auf die MTV Playlist zu bekommen. Aber später dann stellt er Michael Jackson als Paradebeispiel für MTV heraus. Gemäß Levy ist Michael Jackson also sowohl von MTV ausgeschlossen, stellt aber auch gleichzeitig dessen Versinnbildlichung dar. Das ergibt keinen Sinn.
D.B.: Vielleicht haben sie einfach alles geworfen, was hängen bleibt. Aber du hast recht, das liegt sehr im Widerstreit. Levy sagt, MTV hätte dafür kritisiert werden müssen, dass es keine schwarzen Künstler spielt, weil der Sender sich benimmt wie ein Ort „an dem Reagans Werte mehr gewürdigt werden als John Lennons“. Aber dann ist da noch eine Story in der Seitenleiste: „Jackson und McCartney’s Supervideo: Wie bitte?“
Willa: Ja, was hauptsächlich eine Unterhaltung mit Bob Giraldi darüber wiedergibt, ob Videos „Werbung“ darstellen oder nicht. Wir sind also wieder zurück bei der fixen Idee der Rockists bezüglich des Nicht-Ausverkaufs.
Nebenbei bemerkt, ich war letzte Woche in Kalifornien und habe das Union Hotel in Los Alamos besucht, in dem einige Szenen von Say Say Say gefilmt worden sind. Hier ist das Schlafzimmer, in dem die Rasierszene gedreht wurde:
Und der Billardtisch, obwohl er in einen anderen Raum gebracht wurde:
Hier ist die Bar, in der Michael in seiner Rolle LaToya in ihrer Rolle sieht (beachte das ganze Geld, das in der Decke steckt):
Und die Schwingtür, durch die sie die Bar verlassen:
Und hier ist die Hintertreppe, die sie hinunterrennen, um der Polizei zu entkommen:
D.B.: Oh, ich bin so neidisch. Das gilt nicht, lol. Wie hat es sich angefühlt, in diesen Zimmern zu sein?
Willa: Nun, ich möchte nicht angeben, aber es war fabelhaft! Es ist ein schönes Gebäude von 1880, und ich habe es aufrichtig gemocht. Und wenn du dir dieses Bild ganz genau ansiehst, dann erkennst du das Rolling Stone Magazincover, über das wir gesprochen haben. Sie haben es in einer Vitrine:
So schließt sich der Kreis.
D.B.: Ich freue mich für dich, dass du die Gelegenheit hattest, hinzufahren.
Willa: Ich freue mich auch! Es hat wirklich Spaß gemacht. Also, ich danke dir sehr, dass du dich mir angeschlossen hast, D.B. Wie immer hast du mir viel gegeben, über das ich nachdenken muss. Ich nehme so viel aus unseren Unterhaltungen mit.
D.B.: Ich danke dir sehr für die Einladung, Willa. Es ist immer wieder eine Freude und das hier war faszinierend.
Übersetzung: Ilke
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