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“A lot of people misunderstand me. That’s because they don’t know me at all.” – Michael Jackson

Buchdiskussion über „Michael Jackson and the Blackface Mask“


Über die komplexe Beziehung von Jackson zu seiner Rasse und seine Auseinandersetzung mit rassistischen Stereotypen durch seine Performances. Manning argumentiert, dass Jacksons Ausdrucksweise vom historisch rassistischen Blackface Minstrelsy stammt und stellt die Frage, wie wir solche Stereotypen in unserer Gesellschaft auslegen und erforschen sollten.


Es kursierten viele Gerüchte über Michael Jackson, sowohl vor als auch nach seinem Tod im Juni 2009. Nehmen wir etwa die Theorien über seine Beziehung zu seiner Hautfarbe.

Jackson hatte in Wirklichkeit eine weitaus differenziertere Vorstellung von Rasse, als wir möglicherweise wahrnehmen. Wissenschaftlerin Harriet J. Manning behauptet, dass er seine Bühnenauftritte und Videos dazu einsetzte, um rassistische Konstruktionen des Schwarzseins zu kritisieren. Sie hat eine Monografie geschrieben, basierend auf ihrer durch AHRC finanzierten Forschung für ihre Dissertation, die sie an der Newcastle University fertigstellte.

Den größten Teil des 19. Jahrhunderts war die Tradition des Blackface Minstrelsy in Amerika und Europa eine vorherrschende Form der populären Kultur. Hierbei handelt es sich um eine theatralische Form, für die sich weiße Darsteller „schwärzten“, um schwarze Menschen zu parodieren. Schwarze Darsteller waren ursprünglich von der Bühne verbannt und als es ihnen dann in den späten 1860ern erlaubt war, wurden sie gezwungen in die traditionellen, stereotypen Rollenklischees zu schlüpfen. „Es war die vollkommene Beherrschung von jemand anderes Selbstdarstellung“, sagt Manning, die in ihrer Forschungsarbeit verschiedene Quellen einschließlich Zeichnungen, Fotografien, Theaterplakaten und Liedtexten verwendet hat. „Schwarze Darsteller hatten keine andere Wahl, als die Maske aufzusetzen und die Rolle zu spielen.“

Michael Jackson and the Blackface Mask (Ashgate Verlag) erklärt und untersucht die Theorie, dass Jacksons Performances in den historisch rassistischen Praktiken des Blackface Minstrelsy und in dessen Tragen von Masken wurzeln. „Es gibt da die Vorstellung, dass man diese Episode in der Geschichte am besten vergisst, weil sie unangenehm ist, aber wir sollten darüber reden“, sagt Manning. „Das war am Anfang ein Teil meiner Motivation. Dieser Teil der Geschichte sollte weithin bekannt sein.“

Manning nahm dieses unerwartete Paradox wahr: „Hier war dieser schwarze Darsteller, der eine sehr rassistische, performative Geschichte zitiert“. Sie begann, sich Jacksons Tanzbewegungen und Gesten genauer anzusehen. „Ich beobachtete, dass all seine hauptsächlichen choreografischen Bewegungen, wie Gleitbewegungen, angewinkelte Gliedmaßen, Drehungen und Biegungen, bis zum Minstrelsy zurückverfolgt werden können.“

(L) Der Blackface Stereotyp Jumbo Jim in typischer Minstrel-Pose. 

(R) Eine typische Michael Jackson Pose in der traditionellen Symbolik des Blackface Minstrelsy

Jene Bewegungen waren dazu bestimmt, Menschen zu verspotten, erklärt Manning. „Beim Minstrelsy ging es darum, eine schwarze Person auf eine beklemmende, verhöhnende Art und Weise nachzuahmen“, sagt sie. Indem er sie und die traditionellen Klischees in seinen Darstellungen verwendet hat, wies Michael Jackson eine rassistische Auslegung seiner schwarzen Identität von sich, manchmal durch Parodie und andere Male durch eine Art Rückgewinnung, wie, wenn er seine Dance Moves ganz und gar subtil und ‚cool‘ ausführt.

Nicht, dass dies den Leuten aufgefallen wäre, als Jackson 1991 die Single Black or White veröffentlichte. Die letzten vier Minuten des Musikvideos zeigen einen schwarzen Panther, der sich in den Sänger verwandelt und der dann verschiedene Akte von Vandalismus begeht, wie das Zerschlagen einer Fensterscheibe und der Windschutzscheibe eines Autos.

Fernsehstationen verboten das Video und Jackson wurde aufgefordert, eine Entschuldigung herauszugeben. Im Grunde scheint damals niemand begriffen zu haben. „Dieses Video kann leicht als Kritik an rassistischen Klischees gelesen werden“, sagt Manning. „Die Aufregung über die Ausstrahlung nährte genau ebendiese Klischees.“

„Der Panther Dance ist eine Weiterführung und Neuformulierung einiger der grundlegenden Gesten und Klischees des Blackface-Tanzes“, fügt sie hinzu. Diesem lagen rassistische Strukturen zugrunde und, wie die Untersuchung zeigt, lassen wir es zu, dass diese Stereotypen heute immer noch nicht hinterfragt werden. Wir erkennen sie nicht einmal, wenn sie direkt vor unseren Augen parodiert werden.

„Wir bemerken oft gar nicht, wie wenig wir Klischees hinterfragen“, sagt Manning. „Diese Strukturen beinhalten, dass fälschlicherweise schwarze Menschen, besonders Männer, verknüpft werden mit Unberechenbarkeit, Gewalttätigkeit, Kriminalität, Übersexualisierung und Animalischem – was sämtlich Teil der Kontroversen um Michael Jackson wurde.“

(L) Jim Crow, der bekannteste Stereotyp des Blackface Minstrelsy
(R) Michael Jackson während des Panther Dance in Black or White (1991)

Ein weiteres zentrales Video ist der Kurzfilm Ghosts, der 1997 veröffentlicht wurde. In einem der Songs mit dem Titel Is It Scary? singt Jackson: „Bin ich die Bestie, die du dir vorstellst?“

Manning deutet das als Hinweis auf tiefverwurzeltes Klischeedenken, das durch bloßen Willen nicht verändert werden kann – wir müssen es erkennen und infrage stellen.

„Es passiert auf solch eine schädliche, stille, unterbewusste Art und Weise“, erklärt sie. „Wir mögen denken, wir seien keine Rassisten, aber wir werden immer noch mit Vorstellungen über Unterschiede gefüttert, die einfach nicht existieren. Klischeedenken zeigt uns, was wir für die Wahrheit halten und reflektiert dies auf uns‚ wie ein ‘Spiegel, der die Wahrheit enthüllt‘, wie Jackson in Is It Scary? singt.“

Jacksons Rolle in der Öffentlichkeit funktioniert ebenfalls als Spiegel oder als Maske. Wir müssen berücksichtigen, welches kulturelle Gepäck mitgebracht wurde, sagt Manning. „Wir alle denken, uns gehört ein Stück von Michael Jackson. Wenn ein Künstler sehr erfolgreich und sehr populär ist, dann gibt es die Tendenz, zu übersehen, was er auf kreativem Gebiet geleistet hat.“

(L) Al Jolson ‚geschwärzt‘ in The Jazz Singer (1927)

(R) Michael Jackson ‚geschwärzt‘ in Say, Say, Say (1983)

Mannings Untersuchungen haben sie mit anderen Akademikern, die an Michael Jackson interessiert sind, zusammengebracht, wie mit Nina Fonoroff, Professorin für Filmkunst an der University of New Mexico, die Mannings Arbeit durch Dancing With The Elephant, einem Blog, der sich mit Diskussionen über den Sänger beschäftigt, entdeckt hat.

Fonoroffs Interessen schließen die Rolle des Publikums mit ein, welches sich als ein Schlüsselthema wie ein roter Faden durch Mannings Buch zieht. „Michael Jackson war fähig, so viele existierende Fantasien, Ängste und Sehnsüchte anzuzapfen“, sagt Fonoroff. „Harriets Werk ist eine großartige Synthese neuer Vorstellungen über Blackface Minstrelsy. Es hat mir dabei geholfen, diese Konzepte sehr viel klarer durchschauen zu können.“

Ihre Online-Unterhaltungen führen zu einer weiteren Zusammenarbeit: Manning und Fonoroff werden zu Jacksons 5. Todestag in L.A. sein. „Wir planen den Bereich von Michael Jacksons Fangemeinde zu untersuchen, welche uns beide aus einem akademischen Blickwinkel interessiert“, sagt Manning.

Bei Mannings Untersuchungen ist Michael Jackson Fan Ilke Lenz-Nolte behilflich, die englische Texte für den Blog all4michael ins Deutsche übersetzt, um „zu erfahren, wer er wirklich war“. Als Nolte anfing, sein Werk zu erforschen, sagt sie „war es faszinierend, denn ich realisierte, dass all die Geschichten in den Medien über ihn falsch waren. Harriet hat eine grundlegende Verbindung zwischen dem Blackface Minstrelsy und der Musik und dem Tanz Michael Jacksons, die einen wesentlichen Bestandteil seiner Identität darstellen, aufgezeigt.“

Nolte ist speziell fasziniert von der Einseitigkeit der Rolle im Minstrelsy: Weißen wurde erlaubt, Schwarzsein zu verhöhnen und buchstäblich zu konsumieren, während Schwarze zu Karikaturen reduziert wurden, wogegen sie nur wenig ausrichten konnten. „Jackson aber drehte den Spieß um und spielte mit dieser Einseitigkeit, sodass sich die Leute unwohl fühlten und Schuldgefühle entwickelten wegen einer rassistisch geprägten Vergangenheit – oder Gegenwart“, sagt sie. „Und die Medien machten aus ihm einen Freak und Kriminellen.“

„Auf gewisse Weise arbeitete Jacksons Erfolg gegen ihn“, schließt Manning. „Sein Werk ist so reichhaltig an kulturellen Zitaten, die weitgehend übersehen worden sind.“ Jacksons Image wurde gefiltert und neu erfunden, gerade so wie weiße Menschen Blackface Minstrelsy eingesetzt haben, um die Art und Weise, wie Schwarzsein verstanden werden sollte, kontrollieren zu können.


Der Link http: //www .ahrc.ac .uk/News- and-Events/Features /Pages/Black-or-white .aspx funktioniert leider nicht mehr.


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