Interview Bähler über seine Zusammenarbeit mit Michael Jackson. Bähler hatte die Gelegenheit, sowohl während seiner Zeit bei Motown als auch in den späteren Jahren mit Jackson zusammenzuarbeiten. Besonders hervorgehoben wird der Song „She’s Out Of My Life“. Bähler beschreibt die Begegnung mit Jackson und erzählt, wie der Song entstanden ist. Außerdem wird die enge Bindung zwischen Bähler und Jackson betont. Bähler hebt Jacksons Talent und Hingabe für die Musik hervor.
Übersetzung eines Interviews mit Thomas Bähler aus dem Buch Let’s Make HIStory (An Insight into the HIStory Album) von Brice Najar (Ein absolut lesenswertes Buch mit vielen Interviews mit den Leuten, die mit Michael im Studio zusammengearbeitet haben.)
Thomas Bähler hatte, wie sein Bruder John, die Gelegenheit, mit Michael Jackson sowohl während seiner Zeit bei Motown, als auch in den späteren Jahren zusammenzuarbeiten. Er war Co-Produzent von Michaels Duett mit Diana Ross, ‘Ease On Down The Road‘, während Michaels erster Zusammenarbeit mit Quincy Jones. Thomas’ Bericht ist sehr bedeutend, besonders, da er über seine Komposition ‘She’s Out Of My Life‘, erzählt, eines der klassischen Stücke Jacksons. Er ist ein echter Profi und ich freue mich, dass er so nett war, diese kostbaren Erinnerungen mit uns zu teilen.
Brice Najar: Erinnerst du dich noch an dein erstes Zusammentreffen mit Michael Jackson, als du gemeinsam mit deinem Bruder John als Vocal-Coach und Arrangeur für Motown gearbeitet hast?
Thomas Bähler: Ich schrieb über mein erstes Treffen mit Michael in meinem Buch What You Want Wants You, weil es während meines ersten Arrangements für sie stattfand. Trotzdem erinnere ich mich nicht an den Song, ich habe so viele unterschiedliche Dinge gemacht, dass es einfach nur ein Auftritt von vielen war, aber es war mein erster Job für sie. Als ich dorthin kam, waren seine Brüder in der Lounge des Studios. Ich hatte mein Arrangement in der Aktentasche und ging ins Studio, während sie gerade in Aufnahmekabine waren und die Bänder wechselten. Ich lief also in das Studio, das nicht beleuchtet war, und deshalb beachtete ich Michael, der in der Rundung des großen Konzertflügels stand, zunächst gar nicht. Er stand von mir abgewandt und bemerkte deshalb auch nicht, dass ich hereinkam. Ich ging also rein, öffnete meine Tasche, die aus Leder war und deshalb keine Geräusche machte. Plötzlich begann er völlig unvorbereitet Climb Every Mountain zu singen und ich war fasziniert! Ich hatte niemals zuvor eine solche Stimme gehört, und auch nicht danach, und ich kannte natürlich ihre Hits und war ein Fan davon. Ich glaube, er hat nicht einmal bemerkt, dass ich da war und es war faszinierend. Dann kamen seine Brüder zurück (er hat nur etwa 20 Takte des Songs gesungen), machten das Licht an und so traf ich sie dann schließlich alle zusammen. Wie zuvor erwähnt, ich erinnere mich nicht mehr an daran, an welchem Song wir arbeiteten, aber das war unser erstes Zusammentreffen. Es war immer ein Vergnügen, mit ihnen zuarbeiten, sie waren liebenswerte junge Männer und Michael war eine Klasse für sich.
Brice Najar: In deinem Buch What You Want Wants You hast du geschrieben, der Song Too Young, von seinem Album Music & Me, sei dein Lieblingsstück von Michaels Zeit bei Motown. Kannst du uns erklären, warum?
Thomas Bähler: Also, dieses Lied war in den 1950er-Jahren ein großer Hit, ein Nr. 1 Song von Nat King Cole. Nat King Cole war einer der Lieblingskünstler meiner Jugendzeit und diesen Song mochte ich besonders, und auch das Arrangement von Ralf Carmichael gefiel mir hervorragend, es war einfach herrlich! Und obwohl es Michaels Album war, sangen seine Brüder im Background, und meistens war es so, dass mein Bruder und ich mit ihnen sangen, wenn sie Background sangen. Mein Bruder und ich hatten das Talent, im Background zu verschwinden, oder nicht besonders hervorzustechen, es gehörte zu unserer Routine. Aber ich möchte ganz klar sagen, der einzige Grund, warum wir bei ihnen mitsangen war, sie selbst noch besser zu machen. Wir sangen mit ihnen, weil es ihnen irgendwie etwas mehr Selbstvertrauen gab. Auf dem Band, das sie mir geschickt hatten, um den Background hinzuzufügen, war eine unbearbeitete Version des Orchesters und von Michaels Gesang, und es rührte mich zu Tränen. Ich saß zu Hause, hörte die Kassette an und war dabei, Arrangements für die Jungs zu bearbeiten, und ich dachte nicht, dass mir der Song noch besser gefallen könnte. Aber als Michael sang – und er war erst 14 Jahre alt – sang er einfach mit so viel Gefühl. Es als die Emotion eines Erwachsenen zu beschreiben ist nicht ganz passend, weil es war unabhängig von Geschlecht und Alter, es war einfach nur wunderschön. Ich fand, es war eine hervorragende Entscheidung des Produzenten, diesen Song für Michael auszuwählen, denn dieses Kind sang jetzt darüber, verliebt zu sein. Es war ein besonderer Augenblick für mich und es gehört immer noch zu den besten Vocals die ich kenne, besonders die letzten Noten davon. Als ich es zum ersten Mal hörte, wie er es immer weiter und weiter aufbaut, dachte ich: „Nein, er wird doch nicht bis dahin gehen?“ Oh mein Gott, er tut es! Er hat es einfach drauf!“
Während all der Zeit, die wir zusammen verbrachten, hat Michael mich immer wieder auf wunderbare Art überrascht. Sein Ausdruck in diesem Lied war so unterhaltsam. Er mochte die wirklich großen Sänger wie Frank Sinatra und er studierte, wie sie sich ein Lied einfach ganz natürlich aneigneten. Ich weiß, dass Michael viel übte, aber er übte, um sich freizumachen und das Endprodukt kam immer direkt aus seinem Herzen.
Brice Najar: Später warst du dann einer der wenigen, die dabei waren, als Quincy und Michael sich zum ersten Mal trafen, um den Soundtrack für The Wiz aufzunehmen.
Thomas Bähler: Ich war nicht bei diesem ersten Meeting, aber ich hörte davon, weil ich Michael schon seit 1973 kannte, und Quincy und ich uns auch in demselben Jahr kennenlernten. Als Quincy gefragt wurde, musikalischer Leiter zu werden und ich ihn wissen ließ, dass ich daran interessiert wäre, mit ihm mitzuarbeiten, sagte er: „Großartig! Du arbeitest an den Vocals.“ Aber er brauchte mich nicht als Produzent für die Vocals des Soundtracks, denn Quincy konnte Vocals jederzeit selbst bearbeiten! (lacht)
Sie waren also in New York und arbeiteten daran, und ich war nicht selbst anwesend, aber Quincy rief mich an, wir sprachen wirklich jeden Tag miteinander, und er sagte: „Wow, Michael ist wirklich sehr besonders!“ Ich sagte: „Er ist der Fred Astaire unserer Generation! Also, ich habe nie etwas Ähnliches gesehen!“ Ich war nicht wirklich überrascht, aber hocherfreut, das zu hören. Als das Projekt voranging, hörte ich, dass Quincy nicht sonderlich begeistert war von dem Song „You Can’t Win“, den Michael als Vogelscheuche singen sollte. Offen gestanden halte ich ihn auch nicht für einen großartigen Song, aber Michael verwandelte ihn in etwas Besonderes … einfach, weil er Michael war. Ich kannte sie also beide, und ich war begeistert, dass Quincy von Michael begeistert war; es war genau das, was ich erwartet hatte.

Brice Najar: Es ist allgemein bekannt, dass Quincy Jones dich „Nad“ nennt. Wie kam es zu dem Spitznamen?
Thomas Bähler: Bevor ich aufs College ging, besaß ich zwei Platten, die ich jeden Abend vor dem Schlafengehen spielte, die eine davon war Quincy Jones The Birth of a Band und die andere Julie Londons Julie Is Her Name. Als ich umzog, um aufs College zu gehen und in diesem kleinen Trailer wohnte, nahm ich meinen kleinen, tragbaren Plattenspieler mit, aber vergaß, Platten mitzubringen, und diese beiden LPs waren gerade im Spieler drin. Deshalb hörte ich sie das ganze Semester lang an! Es war interessant, denn je nach meiner Stimmungslage am Abend, begann ich entweder mit Julie London, die einfach nur mit Barney Kessel an der Gitarre zu hören war, und danach kam dann Quincys The Birth Of A Band LP. Ohne große Hintergedanken meinerseits sah ich mich vor dem Schlafengehen immer mit Julie und Quincy zusammen arbeiten. Ich mochte einfach diese Vorstellung, es war nicht so, dass ich dachte „Genau das werde ich tun!“ Ich sah mich einfach mit ihnen zusammen, und dachte, das wäre schön. Ich mochte beide aufrichtig.
Sechs Jahre später rief Julie mich an, und ich arbeitete mit ihr, und wir hatten eine großartige Freundschaft. Und 11 Jahre später rief Quincy an, als ich gerade bei Western Records am Sunset Boulevard arbeitete. In diesem Studio gab es an vier Telefone der Wand, aber man konnte damit nicht hinaus telefonieren. Wir wurden angerufen, wenn jemand für einen Auftritt gebraucht wurde, und irgendwann sagte die Telefonistin: „Hey, Quincy Jones möchte mit dir sprechen.“ Und ich sagte: „Na dann stell in durch.“ Ich war begeistert! Ich wusste nicht, warum er mich anrief. Ich hatte ein paar Arrangements für Sahra Vaughan gemacht, und zufällig war Quincy Jones an der Aufnahmekabine vorbeigekommen, als sie gerade am Abmischen von Sahra Vaughans neuster Stilrichtung waren, und ich hatte alle Vocal-Charts davon gemacht. Sie waren gerade dabei, ihre Stimme auszubalancieren, als er seinen Kopf zur Tür hereinsteckte und sagte: „Wow, wer hat diese Vocal-Charts gemacht?“ „Oh, das war Tommy Bähler.“ „Wisst ihr, wie ich ihn erreichen kann?“
Und so bekam ich diesen Anruf von Q und ich sagte: „Mensch, das ist so klasse, deine Stimme zu hören. Ich bin ein großer Fan!“ Er sagte: „Danke, ich habe eben ein paar deiner Charts gehört, und ich arbeite gerade an einem neuen Album. Ich würde mich freuen, wenn du mit daran arbeiten könntest. Kannst du herkommen?“ Er gab mir seine Adresse, draußen in Brentwood. Ich fuhr also hin und klopfte an seiner Tür. Seine Vordertür ist aus Glas, und Quincy hat einfach den coolsten Gang, und während er da den langen Flur entlanglief, sah er nach unten, auf den Teppich und als er dann aufsah … seine Reaktion! Er öffnete also die Tür und sagte: „Bist du Tommy Bähler?“ „Ja, bin ich.“ „Du bist nicht weiß!“ „Na ja, ich bin, wie ich bin.“ Er lachte und wir umarmten uns sofort, und er führte mich in sein Haus. Normalerweise bringen dich die Leute in ihr Wohnzimmer, wenn du zu ihnen nach Hause kommst. Aber ich denke, Quincy und ich fühlten uns auf Anhieb so wohl miteinander, dass er mich gleich in die Küche führte, was sich hervorragend anfühlte. Wir standen neben dem gemauerten Herd und sprachen 10 Minuten lang, als er plötzlich sagte: „Mensch, deine Mutter muss dir eine Überdosis Nadinola gegeben haben, als du klein warst!“ Ich fragte: „Was ist das?“ „Das ist eine Bleichcreme, die Schwarze benutzen, um ‚zu passen‘. Und du passt, Mann!“ (lacht)
Es war das netteste, was er je zu mir hätte sagen können, es war das allerschönste Kompliment. Also, von dem Punkt an war ich „Nadinola“ oder „Sir Nadinola“ oder einfach nur „Nad“. Viele Leute haben nicht gewusst, warum, aber das ist OK., denn bei Quincy ist es so, dass er Leute so benennt, wie es für ihn eine Bedeutung hat. Michael war „Smelly“ und auch all seine Kinder haben Spitznamen. Es gab immer einen Grund dafür, aber er allein wusste, was das war. Ich war also begeistert davon, „Nad“ genannt zu werden, und ich trage den Namen mit Stolz. Michael gewöhnte sich nie richtig daran, mich Nad zu nennen, denn er kannte mich schon, bevor er Quincy kennenlernte, und er rief mich immer Tommy. Aber Bruce Swedien nennt mich Nad und „Mouse“ nennt mich auch Nad. Und weißt du, wer „Mouse“ ist? Greg Phillinganes! Und ich glaube, Quincys Ex-Frau Peggy nannte mich auch Nad.
Brice Najar: Dann hast du auch das Duett von Michael und Diana Ross, Ease On Down The Road, produziert. In deinem Buch nennst du sogar alle Musiker, die an dem Song beteiligt waren, was perfekt ist, weil die Credits nicht so genau sind.
Thomas Bähler: Ja, das hab’ ich gern getan. Wenn du das Album hast, kannst du sehen, dass Quincy ausgezeichnet darin war, jedem seine Credits zu geben, er hat das immer wunderbar gehandhabt. Was ich in dem Buch nicht erwähne, ist der Teil in der Aufnahme, den ich sehr liebe, Jerry Heys Teil war. Er zu der Zeit war mein Trompeter und auch Quincys, und auch ein großartiger Arrangeur von Blechbläsern. Quincy und ich riefen Jerry Hey immer an und sagten: „Hey Jerry! Das ist, was wir haben.“ Und dann sangen wir ein paar Takte von dem, was wir gehört hatten und er erledigte dann den Rest. Das witzige bei Ease On Down The Road war dieser großartige Piano-Teil, der von David Foster kam, und er ist so cool! Es war um die Zeit (etwa 1978) als die Zugtrompete aufkam, so ähnlich wie eine Posaune, aber kleiner, mit einem Zugbügel anstatt Ventilen. Ich hörte diesen (Piano)-Teil (singt den Teil vor und imitiert eine Trompete), den man mit Ventilen spielen konnte, aber mit einem Zugbügel wäre es noch viel besser gewesen. Ich rief also Jerry Hall an und sagte: „Diesen Teil möchte ich haben!“ Und es machte so viel Spass, das mit ihm und Gary Grant aufzunehmen. Ich habe das im Buch nicht erwähnt, aber ich wollte es jetzt mit euch teilen, weil es so viele tolle Anekdoten und Erinnerungen gibt, die ich gerne mit interessierten Leuten teile.

Brice Najar: Dein Buch gab auch einen Einblick in die Vocal-Session, (für Ease On Down The Road) bei der du mit Diana Ross und Michael in Los Angeles gearbeitet hast.
Thomas Bähler: Ja, sie hatte tatsächlich einen schlechten Tag und ich fragte sie nie danach, was es war. Wir sind alle nur Menschen und ich möchte auch nicht den Eindruck erwecken, Diana sei etwas anderes als absolut wunderbar, denn ich bewundere sie sehr und habe so oft mit ihr zusammen gearbeitet.
Aber dieses erste Treffen war unglücklich … Wir hatten also den Track von Ease On Down The Road in New York fertiggestellt und weil die Filmaufnahmen beendet waren, waren Michael und Diana in Los Angeles. Bis dahin hatte ich noch nicht mit Diana gearbeitet, ich hatte lediglich ein paar Arrangements für sie bei Motown gemacht, aber wenn du am Background-Gesang gearbeitet hast, war es meist so, dass du den Künstler gar nicht getroffen hast, es sei denn, es waren die Jacksons. Du kommst, machst deine Arbeit, und gehst wieder.
Wir hatten also das Studio gebucht, es war Wally Heiders Studio, das berühmte Studio am Cahuenga Boulevard, das es jetzt nicht mehr gibt. Wall Heiders Studio war in LA das Beste für Gesangsaufnahmen, und auch für Gesangsgruppen, weil es einen Raum hatte von der Größe zweier Klassenzimmer. Wally war ein großes Aufnahmetalent, und er hatte gerade sein Studio um einen weiteren Raum für Gesangsaufnahmen erweitert, und das war der Raum, in dem wir aufnehmen würden. Ich glaube, der Termin war um 14:00 Uhr, und genau um 14:00 kam Michael herein. Er war immer sehr pünktlich … außer wenn du zu ihm nach Hause kamst, das war etwas anderes. Ich will nicht sagen, dass er dich dann warten ließ, aber er war dann sehr viel lockerer. Aber wenn man einen Termin hatte, dann war er auch da. Er kam also herein und es war toll, ihn zu sehen, wir umarmten uns und lachten und hatten Spass. Michael hatte diese Art von trockenem Humor, und deshalb stichelten wir uns immerzu.

Ich wunderte mich und fragte: „Wo ist Diana?“, und Michael sagte: „Also, ich habe sie ja nicht unter Beobachtung.“ Sie kam dann schließlich um 15:30 Uhr. Wir hatten während der Wartezeit ein paar Leute angerufen, aber niemand wusste, wo sie war. Sie kam herein, sah sich um und zeigte auf mich und fragte: „Wer sind sie?“ Ich antwortete: „Hi, ich bin Tommy Bähler, wir kennen uns noch nicht, ich freue mich, sie zu treffen. Ich bin ein großer Fan und freue mich, hier zu sein und als Co-Produzent mit ihnen zu arbeiten.“
„Was soll das heißen? Quincy und ich produzieren das hier zusammen. Wo ist Quincy?“
„Also Quincy ist in New York und arbeitet an dem Film. Und ich arbeite schon seit Jahren mit ihm zusammen, das ist der Grund, warum ich jetzt hier bin.“
„Oh Mann.“
Und dann kam Michael auf seine nette Art zu meiner Rettung, denn er sah, dass Diana nicht erfreut war. Er sagte: „Oh Diana, Tommy ist großartig, wir haben schon oft zusammengearbeitet, du wirst ihn lieben, er ist wunderbar.“
Wir gingen ins Studio und sie war nett zu ihm, aber einfach nur freundlich und nicht so, wie ich es erwartet hätte. Wir begannen mit den Gesangsaufnahmen, aber es war einfach nicht das, was es sein sollte. Es war nicht schlecht, weil Michael und Diana gar nicht schlecht singen können, sie wissen nicht einmal, wie das geht, aber die Energie war nicht zu spüren. Sie war nicht voll konzentriert. Ob bei Proben oder einem Auftritt, Michael ist immer120% dabei, er macht nie einen Fehler, er ist einfach so! Aber jetzt wollte es einfach nichts werden … und je mehr wir es versuchten, desto unglücklicher wurde sie.
In meinem Buch What You want Wants You geht es in einem Teil auch darüber, dass ich mich bei besonderen Herausforderungen selbst frage: „Was will ich?“, und in dem Fall wollte ich Michaels Produzenten, Quincy Jones, Vocals liefern, auf die ich stolz sein könnte, und mir wurde klar, dass ich diese nicht bekommen würde. Ich fragte mich also, was ich tun könnte. Die Session neu ansetzen? Ich würde nie einen Künstler kritisieren, das ist nicht meine Aufgabe. Meine Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass sie sich wohlfühlen und ihnen Vertrauen zu schenken, damit sie ganz sie selbst sein können. In dem Bereich war Quincy mein Mentor, und niemand ist darin besser. Ich drückte also den Knopf der Gegensprechanlage und sagte: „Wisst ihr, wir werden einen neuen Termin buchen.“ Diana sagte: „Was? Warum das denn“ Ich fragte sie dann: „Diana, gefällt dir das, was wir bisher haben?“ Und sie sagte nichts, weil sie es wusste. Sie wusste an dem Punkt, dass ich ihr heraushelfen wollte, denn was auch immer es war, was mit ihr nicht stimmte, es hatte nichts mit unserem Termin zu tun. Sie sagte nichts, stand einfach da, mit abgewandtem Blick. Ich sagte: „Also dann, ich werde euch anrufen. Wir werden das in den nächsten Tagen in Angriff nehmen.“ Michael rollte mit den Augen und sagte: „Mensch, das tut mir so leid.“
Wir machten etwa zwei Tage danach einen neuen Termin, sie kamen zusammen an, pünktlich, und wir brauchten nur eine einzige Aufnahme für den Song! Sie übertrafen sich selbst, und das hatte ich auch erwartet, weil sie das den ganzen Film hindurch auch getan hatten. Diana war ab da sehr freundlich zu mir, und wenn ich mich nicht irre, hat sie sich bei mir bedankt. Ich sagte: „Ich möchte, dass es dir so gut gefällt, wie uns.“ Danach habe ich noch verschiedene Events für sie produziert, weil sie wusste, dass sie sich mit mir sicher fühlen würde. Sie ist eine fabelhafte Frau und eine großartige Künstlerin, und nicht nur, weil sie mit den Supremes die erste schwarze Frauengruppe im Mainstream-Pop waren. Oft wurden ihre Songs zum Mainstream, aber oft waren es auch die Coverversionen, von anderen gesungen. Jedenfalls habe ich sie immer sehr respektiert und sie hat einen Platz in meinem Herzen. Sie ist eine fantastische Frau.
Brice Najar: Du bist in diesem Buch einer der Songschreiber und Komponisten, die einen Song vom Anfang bis zur Fertigstellung begleitet haben. Wir sollten deshalb etwas näher auf She’s Out Of My Life eingehen. Wann wurde er geschrieben? War es ein persönlicher Song? Ich meine, du hättest das Lied einfach für dich selbst schreiben können, um eine persönliche Geschichte und deine Gefühle zu verarbeiten. Aber es ist auch ein Stück, bei dem wir alle mitfühlen können, weil jeder schon einmal eine abgebrochene Beziehung erlebt hat und es eine sehr verbreitete Thematik ist.
Thomas Bähler: Ich schrieb den Song 1977 und Michael nahm ihn 1979 auf. Quincy und ich standen uns immer sehr nahe und handelten oft intuitiv. Wir haben nicht ständig zusammengearbeitet, aber ganz gleich, wie viel Zeit dazwischen verging, es war immer so, als seien wir nicht auseinander gewesen. Ich denke, so ist das wohl bei Freunden oder Leuten, mit denen man gut zusammenarbeitet.
Ich hatte also diese wunderbare Freundin und war für ein paar Jahre verheiratet gewesen, bevor diese Ehe in die Brüche ging. Ich traf dann diese wunderbare Frau und verliebte mich in sie. Ich mochte auch ihre Familie und sie mochten mich. Das einzige Problem war, dass ihr Vater Kubaner war, und als ich zum ersten Mal mit ihr ausging, wartete er auf uns, bis wir nach Hause kamen und sagte:
„Ich möchte mit dir reden. Wieso hast du Interesse an meiner Tochter?“
„Sie ist eine wunderbare Frau, und ich möchte mit ihr zusammen sein.“
„Wenn du mit ihr zusammen sein möchtest, dann solltest du besser darüber nachdenken, sie zu heiraten.“
Das waren dann also die Regeln, aber es störte mich nicht allzu sehr, ich dachte, es sei ohnehin Liebe auf den ersten Blick. Aber irgendwie machte ich gerade einen solchen Prozess der Selbst-Evaluation durch, ich fragte mich, was wohl mit mir alles nicht stimmt. Ich sprach mit ihr darüber und es ging so über Jahre, ihr Vater wurde schon ungeduldig. Schließlich sagte sie: „Tommy, heirate mich oder ich gehe.“ Es klang wie eine Drohung, aber sie ist nicht diese Art Mensch, sie ist sehr liebenswert, schön und clever. Ich wusste, was sie damit sagen wollte, als ich es hörte. Ich forschte in meinem Herzen, aber ich konnte es einfach nicht tun. Es ging einfach nicht … Ich dachte trotzdem nicht, dass sie mich verlassen würde, aber sie tat es. Und dann war sie weg und ich war untröstlich.
Als sie weg war, dachte ich, ich werde jemand anderen finden … aber es gab niemand anderen. Ich hatte einige Verabredungen mit wunderbaren Frauen, es war nichts an ihnen auszusetzen, aber jedes Date war nichtssagender als das vorherige. Aber es lag nicht an ihnen, es lag an mir. Ich weiß nicht, ob du jemals so aufgebracht warst, dass du laute Selbstgespräche geführt hast, aber ich war es. Ich fuhr den Pasadena Freeway entlang, kam von einem dieser nichtssagenden Verabredungen, es war 1977, und ich fing an, mit mir selbst zu sprechen: „Hey! Weißt du was? Sieh, sie war da, sie hat dich geliebt, ihre Familie hat dich geliebt, sie wollte dich heiraten, und du hast „Nein“ gesagt! Jetzt komm damit klar! Sie ist raus aus deinem Leben!“ (She’s out of your life!).
Ich habe schon viele Songs geschrieben, und jedes Mal ist es anders, eine Frau, ein Mitglied meiner Familie, sie hat zwölf Kinder, und sie sagte einmal zu mir: „Jede Geburt ist anders.“ So ist es auch mit Songs. Manchmal kommen sie mit dieser kleinen, leisen Stimme, du hörst es und denkst „Oh“. Dann irgendwann bist du plötzlich in der richtigen Stimmung und dann wächst und wächst es … Aber als ich diese Worte „She’s out of my life“ sagte, kam es mit dem Getöse eines betrunkenen Cowboys, der die Saloon-Türen zuschmeißt! Boom! Und plötzlich kam der ganze Song! Es ging „She’s out of my life / She’s out of my life / I don’t know whether to love or cry / I don’t know whether to live or die / And it cuts like a knife / She’s out of my life“
Das alles kam ganz schnell. Ich sagte es mir dann ständig vor, weil ich ja auf dem Freeway fuhr. Ich hatte schon als Kind gelernt, eine Idee sofort aufzuschreiben, wenn sie zu mir kam. Ich schreibe es immer sofort auf, dann habe ich keine Probleme mit meiner Erinnerung. Aber ich war am Fahren, und dachte, dass ich es sicher vergessen hätte, bis ich zu Hause wäre, deshalb habe ich es immer wiederholt, und auch die Melodie war schon da. Ich hörte die Melodie und den Text gleichzeitig. Und dann kam auch der zweite Vers:
„It’s out of my hands / To think for two years she was here / And I took it for granted / I was so cavalier …“ Als das Wort „cavalier“ (hochmütig) kam, dachte ich: „Wow, das Wort sagt einiges.“ Als Quincy später die Zeile „And I took it for granted“ hörte, meinte er, es ist besser, du sagst „I took her for granted“, und ich stimmte zu. Dann ging es weiter mit der Bridge: „Now I’ve learned that love’s not possession / And now I’ve learned that love won’t wait / Now I’ve learned that love needs …“ An der Stelle fiel mir kein Wort ein, und ich ließ es einfach frei. „But I’ve learned too late / And she’s out of my life …“ Und das hier sind die original Lyrics: „Damned indecision and cursed pride / Kept my love for her deep inside / Instead of being my wife / She’s out of my life.“

Das war kontrastreich. Wenn ich solche Dinge schreibe, und sie einfach so zu mir kommen, merke ich, dass sie gut sind, aber gebe nicht mir selbst die Lorbeeren dafür, ich denke bloß: Ohh, das ist cool!“ (lacht) Ich kam also zu Hause an, und das Lied war fertig, und in mancher Hinsicht ist es kein einfacher Song: Er hat verminderte Akkorde, was schwierig ist, und die Bridge geht in eine andere Tonlage über, und kommt daraus auf wunderbare Art hervor. Aber ich schreibe das nicht meinem Konto gut, es war einfach so, als ich es hörte und ich habe es nur ausgeführt.
Das fehlende Wort „expression“ kam erst später dazu, durch einen Freund von mir, (Ted Robinson), der eigentlich Golfplätze plant. Wir verbrachten einen Abend zusammen, er kam zu mir und ich sagte: „Ich muss noch kurz unter die Dusche. Mach’s dir gemütlich.“ Er ging rüber zum Piano und sah die Lyrics dort liegen, und sah die Linie an der Stelle, wo ein Wort fehlte. Als ich schließlich kam, sagte er: „Dir fehlt noch eine Textzeile, würde das Wort „expression“ nicht gut passen?“
„OH ja! Das ist super, Danke dir! Du willst jetzt hoffentlich nicht als Co-Autor aufgeführt werden?“
„Wo denkst du hin! Das ist ein Geschenk an dich.“
So kam es dazu.
Brice Najar: Wie kam es, dass She’s Out Of My Life schließlich auf Off The Wall kam, obwohl du in deinem Buch geschrieben hast, dass es zuerst für Frank Sinatra gedacht war?
Thomas Bähler: Mein Publisher war ATV Music, und ich hatte viel für sie gearbeitet. Das ist der Musikverlag, den Michael Jackson später gekauft hat, aber zu der Zeit gehörte er ihm noch nicht. Ich war mit deren Präsidenten eng befreundet, und als er ging, kam ich mir dort ziemlich verloren vor. Ich hatte mit den anderen nie ein wirklich enges Verhältnis, ich habe auch nie direkt für sie gearbeitet. Ich bin immer zu Sam Trust, der dort Präsident war, und sagte zu ihm: „Hey, hör dir mal diesen Song an!“ Und er rief dann: „Hey Leute, kommt mal rüber und hört, was Tommy bringt!“ Aber als er dann nicht mehr da war, war die Stimmung anders. Ich kam also dorthin, und wusste, dass dieser Song ein Hit sein würde. Ich sagte: „Hey Leute, kommt mal her, ich möchte euch diesen neuen Song vorspielen!“. Ich spielte den Song … und es kam keine Reaktion.
„Habt ihr nicht richtig zugehört?“
„Oh Tom, das ist nur eine dieser Balladen, und wir suchen keine Balladen. Wir suchen diese und jenes …“
„Das ist ok, aber habt ihr den Song denn nicht gehört?“
„Nein, nicht wirklich.“
„Ok, bei allem Respekt, dann bin ich jetzt wohl zum letzten Mal in eurem Büro gewesen.“
Mir war klar, dass sie dieses besondere Etwas, was für mich ganz offensichtlich war, einfach nicht gehört hatten. Zumindest einer von ihnen hätte etwas sagen können, das war Steve Stone, mit dem ich befreundet war, aber er war an dem Tag nicht dabei. Er hätte sicher gesagt: „Macht ihr Witze? Ich liebe diesen Song!“ Aber so ging ich mit einem schlechten Gefühl, weil ich zwar wusste, dass es etwas Besonderes war, aber gerne eine Bestätigung bekommen hätte.
Ich hatte für Cher Living In a House Divided geschrieben, er wurde von Snuff Garret produziert, der auch mit Barbra Streisand und Sinatra arbeitete. Sein Büro war ein Stockwerk weiter oben, also ging ich hoch zu ihm und sagte an der Rezeption, ich hätte einen neuen Song für ihn. Er kam aus einem Meeting und ich spielte ihm den Song am Piano vor. Er sagte:
„Wow! Das ist ein Knaller! Mit wem würdest du gerne daran arbeiten?“ „Also ich kann da einen Mann mit Erfahrung hören, einen Mann, der schon viel erlebt hat. Ich hätte gerne, dass Frank Sinatra das singt.“
„Ok, wir machen das nächste Woche!“
Wir schüttelten uns die Hände und das war es. Ich war beeindruckt, denn ich wollte schon immer einen Song für Frank Sinatra schreiben. Aber an dem Punkt der Geschichte kommt Quincy Jones ins Bild und es ist, als hätte er eine Art sechsten Sinn gehabt. Ich glaube das, denn ich schrieb den Song an einem Donnerstagabend, freitags spielte ich ihn dem Publisher und Snuff vor. Dann ging ich nach Hause, und am Samstagmorgen klingelte das Telefon, und es ist Quincy:
„Nad, bist du am Schreiben?“
„Ja, gerade Donnerstagabend habe ich einen Song geschrieben.“
„Und, wie ist er?“
„Ich denke, das wird ein Hit!“
„Komm doch rüber und spiel ihn mir vor!“
Ich setze mich also ins Auto und fuhr zu seinem Haus, am Stone Canyon, wo er zu der Zeit wohnte. Er hatte mit Peggy zusammen ein wundervolles Haus im spanischen Stil, mit einem Gästehaus, das er als Büro nutzte. Darin gab es ein Fender Rhodes Piano und dahinter ein Sofa. Er setze sich auf das Sofa und sagte: „Spiel mir das Lied vor!“ Ich spielte und er sagte: „Spiel es noch einmal!“ Ich spielte es noch einmal. Das ging achtmal so und er sagte sonst kein Wort! Dann sagte er:
„Weißt du, wie wichtig dieser Song ist?“
„Ja, ich denke, es ist ein Hit!“
„Es ist mehr als das. Was sollen wir damit tun, was denkst du?“
„Na ja, ich habe gerade mit Snuff vereinbart, dass er ihn mit Frank Sinatra aufnimmt.“
Jetzt kommt eine von Quincys typischen, brillanten Bemerkungen:
„Sinatra würde ihn in jedem Fall aufnehmen, und ich weiß, dass Snuff großartig ist. Aber weiß er auch, dass du dabei Co-Produzent sein willst?“
„Oh, du weißt, das würde er nicht tun!“
„Aber ich würde es tun! Wir werden es zusammen produzieren und du weißt, Snuff würde sich nicht darauf einlassen.“
„Ja, aber ich hab’ mit ihm schon einen Deal vereinbart.“
„Ja, du hast mit ihm ausgemacht, es zu produzieren, aber nicht, dass du dabei Co-Produzent bist. Ruf ihn an!“
Ich rief ihn zu Hause an, und mit Quincy neben mir sagte ich:
„Hi Snuff, ich bin hier gerade bei Quincy, hab ihm gerade She’s Out Of My Life vorgespielt, und er hat ein paar Ideen dazu.“
„Schade, denn wir beide haben schon eine Abmachung.“
„Ich weiß das. Aber was sagst du, wenn ich es mit dir zusammen produzieren möchte?“
„Zum Teufel nein! Ich werde es nicht mit dir koproduzieren!“
„Quincy würde aber!“
„Ja, kann sein, aber wir haben eine Vereinbarung.“
„Ich weiß, Snuff. Aber ich würde den Song gerne mit dir oder Q koproduzieren. Aber wenn du nein sagst, hätte ich einen Vorschlag. Ich würde dir einen Teil der Publishing-Rechte geben, als Ausgleich. Du müsstest also nichts tun und bekämst trotzdem ein Stück von dem Song, als Entschädigung für unsere Abmachung.“ „Das wäre ok.“
„Super, danke!“
Ich legte auf und sagte: „Quincy, mit wem werden wir es aufnehmen?“
„Ich habe eine Ahnung.“
„Was? Ich habe gerade Sinatra aufgegeben und du sagst mir, du weißt nicht, mit wem du es aufnehmen willst?!“
„Nad, vertrau mir. Ich verspreche dir eine unvergessliche Aufnahme.“
Dann hatten wir dieses Lied zwei Jahre auf Eis liegen, obwohl wir wussten, dass es ein Hit ist. Ich hatte schon ein paar andere Erfolge im Musikgeschäft, deshalb fragte ich nicht: „Wo bleibt mein Geld?“, aber ich dachte schon manchmal: „Oh Gott, ob das wohl die richtige Entscheidung war?“ Aber ich habe dennoch nie wirklich gezweifelt, denn ich vertraue Quincy vollends. Es war sogar so, dass sich ein paar Leute für den Song interessierten, aber dann doch entschieden, ihn nicht aufzunehmen. Als Quincy dann begann, mit Michael zusammenzuarbeiten, und jeden Tag von ihm angerufen wurde, sagte Michael zu ihm: „Ich wünschte, du wärst mein Vater.“ Das sagte Quincy zu mir, und es hat mich nicht überrascht, denn Quincy ist ganz anders als sein Vater. (Joe) Aber Michael sagte auch: „Ohne meinen Dad wäre ich nicht Michael Jackson.“ Er hat ihn also schon respektiert, und es war eher seine Art, Quincy zu sagen: „Du bist so cool, ich wünschte, du wärst mein Vater.“ Und Quincy ist einfach so, sehr warmherzig …
Eines Tages sagte Quincy zu mir: „Michael möchte, dass ich sein Produzent werde.“ Und ich antwortete: „Das ist eine Verbindung, die der Himmel schickt! Ich kann mir niemand besseren vorstellen, als dich!“
Viele Leute wissen nicht, dass Quincy in den Sechzigern einige der wildsten Platten produzierte, It’s my Party, und alle Hits von Lesley Gore. Er war damals Vizepräsident bei B&R, Mercury Records, aber die Leute denken immer, er sei ein Jazz-Musiker, vor allem, weil seine eigenen Alben sehr Jazz-orientiert waren. Aber Quincy hat diese besondere Art, Dinge aus den Leuten hervorzubringen, Dinge, von denen sie selbst nicht wussten, dass sie sie haben – das ist Teil seiner Genialität! Er erschafft dir einen Rahmen, in dem du alles tun kannst, was du möchtest, eine Art Sound-Box. Aber es gibt da eine Grenze, und über die lässt er dich nicht gehen, weil er weiß, dass du dann nicht mehr du wärst. Für mich ist er der größte aller Produzenten. Es gibt sicher ein paar andere, die auch dieses Talent haben, David Foster, oder Sniff zum Beispiel, aber keiner ist darin besser, als Quincy.
Etwa einen Tag später rief er mich dann wieder an und sagte:
„Ich habe Michael She’s Out Of My Life vorgespielt.“
„Warum hast du das gemacht?“
„Weil ich dachte, es wäre fantastisch! Und weißt du was, er liebt es!“
„Wow, er liebt es wirklich? Aber Quincy, seine letzte Ballade handelte von einer Ratte… und mir hat sehr gefallen, wie er sie sang, aber ich weiß nicht, ob ich der Nachfolger von einem Song über eine Ratte sein möchte.“
Und Quincy sagte zu mir: „Das verstehe ich, Nad, aber dieser Song lässt Michael fühlen wie ein Erwachsener.“
Brice Najar: Wie weit konntest du selbst deine Komposition mit Michael besprechen? Warst du wie eine Art Regisseur oder Drehbuchautor? Wenn über das Aufnehmen dieses Songs gesprochen wird, werden oft die echten Tränen erwähnt. Haben sie dich überrascht? Hast du je mit ihm darüber gesprochen?
Thomas Bähler: Ich wusste, dass Michael es liebte und wunderbar singen würde. Er arbeitete ständig daran. Deshalb gibt es auch dieses Demo, veröffentlicht auf This Is It, das er mit einem Gitarristen zu Hause in Hayvenhurst aufnahm. So hat er sich diesen Song erschlossen. Und eines Tages sagte er zu mir:
„Ich möchte mit dir über die Single sprechen, ich habe da ein kleines Problem. Weißt du, diese Textzeile: „Instead of being my wife“, das ist nicht wirklich meins. Ich bin erst 19 und habe noch nicht mal über Heiraten nachgedacht.“
„Kein Problem damit, ich werde mir etwas anderes für dich einfallen lassen.“
„Oh, weißt du, diese Zeile „And it cuts like a knife“ in der ersten Strophe, die ist sehr stark. Wäre es ok für dich, sie auch für das Ende des Songs zu nehmen?“
„Aber natürlich!“
So war das. Aber ich hörte nie, wie er das sang, bis zu dem Tag, als wir es im Studio aufnahmen. Wir waren in Allen Zentz Studio in der Sycamore Avenue, ein großartiges Studio, in dem Bruce Swedien sehr gerne arbeitete, weil es hervorragend ausgestattet war. Wir haben dort den Gesang und die Rhythm-Section aufgenommen. Wir bereiteten die Aufnahme vor, und Quincy gefiel, wie ich es am Piano spielte, auch wenn ich kein Pianist bin. Aber es hat immer etwas Besonderes, wenn der Komponist seine eigene Musik spielt. Ich hatte es in der Tonart C geschrieben, aber für Michael war es angenehmer, in E zu singen. Ich konnte es nicht in E spielen, deshalb holten wir „Mouse“, Greg Phillinganes, und er arbeitete es um und spielte es … Als Michael dann dazu kam, und die erste Aufnahme machte, weinte er. Es war kein Problem, und er sagte einfach: „Tut mir leid, können wir es noch einmal versuchen?“ Also nahmen wir es noch einmal auf. Wir machten zwölf Aufnahmen, aber für mich war keine davon so gut, wie die erste, und ich denke, Quincy sah es letztlich auch so. Aber zuerst sagte er: „Ich glaube nicht, dass jemand ihm wirklich abnimmt, in diesem Song zu weinen. Wir sollten es ohne das Schluchzen haben.“ Wir versuchten es, aber es hatte nicht mehr diese Magie, und in einer Pause sagte ich zu Michael: „Hast du gerade eine Trennung hinter dir?“ „Nein, ich durchlebe einfach nur diese Lyrics.“
Das war Michael. Und zu der Zeit war er immer noch ein Zeuge Jehovas, weshalb er auch seinen Spitznamen „Smelly“ bekam. Er wollte nicht einmal das Wort „funky“ sagen, weil es zu sehr einem anderen Wort ähnelte. Ich dachte auch, wir müssten eventuell die Zeile „damned indecision“ ändern, weil er sie nicht singen würde. Aber er sang sie, und ich sagte zu ihm: „Ich bin wirklich überrascht, dass du diese Zeile gesungen hast!“ Und er antwortete mir: „Das bin nicht ich, es ist ein Sänger, der einen Song singt.“ Und deshalb musste er auch weinen, als er diese Lyrics durchlebte.
Brice Najar: Warst du dabei, als der Song aufgenommen wurde? Hast du deine Vorstellung davon an Quincy vermittelt? Weil diese Aufnahme auf dem Album mit den wenigsten Instrumenten auskommt, was für eine Quincy Jones Produktion eher eine Ausnahme ist, weil er sonst immer sehr viele Musiker einbezieht.

Thomas Bähler: Es war schon eine außergewöhnliche Erfahrung! Wir hatten den einzigartigen Larry Carlton an der Gitarre. In der Bridge haben wir Louis Johnson am Bass, und er spielte mit sehr viel Feingefühl. Quincy nahm seine besten Arrangeure, weil dieser Song unter allen Liedern, die er mit Michael aufnahm, am wenigsten orchestriert ist, es ist im Grunde nur Michael mit einem Piano. Schon der Anfang des Songs erzeugt diese wundervolle Stimmung, und dann kommt Michael dazu und singt: „She’s out of my life …“ und du bist bereits mittendrin, weil dieses Intro so wundervoll ist, so sanft. In der Bridge kommen dann zu seiner Unterstützung die Streicher dazu, die dann aber wieder verschwinden. Ich könnte mir keine bessere Produktion vorstellen, als die von Quincy. Und trotzdem gefällt mir auch Fosters Version, die er Jahre später mit Josh Groban aufnahm, auch wenn einige meiner Freunde sich darüber aufregen, dass er die Melodie veränderte. Ich regte mich nicht darüber auf, weil er Künstler ist und es war gut. Ich mag, wie er den Song singt und mir gefällt, dass Foster genau das Gegenteil von dem machte, wie Quincy. Er nahm Streicher für den ganzen Song und nahm sie in der Bridge weg, es ist seine Art, Q. zu ehren.
An dem Tag, als Michael den Song im Studio einsang, machten wir Kassetten von all den Aufnahmen und zu Hause hörten wir sie an, um zu überlegen, was wir als Nächstes mit dem Song tun könnten. Plötzlich bekam ich einen Anruf von Joe Jackson, er sagte: „Wenn Michael den Song singen soll, dann muss er auch die Veröffentlichungsrechte haben.“ „Die Rechte stehen aber nicht zur Verfügung.“ „Dann wird Michael den Song nicht singen.“
Ich rief Quincy an und sagte ihm, dass Joe gerade angerufen hatte. Q sagte, damit hätte er schon gerechnet und er würde sich darum kümmern. Später sagte er mir, was er unternommen hatte: Er hatte Joe angerufen und ihm gesagt, She’s Out Of My Life würde dann nicht auf dem Album sein. Und Joe sagte: „Nein, nein, Tommy Bähler hat mich völlig missverstanden! Ich rief ihn nur an, um zu sagen, wie sehr mir der Song gefällt!“ Es war wirklich witzig. Und was es für mich noch lustiger macht ist, dass Michael, nachdem er später den ATV Katalog gekauft hatte, jetzt ohnehin einen Teil dieser Rechte besitzt.
Brice Najar: 2009 wurde das Demo veröffentlicht. War das eine Art Test-Aufnahme, ohne die Garantie, dass der Song auf das Album kommen würde? Oder war das eher eine Version, die als eine Art „Aufwärmübung“ gemacht wurde?
Thomas Bähler: Wie ich schon erwähnte, bei dieser Aufnahme war ich nicht dabei. Das ist Michael, auf Hayvenhurst, während er den Song lernt. Es gab nie den Plan, ihn mit Gitarrenbegleitung aufzunehmen, und ich erinnere mich auch nicht mehr daran, wer dort spielte, weil ich nicht dabei war. Da sind auch ein paar Textstellen, die Michael singt, die nicht in der späteren Aufnahme sind. Das war die Art, auf die Michael arbeitete und weshalb er zu Hause ein vollausgestattetes Studio besaß. Er war der größte Perfektionist, der mir je begegnet ist, und so perfektionierte er seine Performance. Ich wusste nicht einmal, dass dieses Demo existierte, weil auf dem, was ich ihm gab, war ich mit Klavierbegleitung zu hören, und ich hatte es im Studio meines Bruders aufgenommen. Ich denke, er hat es wohl zur Übung aufgenommen.
Brice Najar: Wie fühlt es sich an, ein so persönliches Stück geschrieben zu haben, was dir jetzt aber nicht mehr wirklich gehört, und das der Song mittlerweile zum Klassiker unter MJ Fans, aber auch in der Öffentlichkeit, geworden ist.
Thomas Bähler: Ich bin absolut begeistert! Denn ich denke, dass jeder Künstler, egal, wie er sich ausdrückt – als Poet, als Maler, als Bildhauer, als Musiker oder Schriftsteller – seine Kunst als eine Möglichkeit sieht, seine Gefühle mit anderen zu teilen. Es stimmt, es war ein sehr persönlicher Song, und jemand anderes hätte vielleicht Probleme damit, ihn zu teilen, aber ich bin in der Beziehung sehr offen, das ist einfach meine Art. Ich bin nur ein Durchschnittstyp: Ich fühle genauso, wie andere Menschen fühlen. In der Beziehung sind wir alle eins. Vielleicht fühle ich nicht genau so, wie eine Frau fühlen würde, aber auf ihre Art würde sie ähnlich empfinden, aber ich denke, ich kann nachvollziehen, wie Männer fühlen. Wenn ich mich ausdrücke, dann mache ich das so ehrlich, wie möglich, und das funktioniert am besten. Wenn ich versuche, einen Song zu fabrizieren, ist es noch nie ein Hit geworden. Es muss direkt aus dem Herzen kommen. Ich liebe dieses Zitat von Picasso: „Ein Gemälde ist nie vollendet. Wir haben nur aufgehört zu malen.“
Brice Najar: She’s Out Of My Life ist auch zu einer besonderen Performance bei MJs Solokonzerten geworden, aber auch schon mit den Jacksons. Es wurde von 1981 bis 1993 während vier Tourneen aufgeführt. Du hast sicherlich einige Konzerte von Michael gesehen, und deine Komposition live erlebt. Wie fühlt sich das an?
Thomas Bähler: Ich habe ein paar Konzerte gesehen. Ich sah die Victory Tour und als Sheryl Crow ihn bei der Bad-Tour begleitete. Als Sheryl Crow aus Missouri nach LA kam, war mein Bruder der Erste, der sie engagierte, sie ist ein wunderbarer Mensch und eine große Künstlerin, und wir waren hocherfreut, als sie den Job bei Michael bekam, nachdem Siedah sich entschieden hatte, nicht auf die Tour zu gehen. Ich sah es also 2 oder 3 Mal. Und natürlich war es wundervoll zu hören, wie das Publikum schon bei dem Intro jubelte. Ich dachte mir: „Wie wunderbar, dass etwas, was aus meinem Unterbewusstsein kam, einen solchen Wiedererkennungswert hat.“ Und natürlich ist es so, dass Michael diesen Song zu einem Ereignis machte! Er war ein so begnadeter Künstler, mit so vielen Facetten und es war seine Genialität, dass er zu diesem Song ein Mädchen zu sich auf die Bühne holte. Es war wundervoll und die Leute waren begeistert! Er machte es so persönlich und jeder wollte dieses Mädchen sein, das er im Arm hielt. Er hätte den Song einfach nur singen können, und das Publikum hätte ihn auch geliebt, aber er machte daraus etwas Unvergessliches. Es war einfach ein zusätzlicher Genuss zu sehen, wie dieses Genie über den Song hinausging und daraus ein Event machte. Der Song wurde zu einer Art Wahrzeichen und ich liebe es, dass She’s Out Of My Life seine Lieblingsballade war, und seine „Signature-Ballad“, wie er sie nannte.

Brice Najar: Noch eine letzte Frage zur live Performance von She’s Out Of My Life: Sie inspirierte Eddie Murphy dazu, eine Parodie zu machen, was denkst du darüber?
Thomas Bähler: Oh, ich liebe Eddie Murphys Parodie! Er hat es wirklich drauf, sie ist so lustig. Michael wusste, was sein Publikum wollte, und erschuf ein Drama. Niemand hat je über diesen Song gelacht, oder über Michael, aber die Leute lachen mit ihm. Um die Leute glücklich zu machen, hat er alles von sich gegeben, damit sie diese Erfahrung machen konnten, das ist sehr selbstlos und wunderbar. Mir gefiel, dass Murphy das machte, weil er einer der maskulinsten Typen ist. Aber um parodiert zu werden, musst du großartig sein, ansonsten wird dich niemand parodieren. Es war das Gleiche mit „Eat It“ anstatt „Beat It“, von Weird Al Yancovic. Es war zum Lachen und sehr cool. Eine Imitation ist eine aufrichtige Form, jemanden zu schmeicheln. Bevor es solche Copyright Regelungen gab, hat sich niemand daran gestört, wenn du sie imitiert hast, aber jetzt ist das anders. Ich will nicht beurteilen, ob das falsch oder richtig ist, aber so ist das heute.
Brice Najar: Lass uns über Beat It sprechen, wo du auch Credits für das Synclavier bekommen hast. Kannst du uns mehr über deinen Beitrag zur Komposition dieses Songs erzählen?
Thomas Bähler: Das Synclavier war der erste computergesteuerte Sequenzer, eine Möglichkeit, ohne Band aufzunehmen. Als das Instrument auf den Markt kam, bekam ich von Don Dorsey, mit dem ich viele Jahre zusammengearbeitet hatte, eines der Ersten. Don brachte mich also zum Synclavier, er sagte, ich solle es einschalten und etwas spielen, also schaltete ich es an und spielte. Dann sagte er: „Drück noch einmal!“ Und es spielte es einfach erneut! Ich sagte „wow“, denn das war überwältigend. Heute ist es nichts Besonderes mehr, aber damals war es das erste Mal, das so etwas möglich war! Ich glaube, 1982 kaufte ich mein eigenes Synclavier und es war Nr. 22 aus dieser Reihe. Es kostete damals 55.000 $, dafür konntest du dir ein Haus kaufen, oder jedes Auto, aber ich glaubte an dieses Instrument und es endete damit, dass ich Berater für diese Firma wurde und dabei half, ihren Laden in LA aufzubauen. Ich arbeitete auch bei der Sigfried und Roy Show in Las Vegas, und alles wurde mit dem Synclavier gespeilt. Dann machten sie bei Synclavier eine Demo-Aufnahme, und sie fragten mich, zu wem sie sie schicken sollten. Ich gab ihnen eine Liste mit Leuten: Quincy Jones, Michael Jackson … So bekam Michael diese Aufnahme und er hörte einen Sound darauf, den er mochte. Als er dann an Beat It arbeitete, rief er mich an und sagte: „Hey, du hast doch ein Synclavier? Ich möchte diesen Sound für den Anfang von Beat It haben.“ Ich hatte schon von Beat It gehört, weil Quincy mir aufgeregt mitgeteilt hatte: „Smelly hat einen Rock-n-Roll Song geschrieben!“ Wir brachten also mein Synclavier ins Studio und spielten.
Und jetzt kommt ein Beispiel, an dem man sieht, wie feinfühlig Smellys Gehör war. Ein digitales Instrument spielt immer den gleichen Sound, während das bei einem analogen Instrument nicht so ist, weil es von verschiedenen Umständen abhängt und deshalb es leicht unterschiedlich sein kann. Aber nicht bei einem digitalen Instrument. Ich spielte also diesen Sound und er sagte: „Das ist er nicht!“ „Doch Michael, das ist der gleiche Sound, lass mich die Aufnahme hören.“ Ich hörte sie an und sagte: „Das ist das gleiche!“ Und ich spielte es noch einmal, und er sagte: „Ja, es ist ziemlich ähnlich, aber es ist nicht gleich …“ Und dann kam Bruce Swedien dazu und sagte: „Ok, ich habe verstanden. Gib uns eine Minute Zeit.“ Alle gingen raus und Bruce sagte zu mir: „Spiel weiter.“ Und er glich den Sound ab, bis er sich genau so anhörte, wie die Demoversion, die Michael gehört hatte. Michael kam wieder zurück ins Studio, ich spielte es und er sagte: „Ja, genau das ist es!“
Michaels Gehör war einzigartig! Ich meine, meine Ohren sind schon ziemlich gut, aber ich konnte das nicht hören! Michael ist auf einem ganz anderen Level. Auf der Demo Aufnahme ging das Intro so (imitiert das Intro) und genau das sollte ich für Michael spielen, so einfach war das. (lacht) So kam dieser Sound auf seine Platte.
Brice Najar: Wie war das für dich, als Songwriter und Komponist, als dein Song 1995 auf das HIStory Album kam? War es wie eine Art zusätzliche Belohnung, 18 Jahre, nachdem du ihn geschrieben hattest? Gefällt es dir, dass dieses Lied nach all den Jahren noch immer in Jacksons musikalischem Repertoire weiterlebt?
Thomas Bähler: Oh, für mich war es aufregend, denn es fühlte sich an, als sei ich Teil seiner musikalischen Familie. Es bestätigte auch mein Gefühl, dass dieses seine emotionalste Ballade war, und ich wusste das, als er sie in seinen Konzerten aufführte, weil es solch eine tolle Darbietung war. So wie er She’s Out Of My Life performte, war der Song 7 – 8 Minuten lang und wurde zu einem ikonischen Augenblick. Als er auf das HIStory Album kam, war ich absolut begeistert, natürlich!
Brice Najar: Kannst du mit uns ein paar Erinnerungen an die Sessions während der HIStory Zeit teilen?
Thomas Bähler: Das war die Zeit mit Brad Buxer und eine meiner liebsten Geschichten aus der Zeit über ihn und Michael ist, als sie mich fragten, ob ich ein Arrangement für 44 Stimmen machen könnte. Warum es genau 44 sein sollten, weiß ich auch nicht, aber ich habe es gemacht, in jedem Abschnitt 11 Stimmen. Wir haben es im Record Plant Studio aufgenommen und Michael hat es über das Telefon gemacht, was sehr beeindruckend war. Leider erinnere ich mich nicht an den Titel des Songs, weil wir an so vielen Sachen gearbeitet haben, es ist, als hättest du 300 Kinder, und solltest dich an alles erinnern. Aber ich erinnere mich genau daran, wie es ablief. Drei Tage später rief Michael mich an und sagte: „Hey, ich habe eine Idee!“ Also ich habe nie ein demotivierendes Wort aus Michaels Mund gehört. Er hätte nie gesagt: „Das ist jetzt nicht so geworden, wie ich es wollte.“ Stattdessen sagte er: „Mir gefällt ausgezeichnet, was du mit dem Chor gemacht hast, aber ich frage mich, wie es werden würde, wenn wir beide zusammen ins Studio gingen und noch einmal an einem dieser Teile arbeiten würden? Nur du und ich?“ Und das taten wir. Wir gingen ins Studio und verbrachten acht Stunden damit, zusammen zu singen. Wir machten bestimmt 50 Aufnahmen, und wir sangen im Gleichklang. Sosehr ich es auch liebe, mit meinem Bruder zusammen zu singen, singen mit Michael war besser! Und das Gleiche sagte mein Bruder zu mir, als er mit Michael sang! An diesem ganzen 8-Stunden-Tag haben wir nichts gegessen, wir tranken Wasser, haben gesungen und gelacht. Und Michael machte niemals einen Fehler! Er verfehlte nie die Tonhöhe oder den Rhythmus, all seine Einsätze passten genau und all seine Abschlüsse waren auf den Punkt genau. Ich bin darin auch ziemlich gut, aber ich lag ein paar Mal daneben, und er lachte! Wir lachten an diesem Tag wirklich viel. Und ich würde wirklich gerne diesen Song finden, um ihn zu hören, weil ich nicht glaube, dass er so herauskam. Wenn ich für Michael Arrangements machte, war es oft so, dass er das auf 3 – 4 verschieden Arten mit anderen Gruppen von Leuten machte, manchmal war ich nicht einmal Teil davon. Es war typisch für ihn, Dinge mehrmals zu tun, und das schreckte Sony ab, denn er gab viele Millionen für seine Alben aus.
Wegen dieser Geschichte sollte ich unbedingt einmal mit Brad sprechen, denn er war mittendrin, und erinnert sich vielleicht.
Wenn ich ins Studio ging, um an solchen Dingen zu arbeiten, fragte ich nie, was wir tun würden, oder wofür es sein würde. Ich wollte Michael einfach nur das geben, was er sich vorstellte, weil es unmöglich war, das auf ein Papier zu übertragen. Ein Blatt Papier ist nur eine Blaupause, all die feinen Nuancen und die Farbe entstand dadurch, dass wir zusammen daran arbeiteten. Es war wirklich immer, als ob ich bei einer Geburt dabei war … so wurden Dinge auf die Welt gebracht. Mit dem, was später geschah, hatte ich nichts zu tun, das war nicht mehr in meinem Fokus.

Brice Najar: Am Invincible Album gibt es ein ähnliches Projekt: The Lost Children, bei dem du den Kinderchor dirigiert hast. Es scheint ein sehr persönlicher Song gewesen zu sein, da nur MJ als Komponist aufgeführt ist, etwas, was auf Invincible selten vorkommt. Du warst Teil von diesem Song-Projekt, denkst du, Michael wollte dabei nur mit vertrauten Personen zusammen arbeiten?
Thomas Bähler: Ich könnte mir denken, dass es so war, aber ich redete nicht mit ihm über solche Dinge. Ich habe nie gefragt: „Warum hast du das geschrieben?“ Oder: „Um was geht es hier?“ Unsere Verbindung war musikalischer Natur und freundschaftlich. Auf dieser Ebene hatten wir eine tiefe Beziehung, aber wir redeten nicht über Familie, obwohl ich auch seine Brüder kannte. Diese Dinge kamen nie auf. Bei allem, was wir zusammen machten, ging es um die Umsetzung seiner musikalischen Visionen.
Brice Najar: Wie erklärst du dir, dass du über 35 Jahre mit Michael zusammengearbeitet hast? Denkst du, dass die emotionale Verbindung dabei so wichtig war, wie die professionelle?
Thomas Bähler: Michael war sehr loyal. Wir arbeiteten 39 Jahre lang für ihn, weil wir seine Visionen in das umwandeln konnten, was er hören wollte: Das ist, was die Leute um ihn herum taten. Er war der überzeugendste Mensch, den ich je in meinem Leben kennengelernt habe.
Es war eine Bindung. Es ist meine Art, und bei vielen Leuten, die ich kenne, ist es ähnlich. Bei Michael, oder auch bei Quincy Jones. Ich spürte diese Verbindung mit Michael sehr stark und ich weiß, bei meinem Bruder war es auch so. Es war für beide Seiten vorteilhaft, wir hätten sonst sicher nicht so viel Zeit zusammen verbracht. Bei allen Leuten, mit denen ich an aussagekräftiger Musik gearbeitet habe, gab es diese Bindung, z. B. auch bei Siegfried & Roy. Du musst eine persönliche Bindung haben, Dinge, die man an dem anderen schätzt, etwas, was über den Künstler hinausgeht: Es geht dabei um die Menschen, z. B. auch um den Mensch als Vater … und ich liebte Michael als Vater. Ich sprach nie mit ihm darüber, Vater zu sein, ich spürte es einfach.
Als er diese This Is It Show zusammenstellte, haben mein Bruder und ich nicht damit gerechnet, dass wir angerufen würden, obwohl es uns nicht überrascht hätte, denn es wäre typisch für ihn gewesen.
Ich erinnere mich an das einzige Mal, dass ich ihm absagen musste, weil ich nicht konnte, und er wirklich aufgebracht war und sagte:
„Oh Tommy! Du musst das machen! Du musst einfach!“
„Michael, wenn es irgendwie möglich wäre, dann wäre ich sofort dabei. Aber das Problem ist, dass ich dazu ein paar andere Leute im Stich lassen müsste, und das kann ich einfach nicht.“
„Das verstehe ich, aber kannst du da gar nichts machen?“
So war es immer mit ihm, er war aufgebracht, aber auf eine liebevolle Art. Er war enttäuscht, weil es nicht so funktionierte, wie er es wollte, aber er machte das auf eine liebevolle Art deutlich, er versuchte dich zu überzeugen, Teil davon zu sein. Wir hatten wirklich ein gutes Verhältnis. Einer der schönsten Augenblicke mit ihm war in den Westlake-Studios, als ich, nachdem alle anderen schon gegangen waren, noch mit ihm in der Aufnahmekabine war. Ich sagte: „Hey Mike. Wie geht es DIR?“ Und er antwortete: „Ich wünschte, ich könnte einfach in einen Laden gehen …“ Das war ein sehr menschlicher Augenblick, und ich dachte, ja, du bist einfach nur Mensch, und es ist einfach schwer, dieser Mensch zu sein. Wir können das nie wirklich verstehen, auch ich nicht, obwohl ich einen kleinen Eindruck davon erlebte, aber ich denke, wir werden nie verstehen können, wie sich das anfühlt. Mein Bruder kannte ihn noch besser als ich. Das Lustige mit Michael war, dass er mit Brüdern aufgewachsen ist und es deshalb mochte, gestichelt zu werden, und mein Bruder und ich wussten, wann man das konnte, er war dann einfach wie ein Kind und wir stichelten ihn oft!
Übersetzung: M.v.d.Linden
Merci beaucop, Brice Najar!
-
Michael Jacksons Rede | Oxford Union Society | Oxford Speech
Heal The World, Humanitäre Leistungen, Macaulay Culkin, Michael Jackson, Michaels Worte, Paris Jackson, Prince Michael Jackson I, seine Kinder, The Jackson FiveAufforderung, Kindheit zu schützen & wiederherzustellen. Über bedingungslose Liebe & das Recht jedes Kindes, geliebt, geschützt und respektiert zu werden.
-
Michael Jacksons humanitäre Leistungen Teil 1: 1972 – 1989
Beat It, Captain EO, Gone Too Soon, Heal The World, Humanitäre Leistungen, Man In The Mirror, Michael Jackson, Private Begegnungen, Rock With You, Thomas Mesereau, We Are The WorldMichael Jacksons humanitäre Leistungen sind einzigartig & beeindruckend. Er gab nicht nur Geld, sondern auch seine Zeit, Liebe & persönliche Unterstützung.
-
Michael Jackson und Vitiligo
Warum hat sich seine Hautfarbe so stark verändert? Hat er sich bleichen lassen, weil er sein Aussehen und seine Rasse nicht mochte und weiß sein wollte?
-
Gerechtigkeit für Michael Jackson
Gavin Arvizo und der Prozess 2005, James Safechuck, Jordan Chandler (1993), Leaving Neverland, Macaulay Culkin, Martin Bashir, Michael Jackson, Missbrauchsvorwürfe, Presseartikel, Tom Sneddon, Wade RobsonUmfassende Recherchen zu sämtlichen Kindesmissbrauchsvorwürfen, die jemals gegen Michael Jackson erhoben wurden.
2 Antworten zu „Interview mit Thomas Bähler (She’s Out Of My Life)“
[…] Bähler begann, wie sein Bruder Thomas, mit Michael und den Jackson 5 zusammenzuarbeiten, als sie bei Motown unterzeichneten. Als Musik- […]
[…] „All4Michael“ übersetzte vor einigen Jahren ein Auszug vom Buch „Let’s Make HIStory“: Interview mit Thomas Bähler […]