Buz Kohan über die Zusammenarbeit mit Michael (Gone Too Soon, You Were There, Scared Of The Moon…)
Ein Interview mit Alan “Buz” Kohan und ein Artikel über den Song Gone Too Soon
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Dieses Interview stand in der Ausgabe der Black And White von 2009.
(Vielen Dank für die Übersetzung aus dem Französischen an Hector/Julien/Arnaud und BritBrit)
Buz Kohan ist Produzent, Drehbuchautor, Autor, und Komponist (Gone Too Soon, You Were There, Scared Of The Moon)
Buz Kohan hat mit den Größten zusammengearbeitet: Bob Hope, Frank Sinatra, Luciano Pavarotti, Bing Crosby, Sammy Davis Jr… Somit erschien es natürlich, dass es eines Tages dazu kommen würde, dass dieser Fernsehdrehbuchautor und –Produzent mit dem King Of Pop zusammenarbeiten würde. Als Co-Komponist von mehreren Titeln, darunter Gone Too Soon, You Were There sowie Scared Of The Moon, hatte Buz ein privilegiertes Freundschaftsverhältnis zu Michael, mehr als 30 Jahre lang. Derjenige, dem Michael liebevoll den Beinamen Buzzie Wuzzie gab, hat das Wort…
Michael & Buzzie Wuzzie
Sie trafen Michael zum ersten Mal 1971. Damals waren sie der Drehbuchautor von Goin’ Back To Indiana, eine Sonder-TV-Sendung der Jackson 5. Was war ihr erster Eindruck von ihm?
Was mir an Michael besonders auffiel, war seine Begeisterung und Neugier. Im Laufe meiner Karriere hatte ich das Glück, mit den größten Entertainern wie Bill Crosby oder Frank Sinatra zu arbeiten, und Michael fand es toll, dass ich ihm Anekdoten über sie erzählte. Er wollte verstehen, wie diese Künstler es schafften, derart exzellent zu werden. Was ihn interessierte, war, zu verstehen, was einen großen Künstler ausmacht. Er wollte von den Größten lernen, um der Größte von allen zu werden…
Wann genau schlug Michael Ihnen vor, gemeinsam Songs zu komponieren?
Schon bei unseren ersten Treffen! Michael war beeindruckt von der Tatsache, dass ich Klavier spielen konnte, und dass ich in der Lage war, eine Melodie binnen paar Minuten zu komponieren. Eines Tages, als ich am Klavier improvisierte, kam er zu mir und sagte: „Buz, wir sollten versuchen, gemeinsam Songs zu komponieren!“ Ich nahm ihn nicht ernst, und antwortete ihm: „Mein Sohn, meinst Du nicht, dass Du dafür ein wenig zu jung bist?“ [Lachen] Michael war damals fast noch ein Kind… Doch er legte darauf mehr Wert als auf alles andere, und schließlich, ein Jahrzehnt später, kam es dazu…
Man weiß, dass die Jugendzeit für Michael schlimm war. Ist Ihnen etwas davon bei ihm aufgefallen?
Ja. Er litt furchtbar unter seinen Akneproblemen. Das ging so weit, dass er mir niemals Photos von uns beiden schicken wollte, die jemand damals gemacht hatte. Später verstand ich, inwieweit sein Aussehen ihm ständig Kummer bereitete. Dafür, was ich jetzt sagen werde, stehe ich ganz alleine ein, doch wenn Michael derart häufig auf die plastische Chirurgie zurückgriff, dann deshalb, weil er im Alter seinem Vater nicht ähneln wollte. Ich spürte immer diese Angst in ihm, eines Tages demjenigen zu ähneln, der ihm derart viel Leid angetan hatte…
Später trafen Sie Michael 1983 wieder, bei der legendären Motown 25th – Show. Welche Erinnerung haben Sie an dieses Ereignis, das Michaels Karriere in die Stratosphäre katapultierte?
Die Organisation dieser Show war äußerst kompliziert. Damals hatten die meisten Künstler, die wir eingeladen hatten, Motown verlassen, und etliche unter ihnen hielten wenig davon, zu kommen, um zu singen, da sie der Ansicht waren, dass Berry Gordy sie während ihrer gesamten Karriere betrogen hatte. Michael und seine Brüder gehörten dazu, und bis zur letzten Minute akzeptierten sie nicht, an dieser Würdigung teilzunehmen. Michael akzeptierte, an Motown 25th unter einer Bedingung teilzunehmen: dass er nach dem Medley mit seinen Brüdern alleine auf der Bühne singen durfte…
Billie Jean, Motown 25
Haben Sie im Folgenden gesehen, wie er den Moonwalk probte?
Nein. Michael probte Billie Jean allein bei sich, ohne jemandem zu zeigen, was auch immer daraus werden würde. Selbst an dem Abend wusste niemand, was er machen würde. Wir entdeckten den Moonwalk im selben Augenblick wie die Zuschauer. Ich verfolgte die Darbietung von den Kulissen aus, und war verblüfft, wie alle…
War Michael von seiner Leistung wirklich so enttäuscht, wie er später behauptete?
Wenn Michael von seiner Billie Jean – Darbietung enttäuscht war, dann hat er dies auf jeden Fall gut versteckt! [Lachen] Er sah überhaupt nicht enttäuscht aus. Im Gegenteil, er war sehr glücklich. Alle waren um ihn herum, um ihn zu beglückwünschen… Er schwebte auf Wolke sieben an jenem Abend…
Unmittelbar danach rief Michael Sie an, damit Sie mit ihm Songs schreiben, die für den Film gedacht waren, den er vorhatte, mit Steven Spielberg zu drehen…
Ja, damals hatte Steven ein Filmprojekt über Peter Pan, und Michael wollte natürlich dazugehören. Er träumte davon, diese Figur zu verkörpern, mit der er sich sein ganzes Leben lang identifizierte. Wir komponierten somit gemeinsam einige Songs, bei ihm daheim in Encino, wo er immer noch mit seinen Eltern lebte…
Wurden diese Songs aufgenommen?
Ja. Michael legte absolut Wert darauf, eine unsere Kompositionen Steven Spielberg zu schicken, um ihm zu zeigen, wie intensiv er sich mit diesem Projekt befasste. Und wenn Michael sich in etwas stürzte, machte er nie halbe Sachen. Für eine unserer Demoaufnahmen ließ er folglich an einem Sonntag ein ganzes Orchester antreten – als sämtliche der Musiker normalerweise Wochenende hatten – um den Song am Montag morgen Steven zu schicken! Jahre später erfuhren wir dann, dass Steven die Gewohnheit hatte, dieses Stück seine Kinder hören zu lassen, damit sie abends einschliefen. Dieser Song heißt Make A Wish… Ich hoffe, dass Sie ihn eines Tages werden hören können…
Wie in etwa sah eine solche Sitzung, in der Michael und Sie Songs schrieben, aus?
Am häufigsten setzte ich mich ans Klavier, und spielte einige Akkordideen. Anschließend fand Michael eine Melodie, und wir phantasierten herum, bis wir eine Formel hatten. Wenn er eine genaue Vorstellung davon hatte, was er hören wollte, konnte Michael sehr autoritär sein. Sicherlich war er kein gelernter Musiker, aber er hatte einen instinktiven Verstand, was Musik, was Klänge anbelangte. Manchmal rückte er sehr nah an mich heran, und bewegte einen Finger von mir am Klavier, damit ich die Harmonie spiele, die er in seinem Kopf hörte! Das war lustig… An den Texten arbeiteten wir ebenso eng zusammen…
Michael hätte beinahe an der Sendung zu Ehren von Sammy Davis, in der er You Were There aufführt, nicht teilgenommen, ein weiterer Song, den Sie mit ihm komponiert haben. Können Sie uns erzählen, was passiert ist?
Michael hatte sich gerade einem chirurgischen Eingriff unterzogen, wegen des Unfalls, der sich 1984 beim Dreh des Pepsi-Werbespots ereignete. Diese Operation bestand darin, die Narben auf seiner Kopfhaut zu entfernen, mit einer Methode genannt „Hautexpansion“: Arten von Silikonbällen, die ein Serum freisetzen, das die Oberfläche der gesunden Haut ausdehnen soll, waren unter seiner Kopfhaut geschoben worden. Michael wurde gezwungen, diese Dinger wochenlang unter seinem Schädel zu lassen. Doch was er nicht wusste, oder man hatte es ihm nicht gesagt, war, dass dieser Eingriff sehr schmerzhaft ist. Er hat damals somit in der Zeit, wo der Abend zu Ehren von Sammy Davis stattfand, furchtbar gelitten, so sehr, dass er mir paar Tage davor sagte: „Buz, ich kann nicht singen, ich habe wirklich zu große Schmerzen“.
You Were There – Rehearsal
Warum änderte er letzen Endes seine Meinung?
Ich erklärte Michael, dass Sammy Davis sterbenskrank war, und dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Wenn er also demjenigen eine Ehre erweisen wollte, der soviel für ihn getan hatte, und der eine solche Inspirationsquelle gewesen war, dann war dies die einzige und einmalige Gelegenheit. Ich sagte ihm all das nicht, um ihn zu zwingen, sondern deshalb, weil ich wusste, dass er es später bedauern würde, diese Gelegenheit nicht wahrgenommen zu haben, um Sammy öffentlich zu danken. Folglich schrieb ich You Were There, allein bei mir daheim, da Michael nicht in dem Zustand war, zu arbeiten, und ich stellte ihm den Song am Tag vor der Aufzeichnung der Sendung vor. Michael gefiel der Song sehr, aber er hat ihm einige kleine Änderungen beigesteuert… Am Nachmittag des nächsten Tages, probte er zum allerersten Mal den Song… Auch wenn diese Darbietung unter Zeitdruck vorbereitet wurde, bleib sie eine meiner besten Erinnerungen an Michael. You Were There ist ein ganz besonderer Song, da er rückblickend absolut zu Michael passt…
Michael singt You Were There für Sammy Davis
Das kann man übrigens ebenso auch von Elisabeth, I Love You sagen. Mittels dieser Ehrerbietung an seine Freundin Elisabeth Taylor, scheint Michael von sich selbst zu sprechen…
Das ist absolut wahr. Michael fühlte sich Elisabeth äußerst nah. Er hatte dieselben Prüfungen durchgemacht, und wusste genau wie sie, wie schwer es für einen Kinderstar ist, mit der Beobachtung des Publikums fertig zu werden, das uns nicht wiedererkennt, wenn die Jugendzeit einmal vorübergegangen ist. Michael wusste instinktiv was Elisabeth fühlte, da er dasselbe erlebt hatte. Insofern ist Elisabeth I Love You sowohl ein Song über ihn, als auch über seine Freundin.
Haben Sie Anekdoten bezüglich der Entstehung dieses Titels?
In der Tat, ich glaube, dass Michael und ich, wir uns kein einziges Mal gesehen haben, um dieses Stück zu komponieren. Wir haben alles am Telefon gemacht! Dieser Song war der allerletzte, den wir zusammen komponiert haben…
‘Elizabeth I Love You’, at E.Taylor’s 65th Birthday Gala 1997
Wie war Ihr Verhältnis zu Michael, abgesehen von Ihrer künstlerischen Zusammenarbeit?
Manchmal hörte ich mehrere Monate lang nichts mehr von Michael, trotz meiner Briefe und meiner Nachrichten, und dann, eines schönen Tages, hatte ich ihn plötzlich an der Strippe… Oft mitten in der Nacht. Da er an Schlaflosigkeit litt, rief Michael oft zu unmöglichen Zeiten an. Wenn ich den Hörer abnahm, fragte er mich mit schüchterner, leiser Stimme: „Buz, hab ich Dich aufgeweckt?“ Natürlich hat er mich aufgeweckt, es war mitten in der Nacht! [Lachen] Doch ich war stets zur Stelle, um mit ihm zu sprechen, wenn er das Bedürfnis danach hatte. Wir hatten riesigen Respekt voreinander, und Michael fühlte sich stets sehr wohl mit mir. Eines Tages vertraute er mir sogar an, dass er mich als seinen Adoptivvater betrachtete. Das hat mich natürlich sehr berührt… Ich habe das Glück, sagen zu können, dass Michael mich als einen richtigen Freund ansah, als eine Person, der er voll und ganz vertrauen konnte. Und Menschen von dieser Sorte hatte er nur ganz wenige…
Blieben Sie mit Michael in Kontakt während der letzten Jahre?
Ja sicher. Wir sprachen viel miteinander während der Zeit des zweiten Prozesses, im Jahre 2005. Um ihm Mut zu machen, hatte ich ihm sogar ein Gedicht geschickt, das ich geschrieben hatte, als ich an ihn dachte. Um sich zu bedanken, ließ Michael mir einen Karton liefern, voll mit allen möglichen Geschenken. Darin fanden meine Frau und ich überraschenderweise einen Vogelkäfig, in dem zwei weiße Tauben waren… Michael dachte sogar daran, dort einen Beutel mit Futter hineinzutun, sowie ein Buch, wie man sich um diese Vögel kümmern sollte! Er war der Einzige, der auf solche Ideen kommen konnte! [Lachen] Mit meiner Frau nannten wir sie Billie Jean und Bad. Vor einigen Jahren, ist eine der Tauben leider gestorben. Nun, bei einem Taubenpaar ist es normalerweise so, dass wenn die eine stirbt, die andere ihr wenig später folgt… Doch raten Sie mal, wie es ist: die zweite Taube lebt immer noch, besser in Form als je zuvor! Wenn ihr Gesang mich morgens weckt, denke ich zwangsläufig an meinen Freund Michael…
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‘Rememberance’ – by Buz Kohan’ (2005)
Big storm blowing/ Danger growing
Wind coming up from Every side
Air is filed with Flying objects
No relief/ No place to hide
Fury follows, shaking, breaking
Taking charge/ Complete control
Whirling, swirling, all around me
Trying to destroy my soul
All so senseless/ I’m defenseless
Caugth in a frenzy
Wipped and tossed,
Pushed and shoved and smashed and bashed
When all is chaos, all is lost
More harsh raids/ Resistance fades
I am alone, wind-blown and beat
Wind, you win, I must give in
Now in disgrace, I face defeat
Then, from way off in the distance
There comes a tiny shaft of light
Growing brighter/ Growing lighter
Shinning through the endless night
From a tiny ray of sunshine
There comes a brilliant amber glow
Touching all that comes before it
As I watch it grow and grow
With the sunlight comes the voices
All getting louder/ More intense
Speaking to me/ Pain and anguish
Let the healing now commence
Let the truth emerge before us
Let all the lies be drowned in shame
Let the storm at last disperse to
Clear the air and clear my name
You, my friends you all sustain me
There to defend when I’m attacked
You restore my faith and courage
When the mirror has been cracked
You surround me with your passion
Guiding my steps when I’m unsure
Through your love I’m wrapped in sunlight
Once again I feel secure
For your faith, I make this promise
I shall not fail your trust, I swear
No disaster can destroy me
Long as I know how much you care
Long as I know
Your love is there.
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“Gone Too Soon“: die verschiedenen Leben von Michael Jacksons Elegie
Von Joseph Vogel, 25. Juni 2012
Original-Artikel: ‘Gone Too Soon’: The Many Lives of Michael Jackson’s Elegy
Die Ballade wurde geschrieben, um gefallene Idole zu betrauern, sie wurde von Jackson aufgenommen, um einen verstorbenen Freund zu betrauern und vor drei Jahren wurde sie wieder belebt, um den gefallenen King of Pop zu betrauern.
Als Michael Jackson heute vor 3 Jahren starb, war unter den vielen Songs in seinem Katalog, die mit einer neuen Bedeutung erfüllt wurden, auch die Ballade Gone Too Soon von 1991. Von Usher während Jacksons Gedenkfeier gesungen, hatte dieses Lied auch Jackson schon viele Jahre bevor er es selbst veröffentlichte, fasziniert – und wurde schließlich in Folge tragischer Umstände von ihm selbst aufgenommen. Hier ist die Geschichte hinter dem Song, der immer wieder zu Zeiten öffentlicher Trauer aufgegriffen wurde.
Es war nach Mitternacht an einem Sonntag, als das Telefon im Hause Kohan klingelte. “Sorry, habe ich dich geweckt?” flüsterte eine Stimme in der Leitung. “Ist Buzzie da?”
Es war Michael Jackson, der zu der Zeit auf einer der größten Erfolgswellen ritt, die die Pop-Musik je gesehen hatte. In diesem Monat (Februar 1983) erschien Jackson auf dem Cover des Rolling Stone; Beat It folgte Billie Jean an die Spitze der Charts; seine Videos liefen in Dauerschleife auf MTV; und Thriller verkaufte sich aus den Regalen wie Brot.
“Buzzie” war Buz Kohan, ein renommierter TV-Produzent und Autor (bekannt für seine Beiträge zu Award-Shows und Varieté-Vorführungen, einschließlich dem Motown 25-Special). Jackson lernte ihn kennen, als der Sänger gerade 12 Jahre alt war. Buz lebte in Encino, an der schönen Beaumont Street. Er war ein bekannter Veteran in der Entertainment-Industrie, und die beiden wurden gute Freunde. Jackson fragte Buz endlos über legendäre Figuren wie Bing Crosby, Gene Kelly, Sammy Davis und Fred Astaire aus — die “Großen”, wie er sie nannte. Später arbeiteten sie in Las Vegas eng zusammen, für die Jackson-Familie-Varieté-Show.
“Wir sollten ein paar Songs zusammen schreiben” schlug Jackson noch als Teenager einmal vor. Sie fingen bald an, zusammen zu schreiben und ihre Kollaborationen, Songs wie Scared Of The Moon und You Were There, setzten sich in den nächsten zwei Jahrzehnten fort.
Buz’ Frau Rhea hatte sich an Jacksons Anrufe spät in der Nacht gewöhnt. “Eine Sekunde”, sagte Sie, und gab das Telefon an ihrem Ehemann weiter. Jackson rief in dieser Nacht wegen eines bestimmten Songs an. Früher an diesem Abend hatte er Dionne Warwick zugeschaut (eine gute Freundin), als sie ein Tribute in dem TV-Special “Here’s Television Entertainment.” sang. Es widmete sich vielen Performern, deren Leben zu früh endete — John Lennon, Jimi Hendrix, Janis Joplin und Sam Cooke, u. a. — aber er war vor allem durch den Tod von Karen Carpenter betroffen, die nur wenige Tage zuvor im Alter von 32 gestorben war.
“Bestimmte Sänger tragen die Energie ihrer Zeit in sich”, sagte Warwick. “Sie werden Symbole oder Wegweiser. Sie erinnern uns an unsere Schwächen und müssen kommunizieren… [Heute Nacht] sind wir mit unbeantworteten Fragen zurückgelassen, die gestellt werden, wenn ein großes Talent vor seiner Zeit gehen muss: Warum? Was wäre wenn? Und was hätte sein können?”
Warwick fuhr damit fort, eine bewegte Version eines Songs, der von Buz Kohan zusammen mit Larry Grossman geschrieben wurde, zu singen. Er hieß Gone Too Soon.
Jackson sagte, dass er weinte, als er es ansah. Er war mit der Musik der Carpenters aufgewachsen. Ihre Lieder waren Teil seiner DNA. Aber dieses Lied — darin lag etwas, mit dem er tiefer verbunden war.
In dieser Nacht sagte Jackson zu Buz, er glaube, dass er es eines Tages aufnehmen müsse. “Es gehört dir, wenn du es willst”, sagte Buz. In den darauf folgenden Monaten, waren jedoch andere Projekte wichtiger, einschließlich der Musikvideos für Beat It, und Thriller. Hin und wieder tauchte Gone Too Soon als Tribute bei Charity-Veranstaltungen und Feierlichkeiten auf. Neben Dionne Warwicks Performance wurde es später auch von Patti Labelle und Donna Summer gesungen. Aber es wurde nie in einem Studio aufgenommen.
Jahre später, 1990, sprachen Buz und Jackson am Telefon wobei Jackson einen Jungen erwähnte, mit dem er befreundet war, Ryan White. “Er wird nicht ewig Leben”, sagte Jackson. “Ich möchte etwas Besonderes für ihn zu tun.” Ryan war zu einem Zeitpunkt zu einem nationalen Symbol von AIDS geworden, als die Krankheit noch schwer missverstanden, stigmatisiert und gefürchtet war.
Michael & Ryan White
Ryan, ein Kind aus Kokomo, Indiana, hatte das AIDS-Virus durch eine verunreinigte Bluttransfusion bekommen (Ryan war Bluter). Er wurde dann von seinem Klassenkameraden und der Gemeinde gemieden, verspottet, schikaniert und mit Gewalt bedroht. Schulkameraden nannte ihn einen “Schwulen” und behandelten ihn wie einen Aussätzigen. Mitglieder der lokalen Kirche weigerten sich, seine Hand zu schütteln. Nachbarn auf der Route, wo er Zeitungen austrug, stornierten ihre Abonnements. Schließlich musste er seine Mittelschule verlassen.
Als er die Geschichte hörte, nahm Jackson Kontakt mit Ryan auf und gab ihm Freundschaft und Unterstützung. Sie wurden schnell gute Freunde. Beide kannten das Gefühl anders zu sein so gut, sagten sie, dass es eine Wohltat war, sich für ein paar Stunden in der Gegenwart des anderen “normal” zu fühlen. In den folgenden Monaten haben sie oft am Telefon miteinander gesprochen. Ryan war ein bemerkenswert nachdenklicher, eloquenter und reifer Teenager. Er wusste, dass er von Vielen gehasst und gefürchtet wurde; er verstand, dass er in eine sehr öffentliche Rolle gedrängt worden war; und er wusste, dass er bald sterben würde.
In einem Interview mit Shmuley Boteach erinnert sich Jackson an einen Abend an seinem Esstisch, als Ryan White seiner Mutter erzählte, wie er beerdigt werden wollte: “Er sagte: ‘ Mama, wenn ich sterbe, steckt mich nicht in Anzug und Krawatte. Ich will nicht in Anzug und Krawatte beerdigt werden. Zieht mir in OshKosh Jeans und ein T-shirt an.’ Ich sagte: “Ich muss ins Badezimmer”, und ich lief ins Bad und weinte mir meine Augen aus. Zu hören, wie dieser kleine Junge seiner Mutter sagte, wie er begraben werden wollte.”
Jackson wusste, dass er Ryans Schicksal nicht ändern könnte, aber er hoffte, ihm etwas Eskapismus und Freude geben zu können, bevor seine Zeit um war. White und seine Familie unternahmen mehrere Reisen auf die Neverland-Ranch, fuhren mit Quats, aßen Pizza und sahen Privatvorführungen von Indiana Jones “The Last Crusade” an. “Die Reisen nach Kalifornien ließen mich durchhalten”, sagte Ryan.
Jackson kaufte für Ryan zu dessen Geburtstag einen roten Mustang Cabrio, sein Traumauto. Nur Monate später am 8. April 1990, starb Ryan.
Am nächsten Tag kam Jackson nach Indiana. Er saß für Stunden in Ryans leerem Zimmer, betrachtet seine Souvenirs, Kleidung und Bilder. “Ich verstehe nicht, warum ein Kind stirbt”, sagte Jackson später. “Ich kann es wirklich nicht verstehen.” Ryans Mutter, Jeane, bot Jackson an, sich als Andenken zu nehmen, was er wollte, aber er sagte ihr nur, dass alles in seinem Zimmer so bleiben sollte, wie es war.
Im Vorgarten stand der Mustang, den Jackson Ryan geschenkt hatte, bedeckt mit Blumen. Ryans Schwester, Andrea, ging mit Jackson in das Auto. Als er es startete, begann Man In The Mirror zu spielen. Es war das letzte Lied dem Ryan zugehört hatte.
Als Buz Kohan von Ryans Tod hörte, beauftragte er den Archivar Paul Seurrat (der Videos für Jackson katalogisierte) Aufnahmen von Jackson und Ryan zusammen zustellen, unterlegt mit Dionne Warwicks Darbietung von Gone Too Soon.
Bald danach rief Jackson Buz an. “Es ist perfekt”, sagte er. “Ich liebe es.” Jackson hatte Ryan versprochen, er könne in seinem nächsten Musikvideo mitspielen, aber sie kamen nicht mehr dazu. Das ist es, dachte Jackson. Er würde ein Video und einen Song erschaffen, den er Ryan und seiner Sache widmen wollte. “Ich will, dass die Welt weiß, wer du bist”, versprach er.
“Aber da gibt es noch ein Problem”, sagte Jackson zu Buz. “Ich mache keine Coverversionen. Hat es schon einmal jemand aufgenommen?”
“Nein,” sagte Buz. “Es wurde gesungen, aber nie aufgenommen. Meine Leute geben ihr Wort dafür. “Bashert”. So soll es sein. Es hat auf dich gewartet.”
Monate später war Buz im Ocean Way Studio, als Jackson das Lied aufnahm. Wie üblich, sang Jackson in der Dunkelheit, um selbst voll und ganz in den Song einzutauchen. Bei Toningenieur Bruce Swedien am Mischpult sitzend, bekam Buz eine Gänsehaut, als er zuhörte. Der Text handelt von der Schönheit, Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit des Lebens. In den Händen eines gewöhnlichen Performers könnten die Worte könnten leicht in Klischee und Sentimentalität abgleiten, aber Jackson war kein gewöhnlicher Performer. “Er legte seine Seele hinein,” erinnert sich Buz. “Es gab keine Übertreibungen oder Vortäuschungen. Es waren echte Emotionen.”
Michael singt Gone Too Soon – Clinton Gala 1993
Gone Too Soon war Track Nr. 13 von 14 des Dangerous Albums. Es wurde als Single am Welt-AIDS-Tag, am 1. Dezember 1993, veröffentlicht. Jackson sang das Lied auch bei Präsident Bill Clintons Amtseinführungs-Gala, um die Welt über Ryan White zu informieren und politische Unterstützung und Finanzierung für die AIDS-Forschung zu gewinnen. Bevor er sang richtete sich Jackson direkt an das Publikum:
“Ich möchte gerne einen Moment dieser öffentlichen Zeremonie nutzen, um über etwas sehr persönliches zu sprechen. Es betrifft einen lieben Freund von mir, der nicht mehr unter uns ist. Sein Name ist Ryan White. Er war Bluter und mit 11 Jahren wurde bei ihm der AIDS Virus diagnostiziert. Er starb kurze Zeit nach seinem 18. Geburtstag, in einem Alter, indem die meisten jungen Menschen anfangen, die wunderbaren Möglichkeiten des Lebens zu erforschen. Mein Freund Ryan war ein sehr fröhlicher, mutiger aber ganz normaler junger Mann, der nie Symbol oder Sprecher einer tödliche Krankheit sein wollte. Über die Jahre habe ich viele lustige, glückliche aber auch schmerzhafte Momente mit Ryan geteilt, und ich war mit ihm bis zum Ende seiner kurzen aber ereignisreichen Lebensreise. Ryan hat uns verlassen und so wie jeder, der einen geliebten Menschen an AIDS verloren hat, vermisse ich ihn sehr und für immer. Er ist gegangen, aber ich möchte, dass sein Leben über seinen Tod hinaus eine Bedeutung hat.”
Michael’s Rede und Gone Too Soon live, 1993
Gone Too Soon bekam neue Relevanz, als Jackson am 25. Juni 2009 unerwartet in seinem Haus in Los Angeles starb. Er war 50 Jahre alt. Drei Jahre später hallen die Worte, die er einst mit seiner unnachahmlichen Stimme und Seele animierte, immer noch nach. Es besteht immer die Chance, dass es noch einmal gesungen werden wird.
Übersetzung M.v.d.L.