all4michael

“A lot of people misunderstand me. That’s because they don’t know me at all.” – Michael Jackson


Dr. Susan Fasts Buch „Dangerous“ bietet eine tiefe Analyse von Michael Jacksons gleichnamigem Album von 1991. Das Buch lobt Jacksons Genie und Talent, zeigt die Komplexität seiner Kunst und diskutiert gründlich die Themen der Rasse, des Geschlechts und der Sexualität. Das Werk ist für Fans, Kritiker und Musikliebhaber gleichermaßen unverzichtbar, da es Jacksons musikalische Meisterschaft unterstreicht und unentdeckte Komponenten seiner Arbeit aufdeckt.


Buchrezension
 (Deutsche Übersetzung)

Autorin: Karin Merx


Abstract

Dangerous ist ein Muss für jeden Fan, Nicht-Fan oder Kritiker von Michael Jackson und auch für jeden Musikliebhaber. Dr. Susan Fast hat Michael Jacksons Album von 1991 mit Akribie auf eine Art untersucht, wie es noch nie zuvor getan wurde, und indem sie dies tut, befördert sie Jackson dahin zurück, wo er hingehört: Ins Rampenlicht als der hochtalentierte schwarze Musiker und Künstler, der er war … und gefährlich war er auch (dangerous)!

Das Buch bringt den Leser außerdem dazu, die Musik wieder (neu) zu hören und die Short Films wieder und wieder ansehen zu wollen.

Dangerous als ein monumentales Album

Fast strukturiert das Buch, indem sie die Songs auf dem Dangerous Album in Kategorien einteilt: ‚Geräusche‘ (Noise), ‚Verlangen‘ (Desire), ‚Utopie‘ (Utopia), ‚Seele‘ (Soul) und ‘Coda/Schlusssatz: Gefährlich’ (Coda: Dangerous). Bevor sie ihre Analyse beginnt, ordnet sie es in den Kontext jener Zeit ein, benennt die Probleme, die Jackson umgaben und macht deutlich, dass dieses Album keinesfalls das Ende seiner Karriere bedeutete, sondern vielmehr den Beginn seines Erwachsenseins und gereifter Leistungen.

Fast untersucht den Einsatz von Geräuschen auf Dangerous, einschließlich Jacksons Adaption von Hip-Hop und klassischer Musik durch seine eigene Interpretation, und sie bezieht auch seine Short Films in den Diskurs mit ein. Hierbei entlarvt Fast die vorherrschenden Geschichten, die Jacksons Leben umgaben, als falsch und erklärt ausführlich, wie er gegen Rassismus und andere globale Probleme kämpfte, während er sein Selbstgefühl als (hetero-) sexuelles Wesen behauptete. Ein genauerer Blick verrät, dass er ganz und gar nicht der Knabe ist, als den ihn die Kritiker hartnäckig beschrieben. Diesen Geschichten steht Fasts Darstellung eines gereiften, intellektuellen Mannes, Künstlers und Performers entgegen, der ganz genau wusste, was er tat und warum er es tat.

In den ersten zwei Kapiteln ‚Geräusche‘ (Noise) und ‚Verlangen‘ (Desire) nimmt uns Fast mit auf eine Reise zu den ersten sechs Songs auf diesem Album. Sie zerlegt diese, ordnet sie in den von Jackson beabsichtigten Kontext ein und legt dar, was Kritiker daraus machten. An manchen Stellen muss sie sich fragen, ob sie dieselben Short Films wie die Kritiker jener Zeit gesehen hat. Sie beschreibt detailliert die akustischen Verstärkungen, die Jackson als nicht-musikalische Klänge einsetzte. Sie schreibt, dass auf Dangerous die Geräusche mehr sind als nur ein ‚billiger Kick‘, besonders das zerspringende Glas im „Panther Dance“, mit dem Jackson ‘seiner tiefen Wut gegen strukturellen Rassismus’ Ausdruck verleiht.

Bei der Diskussion der Kunst von Mark Ryden auf dem Album Cover, bei dem die Erdkugel im zentralen Fokus steht, definiert Fast den grundlegenden Gedanken im Zentrum des Albums als: ‘Etwas zerbricht, ist zerbrochen’. Offensichtlich benutzte Jackson Geräusche als ein Merkmal für Kritik und er bezog die Hip-Hop-Klanglandschaft mit ein, aber er tat das auf seine Art. Von diesem Album an begann er damit, seine Stimme mehr und mehr auf eine raue Art einzusetzen, ihr sogar eine mehr körnige Struktur, ‚Schwärze‘, Machismo, Störungen und Gefährlichkeit zu geben.

Fast spricht außerdem die Schmähungen an, die Jackson in Bezug auf Geschlechterzugehörigkeit und Sexualität auszuhalten hatte. Er saß oft zwischen den Stühlen, und wurde entweder als der sexieste Mann der Welt wahrgenommen oder aber als Selbsthasser, der sein Gesicht zerstörte, um ein Monster zu werden. Die Autorin widerlegt geschickt die Meinung der Kritiker, die davon ausgeht, dass Jacksons sinnliche, leidenschaftliche Performances notwendigerweise in sein alltägliches Leben übertragen können werden müssten. Tat er das nicht, nahmen die Kritiker seine Darstellung als Vortäuschung falscher Tatsachen wahr. Aber Jackson war ein Meister darin, die Intensität seines sinnlichen Körpers in seinen Performances darzustellen. Gemäß Fast ist es die Kombination aus Sanftheit und der erotischen Dynamik, die Fans glauben lässt, er sei der sexieste Mann aller Zeiten.

Jackson gruppierte die Songs auf dem Album offensichtlich, um vier verschiedene Sichtweisen auf die Liebe darzustellen, und seine Botschaft war, dass Liebe kompliziert und grausam sein könne. Sie verdeutlicht, dass Jackson hierbei eine wichtige Strategie verfolgt, da er selbst als schüchtern, bescheiden, respektvoll und an Sex nicht interessiert auftrat, sowohl auf als auch jenseits der Bühne.

Nach den ersten sechs Songs führt sie uns zu dem Thema ‚Utopie‘ (Utopia), welches als Flucht aus dem Alltag (Eskapismus) und Mystik verstanden werden soll. Dieser Abschnitt kreist rund um „Heal the World“ (den siebten von vierzehn Songs), welches als ‚ein wichtiger thematischer Wendepunkt‘ gesehen wird, denn es führt den Zuhörer zu einer gleichsam verstörenden Sicht auf Utopia. Diese Songs befinden sich im Zentrum des Albums und Jackson bietet zwei utopische Visionen an: Eine mehr generelle Sicht darauf und eine über das Thema Rasse. Zum ersten Mal werden Kinder eingesetzt und man kann ihre Stimmen in der Musik hören. Um genau zu sein, setzt Jackson Kinderstimmen zum allerersten Mal ein. Aber, und Fast schreibt, dies sei wichtig zu wissen, er tat dies nicht aus dem konventionellen Gedanken, dass die Zukunft den Kindern gehöre. Der Song klingt weiß, und obwohl es klar ist, dass es für Jackson ein Leichtes war, Songs schwärzer klingen zu lassen, ist er genau das nicht, was er an diesem Punkt für diesen speziellen Song erreichen wollte.

Heal The World (Superbowl 1993)

In „Black or White“ scheint Jackson weiße und schwarze musikalische Gepflogenheiten durch den schwarzen Rap-Abschnitt, dargeboten von einem weißen Musiker, zu vermischen, während der weiße Rock-Abschnitt durch Jackson selbst, einen schwarzen Künstler, gesungen wird. Sie geht auf den Short-Film ein, um Jacksons rassenbezogene Politik zu diskutieren und wie er auf wunderbare Art die Führung übernimmt, indem er den Regisseur für jedermann sichtbar ausschließt, um in seinen abschließenden Part (Coda) einzutauchen. Mit dem „Panther Dance“ kommen die Geräusche zurück, Geräusche, die als eine Form von Protest genutzt werden. Jacksons Standpunkte wurden von der allgemeinen Öffentlichkeit nicht sofort verstanden oder akzeptiert, wodurch er sich gezwungen sah, den „Panther Dance“ mit Graffiti-Kunst zu überarbeiten, um ihn für das Fernsehpublikum verständlicher zu machen. Fast zieht daraus den Rückschluss, dass die Beschneidung des „Panther Dance“ ein gewalttätiger Akt gegen Jackson als Künstler war und einzig deshalb vorgenommen wurde, um das ‘weiße Zartgefühl nicht zu verletzen’. Aber sie fragt sich, warum er aufgab. War Jackson sich der Tatsache bewusst, dass das Publikum nicht bereit war für eine Konfrontation mit strukturellem Rassismus?

In dem Kapitel mit dem Titel ‚Seele‘ (Soul) nimmt Fast auf wunderbare Art die Cover-Kunst von Mark Ryden auseinander und enthüllt, dass Jackson außerdem selbst einen beachtlichen Input in das Kunstwerk gegeben hat. Wenn man bedenkt, dass Jackson ein sehr belesener Mann und ein ernsthaft Studierender der Geschichte und Kunstgeschichte war, dann ist die Referenz an die sakrale Kunst der Renaissance nicht so weit hergeholt. Das Cover ist wie ein Triptychon aufgeteilt in drei Teile, wobei Jacksons Augen hinter einer Maske in der Mitte platziert sind. Aber da ist noch mehr. Wir erkennen auch Surrealismus in der Kunst, die als ein Widerspruch wahrgenommen werden kann. Es ist ein komplexes Album Cover, das eine reichhaltige und mehrdeutige Bildersprache einsetzt. Fast fragt sich, ob es in irgendeiner Beziehung zum ‘Sgt. Pepper’ Album Cover der Beatles steht und beschreibt es als Erfassen von Jacksons umfassender Weltsicht oder ‚Theologie‘.

Die vier nun folgenden Songs bilden das Herz und die Seele des Albums, denn sie beginnen realen, quälenden ‘persönlichen Kampf und gewissermaßen Erlösung’ anzusprechen. Kein Moralisieren, keine Kinder, keine Geräusche. Hier können wir herauslesen, wie Jackson versucht, diese Genres miteinander zu verschmelzen: Renaissance, Klassik und Rock. Jackson besitzt hier die Fähigkeit, seine jederzeit in allen Tonlagen makellose Stimme, in all ihrer Reinheit und Vielseitigkeit bis zu ihren äußersten Ausdrucksmöglichkeiten einzusetzen.

Fast analysiert außerdem, wie Jackson die Neunte Sinfonie Beethovens auf diesem Album verwendet. Anstatt jedoch auf die musikalische Frage (des ungelösten Akkords) vollständig zu antworten, wie Beethoven es in der darauffolgenden Passage tut, lässt Jackson sie nachwirken. Dies ruft einem das Konzept der Polyfonie der Renaissance ins Gedächtnis: ‘Stimmen erinnern an die Knabenchöre’. Allerdings, die bedeutendste Sache in diesem Moment ist die, wie Jackson zur Musik der schwarzen Kirche zurückkehrt, er gibt der Gemeinschaft eine Stimme. In dieser Gruppe von vier Songs („Keep the Faith“, „Will You Be There“, „Give In To Me“ und „Who Is It“), so schreibt Fast, unternimmt Jackson eine spirituelle Reise, hauptsächlich durch das Hervorrufen unterschiedlicher musikalischer Sprachen. Die Short Films der letzten drei von mir erwähnten Songs werden der Musik gemäß Fast nicht gerecht, und ich muss sagen, dem stimme ich zu. Für sie besteht einer der Gründe in der Tatsache, dass Jackson nicht tanzt. Ich habe andere Gründe, allerdings ist hier nicht der Ort, sie anzusprechen. Fast schlussfolgert, dass diese Gruppe von Songs zum Ausdruck bringt, wie sehr Jackson mit Religion, der Seele, Verrat und Erlösung rang; ernsthafter erwachsener Stoff, fügt sie hinzu. Und die Cover Kunst verbildlicht dieses Ringen auf so wunderbare Weise, indem sie hohe und einfachere Kunsttraditionen miteinander vereint. Bei diesem Album geht es nicht nur darum einen kommerziellen Erfolg zu landen, hier handelt es sich um ein musikalisches Werk über gesellschaftliche Gemeinschaft.

‘Dangerous: The Coda’ (womit im wörtlichen Sinn das ‘Zurückgehen an den Anfang’ gemeint ist) kennzeichnet Jacksons Rückkehr zu den Geräuschen und zum Klang des Atems. Fast beschreibt Jacksons musikalische Nutzung des Atems als Bestandteil eines Klangprinzips, das in klanglicher Hinsicht die musikalischen Punkte durch das gesamte Album hindurch verbindet. Sie nennt das Stück „Dangerous“ Jacksons mehrdeutigsten Femme-Fatale-Song. Gemäß Fast haben all seine Femme-Fatale-Songs ganz unterschiedliche Geschichten und verdienen eine eingehendere Studie.

Als wir schließlich den Schluss des Albums und dieses wirklich ausgezeichneten Buches erreichen, zieht Fast das Fazit, dass Jackson eindeutig dann am besten war, wenn er sich politisch einsetzte und gegen soziale Ungerechtigkeiten aufstand. Sie würdigt Dangerous als ein monumentales Album, das Album, welches den Punkt markiert, an dem Jackson seine volle Reife als Künstler erlangt hat.

Obwohl es 99 Ausgaben der Bloomsbury Serie für populäre Musik brauchte, um die 100. Ausgabe Michael Jackson zu widmen, bin ich froh, dass es genau Susan Fast war, die diese Aufgabe erfüllte. Als Musikwissenschaftlerin ist sie absolut kompetent über die Komplexität von Jacksons Musik zu schreiben und bietet eine klare Einsicht in seinen Arbeitsprozess an. Indem sie das Werk in einen kulturellen Kontext von Rassismus, Politik, Geschlechterzugehörigkeit und Sexualität einbettet, stellt das Buch auch für Nicht-Musiker exzellenten Lesegenuss und einen guten kritischen Einblick bereit. Größtenteils, weil sie glasklar deutlich macht, dass Jackson ganz genau wusste, was er als Schreiber und Performer tat, der durch seine wandlungsfähige Stimme und einen ebensolchen Körper und die Kombination von hoher und alltäglicher Kunst eine ernsthafte Botschaft vermittelte. Fasts Analyse macht ebenso klar Jacksons Fähigkeit deutlich, seine Botschaft durch die Zusammenstellung auf dem Album selbst zu kommunizieren. Dieses Buch bietet eine längst fällige und in die Tiefe gehende Analyse von Jacksons Musik und Kunst. Lasst uns hoffen, dass dies die Regenbogenpresse für immer zum Schweigen bringt! Sehr empfehlenswert … und vergesst nicht, wieder hineinzuhören und anzusehen!

Du möchtest mehr zu dem Thema wissen? Hier kannst du dir alle Beiträge in den jeweiligen Kategorien anzeigen lassen:

, , , , , , , ,

Kommentare

2 Antworten zu „Buchrezension über ‘Dangerous’ von Dr. Susan Fast“