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“A lot of people misunderstand me. That’s because they don’t know me at all.” – Michael Jackson

Reflexionen von Licht und Dunkelheit – ein Tribut für Michael


Original: A Tribute to Michael Jackson

von Filip Panusz


Dieser Artikel betont, dass Michael Jacksons Größe nicht auf seiner musikalischen Kunst beruht, sondern auf seiner Menschlichkeit. Seine Fähigkeit zu tiefem Gefühl und seine Unschuld gaben ihm eine kindähnliche Reinheit, die vielen irritierend erschien. Dies ermöglichte jedoch auch seine hohe Empathie und Selbstlosigkeit. Trotz seines tragischen Lebens und seiner Verwundbarkeit wurde er als liebevoller und warmherziger Mensch beschrieben. Sein Erbe besteht darin, dass Erwachsene von seiner „kindlichen“ Perspektive lernen und liebevoller werden sollten.


Es ist nicht Michael Jacksons musikalische Kunst, worauf seine Größe basiert, sondern seine besondere Menschlichkeit. Seine Musik ist nur Ausdruck und Bekundung seiner Menschlichkeit. Die meisten Lobesreden beschrieben es indes andersherum. Michaels größtes Vermächtnis ist sein liebevoller Charakter und das, was wir davon lernen, durch sein tragisches Leben, über das wahre Gesicht einer oft brutalen, hässlichen Welt.

In Michael Jackson erkennen wir Unschuld und Reinheit, wie man es selten bei einem Erwachsenen findet. Seine „Kindlichkeit“ ist für viele verblüffend, aber es ist genau das Merkmal, das ihn abhebt von der Welt der Erwachsenen, die so gründlich gelernt hat, kalt und berechnend zu sein, raffiniert und gewitzt, ordnungsgemäß und professionell. Erwachsene, die sich verbessern wollen, müssten nur Michael nachstreben und „kindlicher“ werden.

Wenn Michael für etwas schuldig war, dann war seine „Sünde“ (um das prophetische Wort Dylans zu benutzen), dass er in seinem Innern zu viel fühlte und wusste. Menschen, die tief fühlen, scheinen oft seltsam oder verrückt, aber, wie Dostojewskis „Idiot“, verbirgt ihr vordergründiger Wahnsinn oft ein tiefes Verständnis des menschlichen Herzens/Wesens. Michaels immense Fähigkeit zu fühlen machte ihn zu einem liebevollen, warmherzigen und empfänglichen Menschen. Er war zu viel mehr Liebe fähig, wie die meisten Erwachsenen. Unglücklicherweise machte ihn diese hohe Sensibilität auch extrem verletzlich und anfällig.

Michaels besondere Gesten und sein Verhalten ergeben einen vollkommenen Sinn unter der Voraussetzung, dass die Welt unverdorben, unschuldig und ungefährlich ist. Natürlich haben diejenigen von uns, die „erwachsen“ sind, gelernt, dass die Welt nicht unverdorben, unschuldig und ungefährlich ist. Darauf beruht Michael Jacksons Tragik. Seine Aktionen scheinen seltsam und verstörend, wenn sie ausgehend von einer zerrütteten Welt interpretiert werden, dabei sind sie fast immer selbstlos und uneigennützig.

Die Wahrheit ist, Michael hat die Augen und das Herz eines Kindes, welches nur mit einem Maß sieht – mit reiner Liebe. Wenn er sah, dass jemand etwas von ihm wünschte, dann gab er selbstlos, ohne logische Konsequenzen oder angemessener Vorsicht Beachtung zu schenken. Das Diktat von Vorschriften und Konventionen, so wie sie sein sollten, wurden völlig dem Diktat der Liebe untergeordnet. Es ergab vollkommenen Sinn für ihn, andere zu erfreuen, auch wenn es ihn der Gehässigkeit und dem Spott anderer aussetzte.

Michael wollte nicht davon ausgehen, so wie es die meisten Erwachsenen machen, dass jemand, mit dem er sich einließ, sich verstellte. Er gab anderen den Vorteil, nicht an ihnen zu zweifeln, er ließ sich auf sie ein, als seien sie Engel oder Kinder. Wenn er dabei Teufel erwischte, war er dem ungeschützt ausgesetzt und einfach zu zerstören. Dadurch musste er oft leiden. (z.B. durch eine Person, von der er glaubte, sie sei ein Engel und die sich dann als der Teufel entpuppte..) Mit anderen Worten, wenn er neun Personen traf, die sich alle als schlecht herausstellten, grüßte er trotzdem die zehnte Person wie einen Engel. Das widerspricht der menschlichen Logik, besteht aber in der umfassenderen Logik, der göttlichen Liebe,

Michael umgab sich nicht mit Kindern, weil er pervers war, sondern weil er in ihnen die Hoffnung für eine viel zu überalterte Welt sah. Was er an den Kindern liebte, war ihr „reines Herz“. Er versuchte verzweifelt, mit nur scheinbar unvernünftigen Mitteln, seine jugendliche Reinheit vor einer Welt zu schützen, deren scheußliche Grausamkeit er oft genug am eigenen Leib spürte. Wenn der Fakt, dass nichts in seinem Ausdruck der Liebe zu Kindern falsch ist, sich auf seine Reinheit begründet, ist unsere Lust, ihm zu unterstellen, pädophil zu sein und diese Liebe krankhaft sei, auf unserer essenziellen Unreinheit begründet. In einer zerfallenden Welt, ist der Gedanke passend, dass Schlechtes gut ist und Gutes schlecht. (um Dylan noch einmal zu zitieren) So, dass folglich Liebe eine pathologische Störung ist, während kalte, rationale Unzulänglichkeit die neue Menschlichkeit beschreibt.

Michael schuf und umgab sich mit einer für ein Kind passenden Welt, denn er fühlte, dass es das Ideal ist, nach dem wir streben sollten, ein Ideal, das wir leider weit verfehlen. Nebenbei war es auch eine Möglichkeit für ihn die Schmerzen, die er immer spürte, zu kompensieren. Die Schmerzen der Gegenwart und der Vergangenheit, die schmerzhaften, tiefen persönlichen Erfahrungen. Michael war feinfühlig, vielleicht besonders sensibel, und deshalb fühlte er viel intensiver und direkter als die meisten anderen. Qualen und Leid riefen bei Michael uneingeschränkt moralische Reaktionen herbei. Wie unrealistisch und idealistisch es auch immer einem praktisch denkenden Erwachsenen vorkommen mag, diese Neverland-Welt, die den Schmerz der Realität mit einem Widerspruch auslöschen sollte, diese Reaktionen waren für Michael absolut berechtigt. Michael war die perfekte Mischung von kindlicher Unschuld und der Weisheit eines alten Mannes. Er hatte von beidem weitaus mehr wie ein durchschnittlicher Mensch. Quincy Jones hat dieses großartig und treffend beschrieben, indem er sagte, dass Michael gleichzeitig der jüngste und der älteste Mann war, den er kannte.

Ideale wie Neverland zu bauen, mit dem Bestreben mit der düsteren Realität zurrecht zu kommen, ist kein moralisches Versagen. Richtig gesehen ist es nur ein Anzeichen für oder Vermächtnis an den krankhaften Zustand der Welt. Das moralische Vergehen ist die düstere Realität selbst.

Die Bashir Interviews – Perlen vor die Säue

Als ich zum ersten Mal Martin Bashirs berüchtigtes Special „Living with Michael Jackson“ sah, erstmals 2003 ausgestrahlt, musste ich weinen. Ich fühlte mich, als würde ich einer öffentlichen Demütigung zu sehen, Züchtigung und Kreuzigung eines hilflosen Kindes. Mein erster Gedanke war, „warum hat Michael dem zugestimmt? Er hätte es ablehnen sollen!“ Nachdem ich etwas darüber nachgedacht hatte, merkte ich, dass Michael bereit war, sich Bashirs sadistischem Angriff auszusetzen, weil er so war, wie er war. Michael ging davon aus, Bashirs Absichten seinen rein. Er glaubte, dass Bashir nicht seine Aussagen manipulieren würde, und der Journalist einfach der Welt die Wahrheit mitteilen wollte. Warum sollte er nicht denken, dass es so sein würde? Warum hätte er davon ausgehen sollen, dass die Absichten des Interviewers selbstsüchtig oder unsauber sein könnten? Würde das nicht zugestehen, dass die Welt böse ist – dass die Welt nicht so ist- und niemals sein wird – wie Neverland?

Der Unterschied zwischen Bashir und Michael könnte gar nicht größer sein. Bashir zog aus, um vernünftig und bedächtig zu scheinen. Michael, andererseits, achtete nicht darauf, wie er zu erscheinen hatte. Sein Anliegen war die Wahrheit und wie er fühlte. Manchen Leuten schien er „verrückt“. Die Wahrheit ist natürlich ganz das Gegenteil. Bashir war die ganze Zeit zynisch, süffisant und wertend, und schien eine pathologische Teilnahmslosigkeit zu beweisen, indem er immer und immer wieder in Michaels unverarbeiteten, offenen Wunden stocherte. Er nahm keine Rücksicht auf sein Herz und seine Qualen. Sollte er irgendwelche Bedenken zu Michaels Pein gehabt haben, war er vielleicht zu stolz, diese einzugestehen. Bashir versteckte diese Grausamkeit hinter einer Fassade von Intelligenz, Vernunft und intellektueller Professionalität, als ob er nur ein geschickter Journalist sei, auf der uneigennützigen Suche nach der Wahrheit. Aber wenn die Dinge sich so perfekt und gesittet anhören, dann sollten wir wachsam und misstrauisch sein. Wenn wir richtig hinsehen, dann sehen wir, dass Michael authentisch ist und ein gutes Herz hat und in seinem Tun vernünftig ist, während Bashir der wirkliche Soziopath ist.

Bashir führt sein verletzendes Interview, während er immerzu an journalistischer Etikette und Professionalität festhalten zu scheint. An einer Stelle der Sendung sagt Bashir: „Michael gegenüberzutreten war nicht einfach, aber jetzt musste es sein“ als ob dieser Hinweis auf eine schwierige persönliche Angelegenheit auf einer unausweichlichen Logik basiere, die besagt, dass die „Wahrheit“ ausgegraben werden muss, egal welchen Zoll er dafür geben muss. Es ist nicht relevant oder wichtig für Bashir, wie persönlich diese Wahrheit sein mag, ob sie nützlich oder bedeutungsvoll für jeden ist, oder welche menschlichen Konsequenzen das Streben nach dieser „Wahrheit“ haben könnte. Das Einzige, was zählt, ist das erfolgreiche Enthüllen von Fakten, dass Bashir großes Ansehen unter Seinesgleichen sichern wird. Der Wert der Objektivität bei der beharrlichen Suche nach der „Wahrheit“ hat offensichtlich mehr Gewicht als ein Mensch.

In einem anderen unaufrichtigem Versuch, auf seine großen ethischen und professionellen Referenzen hinzuweisen, erklärt Bashir, dass seine Fragen auch aus der „Sorge“ um Michaels Kinder entstehen. Währenddessen sitzt Michael dort und fühlt sich ganz offensichtlich unwohl. Obwohl er das sieht, hört Bashir, immer mit dem wissenschaftlichen Ziel der Wahrheitsfindung, nicht auf, sondern verstärkt im Gegenteil noch seine Befragung.

„Warum bedeutet das so viel für dich?“, fragt Bashir – anscheinend ganz besorgt. Aber da ist der durchscheinende, fühlbar anklagende Ton, der suggeriert: „Würde eine normale, vernünftige Person sich weniger sorgen?“ Vielleicht sorgst du dich so, weil du verrückt oder per**s bist…“ Die angebrachte Frage ist natürlich, wie kann überhaupt jemand dem Elend von Kindern in einer entfremdeten Welt gegenüberstehen? Wie könnte jemand nicht besorgt sein? Bashirs Vernunft hat sich selbst als pathologische Abweichung entlarvt. Bashir urteilt über ein Phänomen, welches er gar nicht versteht, weil er aufgewachsen ist, ohne je die Schlichtheit eines reinen Herzens kennenzulernen. Seine Logik ist viel zu kompliziert und stolz. Wenn wir an dem Punkt angelangt sind, wo wir tatsächlich in der Lage sind, leidenschaftslos Tragödien zu analysieren, ohne darüber zusammenzubrechen und zu weinen, dann haben wir wahrlich unsere Menschlichkeit verloren. Ideale wie Neverland zu bauen, mit dem Bestreben, mit der düsteren Realität zurechtzukommen, ist kein moralisches Versagen. Richtig gesehen ist es nur ein Anzeichen für oder Vermächtnis an den krankhaften Zustand der Welt. Das moralische Vergehen ist die düstere Realität selbst.“


Bashir ist die Art Mensch, die einen erstechen kann, mit kühlem und gelassenem Auftreten, und dann noch fragen würde, warum das Opfer Schmerzen hat. Er ist „verstört“ von Jacksons angeblich exzentrischem Verhalten, und „besorgt“ um die Kinder, während er gleichzeitig Psychoterror auf den Vater ausübt. Der manipulative Journalist entblößt Michaels Empfindsamkeit. Er bringt Michael aus dem Gleichgewicht und deutet es dann als Zeichen von Charakterschwäche. Zeitweise kommt seine Befragung an Sadismus heran. Wissend, dass er schmerzhafte Wunden öffnen wird, schnüffelt er trotzdem in Michaels „Dämonen“ herum. Vielleicht war das ideale Subjekt, wonach Bashir Ausschau hielt, eher ein Felsbrocken als ein menschliches Wesen. Was er fand, war indessen ein Heiliger.


Übersetzung: M.v.d. Linden


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Kommentare

2 Antworten zu „Reflexionen von Licht und Dunkelheit – ein Tribut für Michael“

  1. Avatar von Barbara

    .. keep the faith – LOVE is the answer

    DANKE für diese WORTE <3

  2. Avatar von Molly Grue
    Molly Grue

    Vielen Dank für diesen bewegenden Artikel und die Übersetzung.