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„A lot of people misunderstand me. That’s because they don’t know me at all.“ – Michael Jackson

Armond White: Die Renaissance des 21. Jahrhunderts



Nach dem Tod von Michael Jackson brachte die große Zuneigung der Öffentlichkeit für seine Musik eine neue Aufwertung seiner künstlerischen Kataloge. Trotz weiterer negativer Medienkritik bewiesen die Zuhörer ihre tiefe Liebe und Anerkennung für Jacksons Kunst, die mehr als nur nostalgische Erinnerungen war. Seine Musik, die tiefgründigen Emotionen und Zusammengehörigkeit ausdrückt, wird weiterhin als kulturelles Vermächtnis und Ausdruck von Wahrheit und Liebe geehrt.


Michael Jacksons Renaissance (veranlasst durch seinen Tod im letzten Juni im Alter von 50 Jahren) ist eines der vielversprechendsten Ereignisse der Popkultur im letzten Vierteljahrhundert. Den ganzen Sommer lang ertönte Jacksons Musik, wo immer man sich aufhielt, aus allen Autoradios, Musikanlagen und allen Ohrhörern von irgendwelchen Fremden erklang sie. Der Tag ist einfach schöner, wenn Pretty Young Thing den Sonnenschein willkommen heißt oder gegen einen Regensturm ansingt. Und doch halten sich die Hasser hartnäckig; nachdem sich die Medienaasgeier als Reaktion auf die öffentliche Trauer und die Wogen des Interesses an MJs Musik in ihrem Zynismus etwas gezügelt hatten, kehren sie nun wieder zurück zu ihren Schundgesprächen und ihren Verleumdungen. Doch die öffentliche Zuneigung zu Jackson bleibt; der Widerstand gegen die Mediengebote ist ein Beweis für demokratisches Wohlwollen und Handeln.

Diese plötzliche Erholung von Jacksons Songkatalog rührt aus einem bemerkenswerten persönlichen Bedürfnis her: Da die Öffentlichkeit an die guten Zeiten erinnert werden möchte – angefangen bei der verblüffenden jugendlichen Energie der Jackson Five in Titeln wie I Want You Back, ABC, The Love You Save, I’ll Be There und Ben bis hin zu dem phänomenalen, allen gefallenden Thriller -Album – geht die instinktive Rettung der Popkunst bei der Öffentlichkeit tiefer als reine Nostalgie. Es stimmt, dass verschiedene Stadien in MJs Karriere unterschiedliche Ereignisse der Weltgeschichte und vor allem auch persönliche Erinnerungen begleiteten: Die Hörer können bestimmte Songs mit bestimmten Geburtstagen verbinden, mit Tänzen in der Disco, mit Hochzeiten, mit Liebschaften, gebrochenen Herzen, Konzertgängen, Fernsehsendungen usw. Doch diese Songs wieder zu spielen, nachdem im Fernsehen die Nachricht über MJs Tod gekommen war, hat nichts mit einem nostalgischen Durchblättern eines Sammelalbums zu tun, es bedeutet, beim Blues einer Musik mitzustampfen, die geschrieben wurde von der althergebrachten Lebensfreude und den tiefsinnigen Gefühlen eines empfindsamen Künstlers, der beseelt davon war, sich selbst neu und in einer die ganze Welt betreffenden Form auszudrücken. Diese Art populärer Kunst verbindet die gemeinschaftlichsten und aufrichtigsten Bedürfnisse der Zuhörer: Sie versteht ihre Freude und Empfindsamkeit, ihr eigenes Leben zu bejahen.

Als Reaktion auf den Internetverkehr nach Michael Jacksons Tod berichtet die New York Times:

(AOL) bezeichnete den Tag als „bahnbrechenden Moment in der Geschichte des Internets. Wir haben so etwas solchen Ausmaßes und solcher Tiefe nie vorher erlebt. Neuigkeiten über Stars spornen mit unterschiedlichem entscheidendem Verbraucherverhalten geschichtlich gesehen weltweite Gefühlsäußerungen an, die Suche nach Neuigkeiten, deren Weiterverbreitung und die Reaktionen darauf, gefolgt von Online-Tributs, wurden zur modernen Art der Trauer.“

Ein paar Tage, nachdem ich mit der beängstigenden Nachricht über MJ gelebt hatte, träumte ich davon. Mitten in diesem Traum sagte ich mir selbst: „Ich träume das hier!“ Dann, ich war noch immer am Träumen, wurde ich von einer schrecklichen Einsicht ergriffen; meine Traurigkeit war schlimmer als jeder Albtraum, es war wie eine albtraumhafte Erfahrung im Wachzustand, bei der ich erkannte, dass die Welt aus dem Lot geriet. „Ein böser Albtraum, wo ich auch hingehe“, sang Donna Summer einst. In der wachen Realität einer Welt, die immer verrückter zu werden droht, war der Verlust von MJs Präsenz mehr als nur ein kulturelles Desaster. Unser Gefühls- und Sehnsuchtskompass kam uns abhanden, genau wie zu der Zeit, als Brando, James Brown, Katherine Hepburn und Norman Mailer starben. Doch sie sangen niemals Ben oder präsentierten die staunenswerte Vision des Black Or White Musikvideos. MJs Kunst trat einer gefühllosen Welt mit purem Gefühl entgegen, ebenso wie mit höchster Kreativität und zutiefst überzeugender Aufrichtigkeit. Michaels süße Klänge auf der Straße zu vernehmen, erinnert mich daran, wie wenig Süße es in letzter Zeit in der Popmusik gab.

Memorial Michael Jackson

MJs Kunst wiederzugewinnen, bietet uns die Chance, sie neu und besser zu würdigen. Sie lässt uns hinter die Verwirrung und Kontroversen seiner kontinuierlichen Karriere blicken. Wir können jetzt nicht nur ihre Bedeutung einschätzen, sondern ihren Kern wieder neu erleben. Am 7. Juli beim Memorial im Staples Center in Los Angeles erschienen die Trauer und anschließende Seelenreinigung richtig, notwendig und Gottesdienst-ähnlich. Es gab per se nur wenig Kirchenmusik, doch Balsam fand man in den heilenden Klängen von Jacksons eigener Musik. Wenn man auch verlernt hatte, wo die Wurzeln von Billie Jean lagen, das Vordringliche in Hymnen wie Man In The Mirror und Earth Song jedoch erkannt hatte, konnte man das nicht länger nicht übersehen. Deshalb glich Berry Gordys Grabrede – „Er ist schlichtweg der größte Entertainer, den es je gab“ – unsere Ehrfurcht nicht aus. Tatsache ist, in MJs Liebe-aussendenden und von Wahrheit erzählenden Botschaften lag immer Gottes Wort. MJs treue Fans finden sich selbst wieder in ihren ernsthaften, gerechtfertigten Bestrebungen, Wahrheit und Liebe durch die Musik zu erhalten, die einst ihrem Leben seinen Pulsschlag verlieh und dies auch weiter tun wird.

Wir müssen nur einen Groove hören, eine beschwingte Melodie – nicht zu vergessen die bewegenden Jeremiaden (Klagelieder) und weisen Überlegungen in MJs späteren Aufnahmen – und schon hat die Kraft der Kunst, der das Leben nach seinen eigenen Bestimmungen begegnete, diese Bestimmungen durch gospelartige Ausdrucksweise und Synkope in die Höhe gehoben. Wenn die Medien damit weitermachen, Jackson zu denunzieren und Musikhasser weiter jammern, dass die Aufmerksamkeit, die dem Tod dieses legendären Künstlers gezollt wird, exzessiv sei, ist dies einzig ein Beweis für die Grausamkeit der säkularen Welt. Ob diese „Experten“ je ein Lied in ihrem Herzen trugen oder nicht, sie erscheinen einfach herzlos.
Könnte es die Herzensgüte sein, über die sich die Hasser in MJs Werk aufregen? Stört sie die Freude in ABC, Rock With You und ja, sogar in Bad? Oder ist es die Komplexität in Songs wie Beat It, Black Or White, Scream, Stranger In Moscow oder You Are Not Alone? MJ beschrieb, besang und schilderte in tänzerischer Form die Schwierigkeiten des Lebens und er tat dies voller Anmut und Begeisterung. Die Medienkommentatoren jedoch, die so tun, als wären wichtigere Dinge vernachlässigt worden, nähern sich den Dingen nur von ihrem eigenen, beschränkten, aufgeblasenen Hochsitz aus an. Al Sharpton erinnerte MJs Kinder: „An eurem Daddy war nichts seltsam. Seltsam war das, womit euer Daddy umgehen musste. Aber er ist damit umgegangen!“ Diese merkwürdigen Medienpolitiker lassen die Komplexität, die Widersprüchlichkeit und das Mitgefühl nicht zu –alles Elemente, die es so wertvoll machen, Jacksons letzte vier Alben Dangerous, HIStory, Blood On The Dancefloor und Invincible wieder aufleben zu lassen. Reverend Sharpton hat stichhaltig bemerkt:

Michael sang seine Zyniker weg, er tanzte seine Zweifler aus dem Weg, er performte den Pessimismus weg. Als sie ihn niederschlugen, stand er wieder auf. Jedes Mal, wenn sie ihn ausgezählt hatten, kam er wieder zurück. Michael hörte niemals auf. Michael hörte niemals auf. Michael hörte niemals auf.

 mj never stopped

Sharptons eigene Gospel-Leidenschaft spielte auf die unbezähmbare Entschlossenheit an, die das Rückgrat schwarzer Spirituals, des Blues, des großartigen R&B, des Soul, der Popmusik, des Hip-Hop und des furchterregendsten von allen, des Beat, bildet.
Nörgelnde „Experten“ wollen diesen Beat genauso stoppen, wie das Zelebrieren Jacksons. Ihre monotone Feindseligkeit ähnelt dem Rassismus, der so viele gesellschaftliche und berufliche Institutionen antreibt. Wenn der derzeitige Präsident der Vereinigten Staaten nur ungern zugab, dass er „all dieses Zeug auf seinem iPod hat“, erscheint es entweder respektlos oder einfach ein weiteres Zugeständnis an den Willen der Medienelite zu sein. Was der Präsident der Vereinigten Staaten nicht sagte war, dass selbst ein relativ „kleines Liedchen“ wie P.Y.T. mehr war als nur irgendein „Zeug“. Hört euch an, in welcher Art Michael das romantische Flehen des R&B übernahm und wie er es sang, ihm ging es um mehr als nur um Beute oder Sex, ihm ging es um die Versinnbildlichung von Herzensgüte. Es ist die reichhaltige Fülle, die viele in der schwarzen Popmusik unterschätzen (wenn sie auch von einer weißen Intelligenzbestie wie Green Gartside bekannt gemacht wurde, der Jacksons Ästhetik zur Neuinterpretation in Scritti Politti zerlegte – Anmerkung: Scritti Politti ist eine walisische New Wave Band, die in den 80ern einigen Erfolg hatte, die Stimme des Sängers erinnert entfernt an Michael). MJs „Wooooo’s“ und „repeat after me (sprecht mir nach)“ waren sinnliche und rhetorische Bekräftigungen persönlicher und gemeinschaftlicher Liebe. Er bat die ganze Welt um Call and Response (Ruf und Antwort) und er bekam sie. P.Y.T. vereint Lebensfreude mit Kunst, es ist nur ein zusätzlicher Segen, dass man auch noch dazu tanzen kann. Wenn das unsere Demokratie nicht rechtfertigen kann, dann ersetzt MJs Bürgerechts-Moonwalk mit einem Gleichschritt.

Immer noch greift die Medienelite (die entschieden von der texanischen Kongressabgeordneten Sheila Jackson Lee in ihrer Lobrede zurechtgewiesen wurde) auf die Vorwürfe über MJs Privatleben zurück. Sie ignorieren Jacksons Kunst – und seinen Freispruch – als ob sie irgendeinen schwarzen Kriminellen verunglimpften und als ob sie jede Art von Verteidigung in Misskredit bringen wollten. Diese Musikhasser offenbaren durch ihre eigene Schamlosigkeit nur ihre eigene Unmenschlichkeit. Genau zu dem Zeitpunkt, als Jackson in den 80ern verfolgt wurde, wurde ebenfalls offensichtlich, dass seine Schmach aus der gewöhnlichen Respektlosigkeit herrührte, die die Kultur des Mainstreams gegenüber der Kreativität und dem Intellekt schwarzer Künstler zeigt. Auch dies brachte Jackson dazu, schreien zu wollen. Für die Hasser ist es bequem, zu ignorieren, dass MJs Songs, die jetzt die Straßen, Einkaufshallen und Tanzclubs füllen, die Bedeutung eines siegreichen Volksentscheids haben. Diejenigen, die die Musik lieben, gewinnen MJs Werk zurück, das auf das Beste, was in ihnen steckt, mit dem Besten, was er zu geben hatte, reagiert.


Übersetzung: Achildsbliss ❤ Danke!


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