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„A lot of people misunderstand me. That’s because they don’t know me at all.“ – Michael Jackson

Die Wahrheit über Michael Jacksons UK-Comeback



Dieser Artikel hinterfragt die Medienberichte über Michael Jacksons Auftritt bei den World Music Awards 2006. Der Journalist Charles Thomson war anwesend und bestreitet vehement Behauptungen, dass Jackson ausgebuht wurde. Im Gegenteil, er beschreibt eine enthusiastische Menge und eine beeindruckende Performance. Entsetzt zeigt er sich über die voreingenommene und falsche Berichterstattung, die Jackson zum Ziel hatte und seinen Ruf schädigte.


Ich fühlte mich heute dazu veranlasst, diesen Blog-Eintrag zu schreiben, denn ich sitze hier vor meinem Computer an genau dem Tag, an dem ich vor 7 Jahren eine Art Offenbarung der medialen Berichterstattung über Michael Jackson erleben durfte. Natürlich hatte ich seinen Prozess sorgfältig verfolgt und Gerichtsmitschriften mit den Presseberichten verglichen und war erschüttert über die fürchterlich voreingenommene Berichterstattung. Aber diese Berichte waren oft in Fakten verwurzelt. Die Journalisten hatten einfach Aussagen missinterpretiert oder – wie in den meisten Fällen, logen sie durch „weglassen“.

Was aber vor 7 Jahren geschah, war etwas anderes. Ich war mit eigenen Augen Zeuge einer völlig fingierten Story; die um die ganze Welt ging und Michael Jackson wieder einmal zu einer globalen Witzfigur machte und die sofort als „Fakt“ akzeptiert wurde. Bis zum heutigen Tag lese ich gelegentlich Presseartikel, die dieses fingierte Ereignis beschreiben, als wäre es die objektive Wahrheit. Es wurde in Jacksons Biografie als signifikantes Karriere Ereignis angegeben.

Zeuge der Erschaffung dieses Mythos zu sein, war eine Erfahrung, die mir seit dem im Gedächtnis geblieben ist. Als enthusiastischer Journalismus-Student stellte es einen schockierenden und traurigen Einblick in die düstereren Machenschaften der Medien dar.

WMA London 2006 Michael Jackson

Am 15. November 2006 trat Michael Jackson beim World Music Award in der Londoner Earls Court Arena auf. Es war sein erster offizieller Auftritt in der Hauptstadt seit seinem Freispruch im Juni 2005 und ich hatte das Glück, dabei zu sein. Einige Fans standen den ganzen Tag an, um sich gute Plätze direkt vor der Bühne zu sichern, aber ich musste noch zur Universität und konnte erst abends nach London fahren. Trotzdem ergatterten meine Freunde und ich problemlos Plätze an der vorderen Absperrung, seitlich, gleich neben dem Mischpult. Einen Teil des Abends verbrachten wir damit, mit den Leuten, die für den Sound und die Security zuständig waren, zu reden, die uns auch sagten, dass sie bei den Proben dabei gewesen waren und gesehen hatten, wie Jackson diesen „rettet-die-Welt-Song“ probte. Wir trafen sogar Katie Melua.

Es schien, als sei jeder wegen Michael Jackson dort. In jeder Pause während der Zeremonie erklangen im Rund der Arena Chöre, die seinen Namen riefen. Andere Performer des Programms, darunter Enya, Beyoncé und Andrea Bocelli, erhielten meist nur verhaltene Reaktionen auf ihre Performance, die oft in lauter werdenden „Michael!“ „Michael!“-Rufen endeten.

Die Nacht wurde von Verzögerungen geplagt. Lindsay Lohan, die als Moderatorin fungierte, verpatzte fast jeden ihrer Sätze und musste ihre Ansagen mehrmals neu aufzeichnen. Der Wechsel zwischen den Auftritten ging langsam vonstatten. An einer Stelle gab es für eine halbe Stunde oder länger mehr oder weniger gar nichts zu sehen: eine leere Bühne.

Als Michael Jackson schließlich erschien, um seinen Diamond-Award für den Verkauf von über 100 Millionen Alben entgegenzunehmen, explodierte der Ort.

Ich habe Paul McCartney gesehen. Ich habe Madonna gesehen. Ich habe Prince gesehen. Ich habe George Michael gesehen. Ich sah nie zuvor oder danach in meinem Leben einen Künstler, der solche Reaktionen hervorrief, wie Michael Jackson in dieser Nacht. Er erhielt den tosendsten, am längsten ununterbrochenen Applaus, den ich je sah.

Er blieb für ein paar Minuten auf der Bühne, um zwei kurze Dankesreden zu halten – eine für den Diamond Award und eine für eine Präsentation von Guiness World Records. Während der Reden konnte ich trotz des lauten Soundsystems kaum ein Wort von dem verstehen, was er sagte. Die meisten Künstler erhalten jubelnden Applaus, wenn sie die Bühne betreten und dann beruhigt sich das Publikum wieder. Michael Jackson rief eine Hysterie hervor. Gekreische und Weinen. Ab dem Moment, als er auf der Galerie erschien, beruhigte es sich nicht mehr, bis zu dem Augenblick, in dem er wieder hinter der Bühne verschwand. Es war ein unvergesslicher Anblick.

WMA 2006 We Are The world

Später kam er noch einmal, für eine Art kurze Performance. Er trat unter einer weiteren kakofonischen Begrüßung auf die Bühne, während seine Rekorde brechende Charity-Single We Are The World aus den Lautsprechern schallte. Er sang ein paar Zeilen und schien dann bittend in Richtung des Mischpults zu schauen. Mein Eindruck war, dass die Fans solchen Lärm verursachten, dass er sich selbst nicht hören konnte. Es war wie eines seiner Konzerte in den 80ern. Ich sah, wie Körper aus der Menge gezogen und in Rollstühlen weggebracht wurden.

Wenige Minuten später drehten die Sound-Leute komischerweise den Sound auf, genau, als er wieder zu singen begann. Aber egal. Der ganze Platz spielte nur noch verrückter. Es war ein emotionaler Moment, zu beobachten, wie ihm nach den Ereignissen des letzten Sommers solch ein stürmisches Willkommen bereitet wurde. Nachdem er ein wenig auf dem Verbindungsweg gestanden hatte, der von der Bühne hinaus in die Menge führte, wollte er von der Bühne weggehen, aber als der Jubel anschwoll – denn das Publikum wollte ihn nicht so schnell wieder gehen lassen – blieb er stehen und drehte wieder um. Verspielt hob er einen Finger an die Lippen, als ob er fragen wollte: „Soll ich bleiben, oder soll ich gehen?“ Das Geschrei wurde noch intensiver.

Er stand dort eine Weile, lächelnd, und saugte einfach die Bewunderung auf, erhob dann seine Faust zu einem triumphalen Black Power Gruß. Danach drehte er sich um und bummelte gelassen von der Bühne, wobei der Applaus auch weiterhin stark blieb, als er nicht mehr zu sehen war. Es war ohrenbetäubend.

Hier die ganze Performance:

Michael Jackson @ 2006 World Music Awards (Part 1)
Michael Jackson @ 2006 World Music Awards (Part 2)

Am nächsten Tag war ich zurück an der Universität. Als ich den Gang zu meiner ersten Vorlesung entlanglief, traf ich zwei Studienkolleginnen. Mit bedauernswertem Blick fragten sie mich: „Wie ist es gelaufen?“ Ich begann ihnen von den beeindruckenden Reaktionen zu erzählen, die Jackson erhielt; und wie mich deren Ausmaß überwältigt hatte. Es war eines der unbeschreiblichen Spektakel, die ich je erlebt hatte. Mir fiel auf, dass sie mich jetzt anblickten, als sei ich verrückt. Ich fragte, was nicht stimme und es stellte sich heraus, dass die Medien die Vorgänge dieser Nacht nicht so darstellten, wie sie gewesen waren. Als ich Gelegenheit hatte, ins Internet zu kommen, entdeckte ich viele Berichte, die behaupteten, er sei von der Bühne gebuht/gepfiffen worden.

„Michael Jackson verließ die Bühne letzte Nacht unter einem Pfeifkonzert“, behauptete Tom Bryant vom Mirror. „Die Menge, in Erwartung einer einwandfreien Version seines Songs, buhte den Star aus, der sich dann von der Bühne trollte.“

‚Trollte sich von der Bühne.‘ Seht das Video oben an. Jackson „trollt“ sich nicht nur NICHT „unter einem Pfeifkonzert“ von der Bühne – er bleibt sogar für mehrere Minuten auf der Bühne, nachdem seine Performance schon zu Ende ist, und nimmt die am nachdrücklich positivste Reaktion entgegen, die ich je bei einer Award-Verleihung zu sehen bekam.

Michael Jackson 2006 London

Julia Kuttner von The Daily Record schrieb eine nahezu identische Story: „Michael Jackson ging letzte Nacht unter einem Pfeifkonzert von der Bühne – nach nur vier Zeilen seiner ersten Performance in den UK seit neun Jahren. Jacko hatte sich Minuten vorher einen Preis bei den World Music Awards in London abgeholt. Aber nach dem er nur den Refrain seiner Charity-Single We Are The World gesungen hatte, hörte er auf und sagte dem Publikum mehrmals „I love you“. Jackson trollte sich von der Bühne, nachdem er von der Menge ausgebuht wurde, die eine einwandfreie Version des Songs erwartet hatte.“

The Evening Standard schritt auch zur Tat. Die Reporter Chris Elwell-Sutton und Valentine Low schrieben: „Sein viel gerühmtes Wiedererscheinen verwandelte sich in ein peinliches Desaster. Seine gesamte Performance bestand aus einer verstümmelten Zeile, vielen verpassten hohen Noten und einem Abgang unter einem Pfeifkonzert des Publikums. „I love you“, sagte er ihnen – ob dieses Gefühl jedoch erwidert wurde, ist fraglich.“

Ich konnte es nicht glauben. Hätte ein skrupelloser Reporter behauptet, Michael Jackson sei von der Bühne gebuht worden, wäre ich nicht so wütend gewesen. Jeder Berufsstand hat seine schwarzen Schafe. Aber dass mehrere Reporter, die an einem Ereignis teilgenommen hatten, bei dem Michael Jackson nachweislich und kategorisch nicht von der Bühne gebuht wurde, dann trotzdem alle Artikel schrieben, dass er es sei, zeigte mir deutlich eine Verschwörung zwischen verschiedenen Parteien, um eine gefälschte Story zu fabrizieren und bestehen zu lassen.

Dieser Mythos ging um die ganze Welt. „Michael Jackson wurde von der Bühne gepfiffen“, das wurde zum größten Lacher bei Panel-Shows und Promi Talkshows. Es spornte zu weiteren Geschichten an. Martin Hyde von The Guardian, wiederholte die Lügen, erklärte Jackson zum „Ex King Of Pop“ und behauptete, er habe nur ein paar Zeilen geschafft, bevor „das Ausbuhen begann“. Der Sunday Mirror betitelte eine Folge-Story mit: „Plastik-Freaks Comeback war wirklich diabolisch.“

Sogar Promi-Publizist Max Clifford kommentierte die Lügengeschichte und sagte dem Daily Record: „Das, was ihm als Performer immer zugutekam, war, dass er einer der Großen war. Diese Woche hat er dieses Image zerstört. Die Reportagen von den Awards sagen, er sang nur eine verstümmelte Zeile, verpatze mehrere hohe Noten und ging unter einem Buh-Konzert ab. Als Performer war das unbeschreiblich schädlich, und das ist alles, was von ihm bleibt. Ich glaube, Michael Jackson ist wahrscheinlich nicht mehr zu helfen.“

Als ich die Story Jahre später mithilfe des Zeitungsarchiv-Service Infotrac neu recherchierte, entdeckte ich etwas Interessantes; eine frühe Reportage des Mirror, der ganz der späteren fabrizierten Story widersprach. In zumindest einer Ausgabe der Zeitung liest sich ein Bericht von Eva Simpson und Caroline Hedley so: „Er ist wieder da! Michael Jackson war der größte Gewinner bei den Awards, wo er seinen ersten öffentlichen Auftritt seit neun Jahren gab. Der Star wurde mit einem Diamond-Award für sein über 100 Millionen mal verkauftes Album Thriller geehrt. Moderiert von Lindsay Lohan, sah das mit Stars gespickte Event im Londoner Earls Court Jacko eine erstaunliche Performance von We Are The World abliefern. Du bist es auf jeden Fall, Jacko.“

So schien irgendwann eine redaktionelle Entscheidung getroffen worden zu sein, dass die Zeitung, anstatt das zu berichten, was wirklich geschehen war, die Ereignisse der Nacht neu geschrieben hat, um das exakte Gegenteil der Wahrheit zu erzählen – und einige andere Publikationen taten genau das Gleiche.

Mir kam es vor, als hätten die Medien schon zuvor entschieden, welche Story man über Michael Jacksons Auftritt in London erzählen möchte – es war nur irritierend, dass er nicht mitgespielt hat. Als sein Auftritt eine riesige Bewunderungswelle hervorrief – wobei Fans in Rollstühlen abtransportiert werden mussten wie zu seinen besten Tour-Zeiten – passte das nicht zu der von dem Gewerbe vorverfassten Geschichte. Bestimmte Figuren hatten fest beschlossen, dass Jackson der „Ex-King-Of-Pop“ sei. Als der Earls Court tatsächlich seinetwegen so verrückt spielte, wie man es auch 20 Jahre zuvor getan hätte, passte das nicht – also ignorierten sie einfach diese lästige Wendung der Ereignisse und schworen aus dem Nichts ein Pfeifkonzert herauf. Wenn Jackson nicht brav seine Ex-King-Rolle spielen wollte, versuchten sie halt sie zu fabrizieren. Das war das klassische, britische Boulevard-Muskelspiel.

World Music Award 2006 Michael

Die Frustration und die Traurigkeit, die ich an dem Tag spürte, als ich entdeckte, dass diese Lüge absichtlich verbreitet wurde, und die Machtlosigkeit, die ich spürte, als ich einen TV-Moderator nach dem anderen, einen Komiker nach dem anderen dabei zusah, wie sie diesen Blödsinn recycelten, für den Konsum durch Millionen, die nicht vor Ort waren und niemals wissen würden, dass es alles nur erlogen war, überkommt mich jedes Mal wieder, wenn ich mich an dieses Debakel erinnere. Es war ein trauriger Tag für den Journalismus – aber dieser Berufsstand hat viele solcher Tage, wenn es um Michael Jackson geht.

Ich weiß nicht, warum ich zuvor nie etwas darüber schrieb, aber ein Freund postete heute zum Jahrestag ein Video des Events auf Facebook. Es wird Zeit, dass jemand die Dinge über diese Täuschung richtig stellt.


Übersetzung: MvdL


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Kommentare

5 Antworten zu „Die Wahrheit über Michael Jacksons UK-Comeback”.

  1. Danke dafür !!!

  2. Avatar von alexandra

    ..ein Freund war 2006 dabei und schilderte SEIN erleben ziemlich ähnlich wie es CT beschreibt..
    wenn ich/wir diese Videos betrachten sagt das eigentlich alles…doch wieder einmal wurde Michael Jackson von der tabloid Presse absichtlich und in vollem Bewusstsein „enttrohnt“…SHAME!!!

  3. was Michael Jackson im Laufe seiner Karriere angetan wurde, alleine durch die
    Medien, unseriöse und menschenverachtende Berichterstattung, ist Unvergleichlich !!!
    Dies‘ ist wieder ein Puzzleteil, wo die offensichtliche Wahrheit mit einer unglaublichen
    Dreistigkeit und Bösartigkeit ins genaue Gegenteil verkehrt wurde.
    MJ wurde das Opfer DER Verschwörung des Jahrhunderts in der Musikgeschichte.
    Er war einfach zu grossartig……..’man‘ wollte ihn klein bekommen!
    Danke an Charles Thompson für den Artikel, und für die Übersetzung.

  4. Oh ja, ich kann mich noch sehr genau an all die Lügen über diesen wundervollen Abend erinnern. z.B. das es Michael Jackson gewesen sein soll der mit seinen Divenhaften getue hinter der Bühne den ganzen Abend verzögerte und deswegen Tokio Hotel nicht mehr auftretten konnte. Was haben deren Fans über den „alten perversen Arsch den kein Schwein mehr sehen will“ ihren Hass und Wut ausgeschüttet….. die Wahrheit war,das talentfreie Tontechniker und Bühnenhelfer den Abend verzögerten und…das Tokio Hotel aus Jugendarbeitschutz-Gründen um diese Uhrzeit in England nicht mehr „arbeiten/singen“ durften!
    *faircoverage 😉

  5. Avatar von Raphaela Fuchs
    Raphaela Fuchs

    Danke dafür ❤

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