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„A lot of people misunderstand me. That’s because they don’t know me at all.“ – Michael Jackson

Analyse des Diane Sawyer Interviews von 1995



Der Beitrag analysiert ein kontroverses Interview von Michael Jackson mit Diane Sawyer im Jahr 1995. Die Diskussion beleuchtet die Beziehung zwischen Jackson und Lisa Marie, offenbart durch Körpersprache und Antworten. Das Interview bietet Einblicke in Jacksons Wunsch, sich auszudrücken, trotz Sawyers Versuchen, es zu kontrollieren.


Wenigstens war es ein Tanz, den er nicht allein tanzen musste
Wenigstens war es ein Tanz, den er nicht allein tanzen musste

Im vergangenen Oktober und November führte eine sehr interessante, mehrteilige Diskussion über Michaels HIStory-Teaser im Blog Dancing With The Elephant zu einer ebenfalls interessanten Diskussion im darauffolgenden Kommentarteil über Michaels Interview bei Diane Sawyer im Jahr 1995.

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Deutsche Übersetzung: 

Der Bezug des Sawyer-Interviews zu dieser Diskussion bestand darin, dass Sawyer den Clip des HIStory-Teaser-Films während des Interviews abgespielt hatte und damit Bezug auf die damalige Kontroverse über den Teaser als einem Pro-Nazi-Film nach dem Vorbild des Films Triumph des Willens nahm. Natürlich verneinte Michael diesen Vorwurf, aber die daraus entstandene Debatte hätte zu einer faszinierenden Diskussion darüber werden können, wie Michael seine Kunst sah – wäre nur ein wenig mehr Zeit in diesem Interview dafür geblieben, vielleicht aber auch, wenn Sawyer ihm nicht so abschätzig über den Mund gefahren wäre, bevor er überhaupt zu Wort kam, um etwas über seine Kunst sagen zu können.

Die Diskussion brachte mich dazu, mir das Interview mal wieder komplett anzusehen. Einige Dinge haben mich immer an diesem Interview interessiert, und ich entschied, dass nun eine gute Zeit war darauf zurückzukommen und es noch einmal aufzuarbeiten. Sicher, Diane Sawyer war während der ganzen Sache unnötig selbstgefällig und herablassend, was aber interessant für mich ist, sind Michaels Antworten – nicht nur der Inhalt dessen, was er sagt, sondern wie er es sagt. Bei der Analyse sowohl der Antworten, die Michael und Lisa Marie gaben, als auch ihrer gemeinsamen Körpersprache wird sehr viel preisgegeben und/oder es kann halbwegs vermutet werden – über ihre Beziehung, ihre Reaktionen zu den Fragen über die Anschuldigungen, über Michaels Aussehen und wie er als Künstler arbeitete. Ob direkt ausgesprochen oder durch ihre Körpersprache oder Reaktionen angedeutet kann vieles in diesem Interview zwischen den Zeilen gelesen werden. In den vergangenen Wochen bin ich immer wieder zu diesem Interview zurückgekehrt. Erstaunlicherweise kann dieses eine Interview glaubhaft die Fragen über Michael Jackson beantworten, die die Welt am brennendsten interessierten – wenn sie nur richtig hinsehen und –hören würde. Und das hat nichts – nothing, zero, nada, nilch – mit Diane Sawyers Fähigkeiten als Interviewerin zu tun, sondern einfach nur damit, wie ihre beiden Interviewpartner reagieren.

Man kann sie fast sagen hören:
Man kann sie fast sagen hören: „Lass‘ uns diese Sache durchziehen!“

Ein Grund, weshalb ich denke, dass dieses Interview wahrscheinlich etwas offenherziger ist als viele andere, die Michael allein gab, besteht vielleicht darin, dass Lisa Marie bei ihm war. Michael hatte natürlich vorher schon Interviews mit anderen zusammen gegeben. Während seiner gesamten Jugend hatte er Interviews mit seinen Geschwistern gegeben. Und er hatte Interviews an der Seite von Freunden gegeben, wie jenes, bei dem Elizabeth Taylor während seines Oprah Interviews kurzzeitig dabei saß, aber solche Interviews waren selten geworden während seiner Zeit als erwachsener Superstar – im Grunde waren Interviews an sich Mitte der 90er-Jahre eine Seltenheit geworden, und die wenigen, die er gewährte und von denen erwartet wurde, dass er allein im Zentrum des Interesses stand, wurden immer mit viel Glanz und Gloria begrüßt. Dieses Ereignis war daher insofern historisch, als er zum ersten Mal ein Interview vollständig an der Seite von jemandem führte, dessen Vertrautheit mit ihm sowohl über Blutsverwandtschaft, als auch über reine Freundschaft hinausging – mit anderen Worten, es war das erste Mal, dass er jemals mit jemandem für ein Interview da saß, mit dem er auch nach Hause gehen würde, wenn die Kameras stoppten. Ja, ich spreche darüber, sich mit hinzusetzen und gemeinsam mit einem Partner über sich selbst zu sprechen; mit jemandem, der weiß, ob er den Sitz der Toilette wieder herunterklappt oder nicht. Mit anderen Worten, eine Ehefrau. Dementsprechend herrscht während dieser Unterhaltung eine wesentlich vertrautere Atmosphäre als bei Michaels Interviews der Vergangenheit. Es ist nur natürlich, dass wir dazu neigen, unsere Wachsamkeit und Abwehrhaltung zu lockern, wenn wir uns in vertrauter Gesellschaft befinden. Und wir können auch beobachten, wie Michael und Lisa dazu neigen, einander zu reflektieren und manchmal aneinander abzuprallen. In den Fällen, in denen Michael normalerweise der Frage ein wenig ausgewichen wäre oder seine Standardantworten gegeben hätte, kommt Lisa mit Antworten um die Ecke, die das Interview leicht aus dem Gleichgewicht bringen. Eigentlich gibt es einige Stellen in dem Interview, an denen sie entschlossener als Michael zu sein scheint, gewisse Dinge richtigzustellen (was vielleicht dem Wunsch entspringt, einiges der harten Kritik zu entschärfen, die seit ihrer Hochzeit an sie gerichtet wurde), aber wir sehen hier auch einen sehr lebhaften Michael, der, anscheinend zum ersten Mal wirklich seine Meinung sagen will, auch wenn er daran oft durch Sawyer gehindert wird, die offensichtlich versucht, das Interview zu kontrollieren, es zu manipulieren und es dahin zu steuern, wohin sie es haben will. Viele Male während des Interviews ist es offensichtlich, dass Michael vor Ungeduld platzt. Er möchte nicht gelenkt werden, er möchte seine Meinung äußern – und offen gesagt gibt es Zeiten, da eine sichtlich frustrierte Sawyer alle Hände voll zu tun hat, ihn unter Kontrolle zu halten.

Von Anfang an ist dies natürlich die Art von Dynamik, die beabsichtigt, Michael sofort in eine benachteiligte Position zu bringen, zwischen zwei Frauen, die über ihn reden. Es handelt sich um dasselbe unbehagliche Dreiecksverhältnis, das Oprah Winfrey in ihrem Interview 1993 herstellte, als sie Liz Taylor zum Gespräch dazu bat. Craig Baxter, ein bekannter Experte für Körpersprache, nahm eine faszinierende Videoanalyse über Michaels Körpersprache während dieses Interviewausschnitts vor. Obwohl Liz nur Positives sagte, ging es natürlich nicht um die gesprochenen Worte. Es war die absichtlich herbeigeführte unangenehme Situation, jemanden im Raum stehenzulassen (nachdem er buchstäblich seinen Platz für Elizabeth hergegeben hatte), während über ihn gesprochen wurde. Und dazu kommt noch, dass er wusste, in diesem Moment landesweit im Fernsehen zu sehen zu sein. Was macht man dann? Wo lässt man seine Hände? Welchen Gesichtsausdruck zeigt man? Craig Baxter hat recht. Wenn man das Video ansieht, ist zu erkennen, was für ein unangenehmer, unbehaglicher Moment dies für ihn ist. Stellt euch nur mal vor, wie unwohl sich die meisten Männer fühlen würden, wenn sie in einem Raum mit ihrer Frau und ihrer Schwiegermutter stecken und zuhören müssten, wie sie über ihn reden! Nun, stellt euch einfach dieses Szenario vor und ihr könnt ziemlich gut erahnen, wie Michael sich gefühlt hat. Auch wenn die Kommentare über ihn gut gemeint sind, entschärft es doch nicht die betretene Verlegenheit dieses Augenblicks. Wie Baxter bemerkt, scheint es fast wie eine absichtliche Inszenierung, um ihn bewusst zu benachteiligen. Schließlich sollte er im Mittelpunkt des Interviews stehen, nicht Taylor. Vielleicht handelte es sich hier nur um mangelhafte Planung (Oprah wollte Michael offenbar mit Taylors Erscheinen überraschen), aber man bittet keinen großen Star wie Michael Jackson zu einem Interview und zwingt ihn dann tatenlos am Rand zu stehen, während jeder im Raum über ihn quatscht.

Nun ein schneller Sprung ins Jahr 1995, und wieder hat Michael einer Situation zugestimmt, in der er direkt in eine Art benachteiligte Position gebracht wird, als ein Mann zwischen zwei Frauen – seiner Ehefrau und einer äußerst angriffslustigen Interviewerin. Als er darauf einging, musste er wissen, dass er das Hauptthema der meisten Fragen sein würde. Diane Sawyer interessiert sich nicht für Lisa Marie, es sei denn indirekt als Partnerin in dieser Ehe. Jede Frage bezieht sich auf Aspekte seines Lebens: Hat er ein Kind belästigt oder nicht? Hat er seine Haut gebleicht oder nicht? Hat er mit seiner eigenen Frau geschlafen oder nicht? Er musste bereits wissen, dass sich nur sehr wenig davon auf das konzentrieren würde, worüber er wirklich sprechen wollte – seine Kunst und sein neues Album. Aber jedes Interview ist eine erneute Gelegenheit, eine Chance seine Meinung zu sagen, eine Chance einige Dinge richtigzustellen. Also ging er bereitwillig in die Höhle des Löwen. Wieder einmal.

Prime-Time Interview With Michael Jackson & Lisa Marie Presley ’95 (Part 2/6)

Das Interview beginnt ganz harmlos damit, dass Sawyer Michael und Lisa über den Beginn ihrer Beziehung befragt. Ich würde sagen, das war eine faire Frage, denn für viele von uns schien diese Beziehung plötzlich, wie aus dem Nichts, gekommen zu sein (gefolgt von dem damit verbundenen Misstrauen). Wie sich herausstellte, konnte nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein. In diesem Abschnitt ist Michael sehr lebhaft und offen und schwärmt von der Anziehungskraft, die für ihn nun schon seit zwanzig Jahren andauerte.

Lisa im Alter von 7 Jahren, als sie einen bleibenden Eindruck auf einen damals 17-jährigen Michael gemacht hatte
Lisa im Alter von 7 Jahren, als sie einen bleibenden Eindruck auf einen damals 17-jährigen Michael gemacht hatte

Lisa hatte im zarten Alter von sieben Jahren einen anhaltenden Eindruck auf ihn gemacht. Er war siebzehn, als sie sich in Las Vegas das erste Mal hinter der Bühne trafen. Seine Körpersprache während dieses Abschnittes ist offen und direkt, was darauf hinweist, dass seine zum Ausdruck gebrachten Gefühle authentisch sind. Sein Verhalten ist ein wenig das eines Mannes, der sich immer noch in der Hochstimmung seiner Flitterwochen befindet. Er empfindet sich immer noch als den glücklichsten Kerl der Welt, der sie schließlich „herumbekommen“ hat. Die Spontaneität seiner Gestik, sein Lächeln, als er sich an ihre Anfänge erinnert, sind das Kennzeichen aufrichtiger Gefühle. Tatsächlich ist er so in den Erinnerungen gefangen und es sprudelt über seine bereits zwanzig Jahre währende Anziehung ihr gegenüber aus ihm heraus, dass er für einen Moment fast vergisst, dass es für manche vielleicht ein wenig unheimlich erscheint, dass er bei ihrem ersten Treffen siebzehn war und sie erst sieben, weshalb er sich beeilt nachzusetzen, dass er Branca erst bat, sie zu kontaktieren, als sie 18 war. Es ist wirklich ein sehr süßer Moment in dem Interview, als er bemerkt, dass er besser klarstellt, bis dahin keinerlei romantisches Interesse gehabt zu haben. Es ist in dem Sinne süß, dass er einfach nicht sein Anhimmeln ihr gegenüber verbergen kann, und es ist schwer für ihn, sich an eine Zeit zu erinnern, als er nicht diese Gefühle für sie hatte.

Während dieses Teils des Interviews ist er sehr viel offener als Lisa, die ziemlich ruhig und verschlossen bleibt und ihm hier die Führung überlässt. Ich denke nicht, dass es nötig ist, hier zu viel hineinzulesen. Sie überlässt ihm die Führung, denn er war damals schließlich siebzehn Jahre alt. Ihre Erinnerungen im Alter von sieben Jahren dürften nicht annähernd so klar gewesen sein wie seine. Außerdem erkennt sie, wie wichtig diese Gelegenheit für ihn ist, seine Gefühle für sie auf einer weltweiten Plattform auszudrücken. Zu diesem Zeitpunkt war dies etwas, was die Welt hören sollte – welche Gefühle hegte Michael wirklich gegenüber Lisa Marie Presley? Gott sei Dank tat er nicht so etwas Verrücktes wie auf einer Couch auf- und abzuspringen! Er sagte nicht einmal „Ich liebe diese Frau“, aber das musste er auch gar nicht. Noch einmal, seine Körpersprache zeigt hier alle Merkmale von wirklicher Aufrichtigkeit, besonders für jeden, der mit der für ihn typischen Ausdrucksform und seinen Gesten vertraut ist. Als er sagt, er wäre „aufgewühlt“ gewesen, als er die Bekanntgabe ihrer Heirat mit jemand anderem auf einem Magazincover gesehen habe, scheint das eine sehr ehrliche Feststellung zu sein.

Bisweilen scheinen die Erinnerungen der beiden hinsichtlich der Details ihres Werbens umeinander sonderbar verschwommen. Aber dies sind die normalen Gedächtnislücken, die nach solch einer stürmischen Phase des Werbens wie dem ihren entstehen können. Die Beziehung kam zwar nicht über Nacht zustande, aber die Dinge haben sich in der Tat in einem solch schwindelerregenden Tempo entwickelt, seit sie sich 1992 als Erwachsene neu kennenlernten. Einige der kleinen Lücken, wie die, bei denen der eine die Erinnerungen des anderen über die Details ihres Antrags wieder auffrischen muss, sind vollkommen normal und natürlich, wenn man die Umstände ihrer Verlobungszeit bedenkt. Dazu kommt noch der Druck, der durch die Interview-Situation entsteht. Das erhöhte Adrenalinlevel, das mit einem Interview einhergeht, ist dasselbe, das die „Kampf- oder Fluchtinstinkte“ in Gang setzt. Man fühlt sich in die Enge getrieben, ist sich intensiv bewusst, dass jedes Wort und jede Geste unter die Lupe genommen wird. Die Angst eine „falsche“ Antwort zu geben, auch wenn es nichts zu verbergen gibt, kann Angstlevel in einem Maß auslösen, die Erinnerungslücken zur Folge haben. Die Tatsache, dass Michael und Lisa ihrer Erinnerung gegenseitig nachhelfen müssen, ist typisch für viele verheiratete Paare, und es ist unterhaltsam, ihr Zusammenspiel zu beobachten. Sie wirken manchmal ein wenig wie zankende Kinder – ein weiteres todsicheres Zeichen wirklicher Chemie zwischen ihnen.

Zu diesem Zeitpunkt des Interviews sind beide sehr ungezwungen. Die Fragen erzeugen keinerlei Spannung. Diese Atmosphäre ändert sich abrupt, als Sawyer damit beginnt, sie bezüglich der Anschuldigungen in die Mangel zu nehmen. Seht euch Michaels und Lisas Gesichter bei etwa 3:18 an, als sie die Unterhaltung auf die Vorstellung lenkt, ihre Ehe sei „zu zweckdienlich“. Man kann deutlich erkennen, wie sich beide für das wappnen, was jetzt kommt.

Jedoch sollte man an dieser Stelle anmerken, dass sie sicherlich nicht blindlings mit der Erwartung, dass diese Fragen nicht gestellt würden, in dieses Interview gegangen sind. Es ist leicht, manchmal den Reporter in derartigen Situationen zu kritisieren, aber Michael und Lisa hatten vorher anscheinend eine Vereinbarung unterschrieben, dass es keine Fragen geben würde, die tabu seien, es war also nicht gerade so, als wären sie vollkommen unerwartet in den Hinterhalt gelockt worden. Die beste Interpretation ihres Ausdrucks zu diesem Zeitpunkt wäre, dass sie beide ihre mentalen Waffen für den Teil des Interviews startklar machen, der ihrer Ansicht nach am unerfreulichsten werden sollte. Sie wissen bereits, dass die Fragen in die Privatsphäre eingreifen, persönlich und emotional schwierig zu steuern sein werden – und dass, in Michaels Fall, eine nicht gut durchdachte Antwort in weitere Probleme mit den Chandlers, bezogen auf die rechtliche Abwicklung des Vergleichs, münden könnte (was unweigerlich als direktes Ergebnis dieses Interviews auch passierte).

Interessanterweise waren sowohl Michael als auch Lisa bereits lange genug Personen öffentlichen Interesses, sodass die für sie typischen Gesten fast jeder Emotion oder bestimmter Umstände ziemlich bekannt waren. Auf die nun gestellten Fragen reagierten beide jeweils in der für sie typischen Art und Weise, in der sie mit schwierigen Interviewfragen umgingen. Eine für Lisa typische Geste ist etwa die Tendenz, ihren Kopf einzuziehen und den Interviewer mit Blick nach oben anzusehen, die halb geschlossenen Augenlider (dieses physische Merkmal, mit dem sie ihrem Vater so ähnlich ist) wird so noch mehr betont. Ihr Blinzeln nimmt dramatisch zu. Die Geste sieht ein wenig ausweichend aus, kann aber eigentlich als ein unbewusster Abwehrmechanismus gedeutet werden. Michaels Blick ist unbeugsam und geradeaus, fast ohne Blinzeln, und er schluckt sichtbar schwer. Die typische Reaktion von Leuten, die nicht sehr versiert in der Interpretation von Körpersprache sind, wäre, dies als Zeichen von Nervosität oder Angst, gleichgesetzt mit Schuld, zu deuten. In Wirklichkeit ist Schlucken ein natürlicher Reflex in einer Stresssituation, aber nicht notwendigerweise mit Schuld gleichzusetzen. Es bedeutet ganz einfach, dass derjenige unter Stress steht. Die Aussicht darauf, diese Probleme öffentlich ansprechen zu sollen, begrüßt er ganz sicher nicht, da genau dieses Thema belastend und ihm zuwider ist und ihn den stechenden Blicken auf dem Prüfstand aussetzt, die er sicher lieber vermeiden würde. Er wusste, dass die Frage aufkommen würde, er wollte nur nicht unbedingt „darauf zugehen“. Er wusste, die Frage würde kommen, aber er musste deshalb nicht zwangsläufig selbst „darauf zugehen“. Man beachte, dass sein Blick geradeaus gerichtet bleibt, offen, sicher und fest. Er weicht der Frage nicht aus, sondern vielmehr wappnet er sich dafür. Beide verdauen die Fragen sorgfältig auf ihre ganz eigene Weise und bereiten eine Strategie für ihre Antwort vor. Es ist auch interessant, dass beide hier eine sehr ähnliche Verteidigungsposition einnehmen. Wenn man den Clip bei 4:33 anhält, dann sieht man, dass Lisa mit eng gekreuzten Beinen sitzt. Sowohl sie als auch Michael haben ihre Hände vor sich verschränkt. Wie jeder Experte für Körpersprache sagen wird, ist dies eine Geste, durch die (natürlich unbewusst) beabsichtigt wird, eine Grenze zwischen sich und der anderen Person zu ziehen.

Obwohl Sawyer sich große Mühe gibt das Interview zu lenken, erweisen sich sowohl Michael als auch Lisa Marie als sehr schwer „lenkbar“. Ich habe selten ein Interview gesehen, bei dem der Reporter so oft unterbrochen wird, wie es bei Sawyer während dieses Abschnitts der Fall ist! Aber wir müssen uns die zugrundeliegende Motivation dieser beiden Menschen in Erinnerung bringen. Sie wurden offensichtlich in dem Glauben gelassen, dass dies ein Versuch sei, sich offiziell äußern zu können, um einige Missverständnisse klarzustellen – über die Anschuldigungen, über den Stand ihrer Ehe. Beide, sowohl Michael als auch Lisa, scheinen frustriert darüber zu sein, mitten in ihren Gedanken unterbrochen zu werden oder manipuliert zu werden, in eine andere Richtung als dem gerade eingeschlagenen Kurs zu gehen.

Die erste dieser Unterbrechungen tritt auf, als Sawyer Lisa fragt, ob sie ihn jemals gefragt habe, ob die Vorwürfe wahr seien. Lisa sagt auf empathische Weise Nein, das habe sie nicht getan. Somit besteht die unausgesprochene Vermutung, dass sie seine Unschuld einfach geglaubt habe. Denkt dran, das ist genau die Sache, für die sie in ihrem späteren Oprah-Interview kritisiert wurde, in dem sie sagte, soweit sie wüsste, habe sie nie ein Fehlverhalten gesehen, aber sie könne sich auch nicht dafür verbürgen, „was hinter verschlossenen Türen vor sich gegangen sei“. Für diese Äußerung hat sie viele Feuer von den Fans bekommen, die das Gefühl hatten, sie hätte ihn lieber unzweideutig verteidigen sollen, als einen kleinen Spalt für die Zweifler offenzulassen. Aber hier ist es das Gegenteil: Sie vermittelt den Eindruck einer Frau, die nie an ihm gezweifelt hat, sogar in einem Maß ihn nicht einmal zu fragen. Erst als Sawyer wieder zu sprechen beginnt, muss sie noch mal über diese Antwort nachgedacht haben und unterbricht sie, um zu sagen: „Ich musste es nicht.“ Offenbar musste sie Michael dazu gar nicht befragen, weil er sehr offen war und alle Informationen, die für eine Beurteilung nötig waren, selbst lieferte. Das ist es, was sie meinte, als sie sagt, am Telefon sei es alles „Ahhhhhh!“ gewesen. Für Michael war sie jemand, bei dem er sich über jeden Aspekt des Falles auslassen konnte, sodass es nicht nötig war, die Frage überhaupt aufzuwerfen. Sie hatte jedes Detail von ihm selbst erfahren.

Sawyer wendet sich als Nächstes wieder Michael zu. Sein Verhalten hat sich nicht geändert. Er bleibt während dieses Abschnitts stoisch wie ein Stein, jedoch können wir erkennen, wie er sich innerlich selbst gegen das wappnet, was sich so anfühlt, wie in einem Zeugenstand in die Mangel genommen zu werden. Auch wenn vorher vereinbart wurde, dass sie nicht davor zurückscheuen würden, irgendwelche Fragen zu beantworten, muss ich sagen, ich denke, es war die Höhe der Absurdität von Diane Sawyer, ihn zu fragen, ob er jemals ein Kind auf sexuelle Art und Weise angefasst habe. Für genauso absurd halte ich diese Frage, wenn Interviewer sie bis zum heutigen Tag an Michaels Familie und engste Freunde richten, wenn diese sich zu Interviews bereit erklären (Oprah ist berüchtigt dafür). Ich meine, wirklich, was sollen Freunde und Verwandte auf solch eine Frage antworten? Was sollte Michael hier sagen? Auch wenn Michael schuldig wie die Sünde gewesen wäre, wäre es nicht so, dass er im Fernsehen sitzen und es zugeben würde. Warum tun sie es also? Was ist der Modus Operandi, der hinter der Strategie solcher Fragen steckt? Aus der Perspektive des Interviewers dient die Frage zahlreichen Funktionen. Eine besteht natürlich in der Rechtfertigung, der Person ermöglicht zu haben „die Dinge richtigzustellen“. Aber meistens ist das, worauf sie wahrscheinlich wirklich hoffen, sie irgendwie zu Fall zu bringen – nicht unbedingt durch ein klares Bekenntnis (von dem sie ohnehin wissen, dass sie es nicht bekommen) als vielmehr um sie in eine Art unabsichtliches Fettnäpfchen treten zu lassen oder in manchen Fällen um einfach zu sehen, ob sie sich winden. Dies bringt wiederum den Aspekt der Sensationsgier ins Spiel, den „Aufhänger“, der Einschaltquoten garantiert. Die Wahrheit ist, dass es die meisten Journalisten wirklich nicht interessiert, ob das Verbrechen stattgefunden hat oder nicht. Aber indem sie Interesse vortäuschen, können sie die Fragen stellen, von denen sie wissen, dass sie dem Zuschauer dadurch, dass sie die Zielperson in eine schutzlose Lage bringen, Appetit auf mehr machen. Die Leute beurteilen nicht nur ihre Antwort, sondern wie sie antworten. Erscheinen sie offen und ehrlich oder durchtrieben und verdächtig? Die Zuschauer sehen nicht so sehr darauf, was gesagt wurde, sondern wie es gesagt wurde und, in manchen Fällen, was nicht gesagt wurde. Diese Art Fragen werden als Versuch „zwischen den Zeilen“ ihrer Antworten zu lesen, gestellt. Sie sind vielleicht nicht so eindringlich wie polizeiliche Befragungen, aber sie verfolgen doch irgendwie den gleichen Zweck – nämlich dass eine unschuldige Person nichts zu verbergen haben sollte. Eine schuldige Person jedoch könnte unter dem Druck zusammenbrechen. Wenn es einem Reporter gelingt, einen solchen „Schnitzer“ hervorzurufen, dann betrachtet er dies als einen Hauptgewinn. Wir dürfen davon ausgehen, dass Martin Bashir einen feuchten Traum hatte, als er Michael dazu gebracht hatte über das Teilen seines Bettes mit Kindern zu sprechen. Aber es war eine Reaktion, zu der Michael auf sehr gerissene Art und Weise genötigt wurde, und dies wird bei wiederholtem Anschauen des Filmmaterials offensichtlich. Ich versuche nicht zu behaupten, dass Bashir Michael die Worte in den Mund gelegt hat, aber es war die insgesamt kriegerische und manipulative Natur der Befragung, die darauf angelegt war, Michael in die Defensive zu treiben. Eine Person, der das Gefühl vermittelt wird, sie müsse sich verteidigen, ist eine Person unter Zwang – eine Situation, die sich ganz sicher zugunsten des Reporters und nicht der befragten Person auswirkt. Je mehr sich eine Person in die Enge getrieben und genötigt fühlt, desto mehr lässt ihre Wachsamkeit nach. Aber dies tritt unabhängig von Schuld oder Unschuld der Person ein. Genau wie die meisten wahrscheinlich unter einer intensiven Befragung zusammenbrechen würden, ganz gleich, ob sie ein Verbrechen begangen haben, so kann eine Person auch zerbrechen und um sich schlagen, wenn während eines Interviews zu viele Knöpfe bei ihm gedrückt werden. Die reine Überreizung der Sinne, wenn man in eine Verteidigungsposition gezwungen wird, kann einen dazu bringen, nervös und gereizt zu reagieren. Michael wurde in Interviews oft bis an den Rand dessen gebracht (wir sehen es hier, wir sahen es in dem Oprah-Interview und wir sahen es in dem Martin-Bashir-Interview). Ich glaube, seine Irritation entsprang daraus, dass er Dinge gefragt wurde, die er als seine Privatsphäre und als irrelevant betrachtete. Auch wenn er dieser Art „alle Mittel erlaubenden“ Interviews zustimmte (weil er ihre Notwendigkeit erkannte und weil Leute, auf die er hörte, ihm immer sagten, es sei eine gute Idee), mochte er sie nicht. Wie auch Lisa Marie später sagte, der Rebell in ihm schlug oft auf überraschende Weise um sich. Und wenn er sich über etwas aufregte, dann hatte er nicht vor einen Rückzieher zu machen, auch wenn andere annahmen, dass seine Ansichten im besten Fall „seltsam“ oder „exzentrisch“ seien. Wenn wir uns noch einmal die Bashir Doku ansehen, dann ist es nicht die Fragestellung darüber, ob er ein Kind sexuell missbraucht habe, die ihn auf die Palme bringt. Vielmehr ist es die Stelle, an der Bashir ihn mit der Frage bedrängt, wie er es finde, wenn Erwachsene ihr Bett mit Kindern teilen. Damit hat Bashir auf die direkte Anschuldigung hingewiesen, anstatt sich auf das zu konzentrieren, was möglicherweise als eine philosophische Fragestellung hinsichtlich Michaels persönlicher Werte hätte ausgelegt werden können. Handelt es sich hierbei um eine Praxis, die moralisch richtig oder falsch ist? Das Problem dieser Taktik ist, dass es eine Anspielung von der Handlung einer Person weg auf den sich in einer Grauzone befindenden, eher subjektiven Bereich der persönlichen Ansichten ist, die ziemlich tief im Glaubenssystem jedes Einzelnen und seiner kulturellen Werte oder auch der Umstände, unter denen jemand aufgewachsen ist, verwurzelt sind. Für Michael, der in einem winzigen Haus aufwuchs und sein Bett mit seinen Brüdern und vielen Cousins und Cousinen teilte, war es normal, dass Leute sich die Betten teilten. Es ist eine Intimität, die mit Sex nichts zu tun hat. Folglich war es seine aufrichtige Ansicht, dass das Verhalten selbst kein moralisches Fehlverhalten beinhaltete. In Michaels Augen wurde es nur zu etwas moralisch Falschem, wenn eine gewisse Grenze überschritten wurde, d. h. wenn es zu etwas Sexuellem wurde. Dies hat möglicherweise einen wesentlichen Anteil bei der Erklärung dessen, was für viele eine offensichtliche Trennung seitens Michael von der Vorstellung sein Bett zu teilen und tatsächlichem sexuellem Missbrauch eines Kindes zu sein schien. Im heutigen Amerika und in vielen Kulturen weltweit wird das Bett automatisch aufgrund der vermuteten Intimität zweier Menschen auf so kleinem Raum, mit einem Ort gleichgesetzt, an dem Sex stattfindet. Das Schlafzimmer ist zu einem Synonym für Sex geworden. Wenn wir sagen, ein Paar hat Probleme „im Schlafzimmer“, dann wird automatisch angenommen, wir sprechen über ihr Sexleben. Wir benutzen den Ausdruck „miteinander schlafen“ als eine kulturelle Umschreibung für sexuelle Aktivitäten. Michael setzte in seiner persönlichen Vorstellungswelt das Bett nicht automatisch mit Sex gleich, und er schien sich nicht besonders darum zu sorgen, ob die Gesellschaft deswegen einen Sündenbock aus ihm machen wollte, dass er außergewöhnliche Ansichten zu diesem Thema hatte. In dieser Hinsicht haben ihn möglicherweise manche für unglaublich töricht oder für unglaublich mutig angesehen. Aber wie wir auch immer über seine Reaktionen denken, der vielzitierte Glaube, dass Michael selbst sein größter Feind in Sachen Public Relations bei Interviews war, macht langsam einer neuen Denkweise Platz, da mehr und mehr Experten für Körpersprache wie Craig Baxter begonnen haben Michaels Interviews zu analysieren und öffentlich anerkennen, dass er weit davon entfernt ist der lügende Manipulator zu sein, als den ihn manche Kritiker gern darstellen, sondern dass er in Wirklichkeit eine Person ist, die in den meisten Fällen sehr aufrichtig und von geradezu brutaler Ehrlichkeit ist. Manchmal vielleicht zu brutal ehrlich, als es gut für ihn gewesen wäre. Und dies ergibt auf perfekte Art einen Sinn, wenn wir sein eigensinniges Beharren auf der Verteidigung sogar solchen Verhaltens bedenken, von dem er weiß, dass die meisten es als bestenfalls fragwürdig betrachten. Michael ist im Grunde so ehrlich, dass er nicht anders kann, auch wenn er weiß, dass seine Ehrlichkeit zwangsläufig dazu führen wird, sehr zu seinem Nachteil missgedeutet zu werden. Dies ist wahrlich nicht das Erkennungsmerkmal eines Menschen, der etwas zu verbergen hat, sondern eher eine metaphorische Entsprechung für jemanden, der sein mitfühlendes Herz auf der Zunge trägt. Anstatt mit all den „sicheren“ und „korrekten“ Antworten auf Nummer sicher zu gehen, breitet er alles vor uns auf dem Tisch aus, als ob er sagen wollte: „Dies ist Michael Jackson. Nimm ihn, wie er ist oder lass’ es.“

An diesem Punkt muss sich jeder einmal die Frage stellen: Würde eine schuldige Person so handeln? Oder würde diese es nicht eigentlich eher als angemessen befinden, die sichere Karte auszuspielen und all jene „korrekten“ Antworten zu geben, so als würden sie von einem Skript abgelesen werden? Dass Michael nur zu „echt“ war, ist wahrscheinlich eine der liebenswertesten Eigenschaften seiner Interviews.

Aber ich merke, dass ich gerade ziemlich lange vom Interview selbst abgeschweift bin, also lasst uns an den Punkt zurückkehren, an dem ich aufgehört habe. Jedenfalls hatte Diane Sawyer gerade Lisa Maries Antwort zugehört, und sich nun Michael zugewandt, um seine Sicht der Anschuldigungen zu erfahren. Trotz allem, was ich vorhin gesagt habe, gibt es hier etwas Positives an Sawyers sehr spezifischer und direkter Art der Befragung. Michael sagte oft in Interviews, dass er niemals „ein Kind verletzen“ würde, so wie er es auch hier äußert. Allerdings ist das Problem bei dieser Antwort, und eins, auf das sich seine Gegner seit jeher gern gestürzt haben, dass Pädophile selten glauben, sie würden ein Kind verletzen oder ihm schaden, wenn sie sexuelle Handlungen an ihm verüben. Der typische Pädophile leidet grundsätzlich unter einer Fehleinschätzung, wodurch er aufrichtig glaubt, er würde liebevolle Handlungen ausführen, die dem Kind keineswegs Schaden zufügen. Sie setzen die Vorstellung, ein Kind „zu verletzen“ mit physischem Missbrauch gleich, wie Schlagen und Prügeln oder Vernachlässigung. Sowohl Hater als auch Zweifler haben diese Frage in Bezug auf Michaels Antworten erhoben. War dies tatsächlich eher eine dieser typischen Fehleinschätzungen Pädophiler? Ich kann diese Bedenken etwas verstehen. Aber hier ist die Fragestellung sehr, sehr direkt und präzise, und vielleicht gab es am Ende doch einen berechtigten Grund dafür, auch wenn die Frage beim ersten Hören lächerlich erscheint. Sawyer fragt ihn direkt und ausdrücklich: „Hast du JEMALS an diesem oder einem anderen Kind sexuelle Handlungen begangen, ihn liebkost oder sexuellen Kontakt gehabt?“ Dementsprechend gab es absolut keine Mehrdeutigkeit in Bezug darauf, was mit „ein Kind verletzen“ gemeint war, und keine Mehrdeutigkeit darüber, ob Michael genau verstanden hatte, was er gefragt worden war. Angesichts eines solch gezielten und direkten Befragens bleibt er immer noch geradeheraus und unverblümt dabei, dass er niemals eine solche Tat begangen hat. Sowohl seine Worte als auch seine Gesten sind an dieser Stelle entschieden und einfühlsam – die starke Betonung des Wortes „nicht“, als er sagt „Das bin ich NICHT!“ (Das beschreibt nicht den, der ich bin), das Schütteln des Kopfes (was Baxter als eines der grundlegenden Merkmale von Ehrlichkeit hervorhebt). Seine Betonung und Gesten sind hier denen in der Fernsehübertragung von 1993 sehr ähnlich, als er sich zum ersten Mal gegen die Anschuldigungen ausgesprochen hat – dieselben empathischen Gesten, dieselbe entschiedene Betonung verneinender Worte wie „nicht“ und „niemals“. Jeder Experte für Körpersprache wird euch bestätigen, dass dies nicht die Art ist, in der eine Person reagiert, die lügt. Vielmehr sind dies die Worte und das Verhalten eines Menschen, der große Empörung und Enttäuschung verspürt – genau die Art von Emotionen, wie sie von einer ungerechtfertigterweise beschuldigten Person erwartet würden. Menschen, die lügen, werden unbewusst versuchen, als eine Art Ablenkung zurückzuweichen, es gibt bei ihnen sehr wenig Lebendigkeit oder Nachdruck, da ihr unterbewusstes Streben dahin geht, das Thema zu wechseln und so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich und ihre Reaktionen zu lenken. Folglich tendieren sie dazu, anstatt sehr energisch und lebhaft in ihren Reaktionen zu sein, wie es bei Michael während der Fernsehübertragung 1993 und auch hier im Diane Sawyer Interview war, sehr reduziert in ihren Reaktionen zu sein. Beachtet beispielsweise hier den deutlichen Unterschied zwischen Michaels Reaktionen und jenen von Jerry Sandusky, besonders bei etwa 2:18. Sanduskys Stimme klingt monoton, er neigt dazu sehr viel wegzusehen, und er vermeidet mitfühlende Gestik. Vergleicht dies noch einmal damit, wie Michael hier reagiert.

An Interview With Jerry Sandusky | The New York Times

Eine weitere interessante Frage ist, als Sawyer ihn fragt, was mit jemandem geschehen soll, „der so etwas tut“. Da die Fragestellung derartig präzise war, besteht kein Zweifel darüber, was mit „jemand, der so etwas tut“ gemeint ist. Man kann sehen, dass die Frage Michael irgendwie überrascht, einfach weil ihm nie jemand zuvor diese Frage gestellt hat. Sie scheint aus heiterem Himmel zu kommen, und er war nicht darauf vorbereitet, wie er hierauf reagieren sollte. Seine Antwort scheint hier wirklich aus dem Stegreif zu kommen, und wir können erkennen, wie es in ihm arbeitet, weil er versucht darüber nachzudenken, wie er am besten auf eine solch unerwartete Frage antworten soll. Es ist offensichtlich, dass er über diese Sache bisher nicht viel nachgedacht hat, aber seine Antwort ist vielsagend: „Ich denke, sie brauchen Hilfe, auf gewisse Weise, weißt du.“ Es ist nicht die stereotype, übertriebene Bemerkung in der Art von „Man sollte sie aufhängen“, sondern viel eher eine, die einfühlsamen Einblick in die Tatsache gewährt, dass ein Pädophiler eine kranke Person ist, die Hilfe braucht. Dies ist ein ganz kleiner, aber wichtiger Kommentar von Michael, und er sollte jeglichen Glauben daran beseitigen, dass er an einer Art wahnhafter Fehleinschätzung in Bezug auf die Grenzen zwischen angemessenem und unangemessenem Verhalten oder zwischen „normalem“ und „abnormalem“ Verhalten, litt. Er sagt hier nicht, dass Kinderschänder zwingender Maßen Monster sind, aber er macht seinen Standpunkt zu Menschen, die sexuelle Handlungen an Kindern ausführen, sehr deutlich. Dies ist seiner Einschätzung nach nicht normal und sicherlich kein entschuldbares Verhalten. Es sind die Taten einer kranken Person, die psychiatrische Hilfe braucht. Nach Beseitigung aller Zweideutigkeiten gibt es keinen Zweifel, wie sein Standpunkt in dieser Sache ist.

Die nächste Fragestellung wendet sich den polizeilichen Fotos zu. Da gibt es einen weiteren Ausdruck einer Emotion, der kurz sein Gesicht streift (leicht erkennbar, da die Kamera mit einer Nahaufnahme auf seinem Gesicht verharrt und die Reaktionen während eines Großteils des Interviews einfängt). Dieser Ausdruck ist unverfälscht, intensive Traurigkeit und Demütigung – und auch Entrüstung. Der Tag, an dem er nackt vor Kriminalbeamten und Polizeifotografen stand, die seine Genitalien untersuchten und fotografierten, war fast zwei Jahre her, aber all diese Emotionen, die dieser Vorfall hervorgerufen hatte, waren in seinen Gedanken immer noch frisch und unverarbeitet. Dies ist ein schmerzlicher Moment für ihn, Sawyer hat einen empfindlichen Punkt erwischt. Vergleicht diese Fragestellung damit, wenn man das Opfer einer Vergewaltigung auffordern würde, zurückzudenken und sich daran zu erinnern, was vorgefallen ist. Das kann nicht geschehen, ohne jene PTS Trigger (PTS: Post Traumatic Stress) zu entzünden, und das ist es, was wir in diesem Abschnitt des Interviews sehen. Man nimmt eine unterschwellige Wut wahr, als Michael auf diese spezielle Frage eingeht. Ich glaube nicht, dass diese Wut gegen Sawyer persönlich gerichtet ist, sondern gegen die allgemeine Frustration über die gesamte Situation, zu „so etwas“ gezwungen worden zu sein und diesen Augenblick noch einmal durchleben zu müssen. Es ist eine Wut, die kein wahres, spezielles Ziel hat außer der Ungerechtigkeit der gesamten Situation, und an diesem Punkt ist er sichtbar aufgewühlt und wünscht nichts mehr, als dass die Sache fallen gelassen wird. Es ist ihm ernst, als er darauf besteht, dass es „nichts“ gab, was auf eine Verbindung mit diesen Vorwürfen hinwies, aber sein wiederholtes „Das ist der Grund, warum ich hier sitze und mit dir spreche“ kann auf zwei Arten gedeutet werden: Einerseits ist es natürlich wahr. Wenn es auch nur einen eindeutigen Beweis, ein Stückchen eines Beweises gegeben hätte, das ihn tatsächlich mit einer sexuellen Belästigung Jordan Chandlers in Verbindung gebracht hätte, dann wären die polizeilichen Ermittlungen fortgesetzt worden (mit oder ohne Vergleich). Er wäre verurteilt worden und ins Gefängnis gekommen. Dies war Michaels Art zu sagen: „Sieh her, wenn es auch nur irgendeinen Beweis gegeben hätte – wenn diese Fotos mit seiner Beschreibung übereingestimmt hätten – wäre ich heute kein freier Mann und ich würde nicht hier sitzen und Fernsehinterviews geben“. Jedoch ist sein wiederholtes Beharren auf seiner Antwort auch eine Art von Ablenkung, eine (vielleicht) unbewusste Art zu sagen: „Das ist alles, was darüber gesagt werden muss, können wir bitte zum nächsten Thema gehen?“ Ich glaube nicht, dass es die Angst vor dieser Frage war. Ich denke, es hat mehr mit dem allgemeinen Schmerz und dem Widerwillen gegenüber dem ganzen Thema zu tun. Die Fragestellung hat ihn mental und emotional in den Dezember 1993 zurückversetzt und all das wird in diesem Moment deutlich, und nun will er ganz einfach da raus. Aber dies sagt auch wieder sehr viel darüber aus, wie Michael ganz allgemein in seinem Leben mit stressreichen Situationen umging (der Vergleich ist etwa ein Punkt, der kurz darauf angesprochen wird). An dieser Stelle des Interviews fühlt er sich sehr in die Enge getrieben und ist gewisser Weise passiv-aggressiv in seinen Antworten. Die Tatsache, dass Michael in der Tat aufgrund dieser Vorkommnisse an posttraumatischem Stress litt, ist bedeutungsvoll und wird, denke ich, zu oft übersehen, wenn die Leute versuchen, seine Antworten in Interviews zu deuten. Die natürliche, menschliche Reaktion auf Schmerz ist diesen zu vermeiden, die natürliche, menschliche Reaktion auf ein Trauma ist der Wunsch „nicht darüber reden zu müssen“ (deswegen sind Therapiesitzungen oft so schmerzhaft und können eine Person sich manchmal eher schlechter als besser fühlen lassen, wenigstens am Anfang). Als Michael auf diese spezielle Frage antwortet, scheint es, als würde er zwei Kämpfe mit sich selbst ausfechten: Er will kämpfen und er will fliehen. Er konnte nie gut damit umgehen, sich öffentlich als verwundbar zu zeigen, und er bemerkt, dass genau das hier passiert. Obwohl seine Antworten empathisch, geradeheraus und ernsthaft bleiben, scheint er sich emotional zurückzuziehen. Es ist kein Abwenden. Seine aggressive Wiederholung des Wortes „niemals“ zum Beispiel (an dieser Stelle unterbricht er Sawyer dadurch mehrere Male) ist eine empathische Verstärkung. Er will ganz entschlossen seine Sicht deutlich machen. Aber die Reaktion ähnelt auch der Errichtung einer Mauer, die dazu dient, alle weiteren Fragen zu diesem Thema abzublocken.

Wir müssen auch bedenken, dass Michael in Hinsicht dessen, inwieweit es ihm erlaubt war, darüber zu reden, rechtlich geknebelt war. Sowohl Michael als auch Lisa Marie mussten Sawyer (die das mit Sicherheit wusste!) daran erinnern, dass die Vergleichsbedingungen keinerlei Diskussion der Details des Falles erlaubten. Es war natürlich unfair, denn dies waren genau die Fragen, die jeder Interviewer, von Sawyer zu Bashir, von diesem Zeitpunkt an fragen würde. Stell dir die Frustration vor, einer Sache beschuldigt zu werden, zu wissen, dass viele Menschen dich für schuldig halten und doch nichts öffentlich dazu sagen zu können, ohne eine Klage zu riskieren (und tatsächlich, nur aufgrund dieser kleinen Information, die Michael hier gab, bekam er von Evan Chandler eine Klage in Höhe von 60 Millionen Dollar aufgebrummt!).

Bei 5:55 lockert Lisa das Interview mit einer dringend notwendigen, komischen Bemerkung auf, als sie kichert und sagt: „Du wirst mich das nicht fragen, oder? Über die Flecken?“ Die Frage scheint auf freche Art spontan. Michael war nicht der Einzige, der in diesen Interviews ein „Rebell“ sein konnte! Ihre spielerische Bemerkung lockert die Spannungen und bietet ihr auch den Auftakt, auf ein äußerst wichtiges Stück Information zu kommen – nämlich wie die Medien die Nachricht herunterspielten, dass die Fotos nicht mit der Beschreibung übereinstimmten. Dies ist ein klassisches Beispiel dafür, warum zwei Köpfe in Interviews oft besser sind als einer. Michael hätte vielleicht von selbst gar nicht daran gedacht, diese wichtige Information einzuwerfen, aber Gott sei Dank tat es Lisa! Dies war wahrscheinlich die erste offizielle Äußerung gegenüber den meisten Zuschauern darüber, dass die Fotos offiziell bewiesen, dass es keine Übereinstimmung gab, und wenn irgendjemand sich fragt, warum er bis dahin nichts darüber gehört hatte, dann gab Lisa eine sehr bestimmte Antwort, die genau beschrieb warum. Für diese Aktion geht ein Punkt an sie!

Prime-Time Interview With Michael Jackson & Lisa Marie Presley ’95 (Part 3/6)

Ab diesem Punkt widmet sich das Gespräch dem Vergleich und der so oft gestellten großen Frage: Wenn Michael es nicht getan hat, warum hat er dann bezahlt? Ich denke, Michaels Reaktion an dieser Stelle ist sehr interessant und wird auch durch das, was er acht Jahre später in seinem Interview mit Martin Bashir noch einmal sagen wird, bestätigt. Ich halte es für interessant, weil bis heute so viel Unklarheit darüber besteht, ob Michael bereitwillig diesem Vergleich zustimmte oder ob er von seiner Versicherungsgesellschaft dazu „gezwungen“ wurde. Sowohl hier als auch in dem späteren Interview mit Bashir, bestritt Michael nie seine eigene Rolle bei dieser Entscheidung. Er erklärt hier, dass er so handelte, wie seine Berater es ihm gesagt hatten und er bestätigt nachdrücklich, dass es eine sehr einstimmige Entscheidung war, weil man ihm nicht garantieren konnte, dass „Gerechtigkeit walten“ würde und dieses sich zu etwas entwickeln könnte, das sich „über sieben Jahre hinziehen“ würde. Das wurde auch in gewisser Weise durch Thomas Mesereau bestätigt, der viele Male sagte, Michael würde seine Entscheidung, den Fall durch einen Vergleich beizulegen, „bedauern“ – wobei das Schlüsselwort hierbei „Entscheidung“ ist. Anders ausgedrückt, Michael wankte nie darin, dass er (selbst) die Entscheidung zum Vergleich getroffen hatte; alles war offen und ehrlich, weder wurde etwas ohne sein Einverständnis getan, noch wurde er zu etwas gezwungen (obwohl es dort sicher eine feine Linie zwischen „gezwungen“ und „unter Druck gesetzt“ gegeben haben könnte, und ich glaube, dass Michael sehr unter Druck gesetzt wurde dem Vergleich zuzustimmen, sodass die Wahl des Ausdrucks am Ende mehr Haarspalterei ist). Dieses Interview hätte jedoch wirklich den Mythos darüber, dass der arme, naive Michael hinters Licht geführt wurde, um dem Vergleich zuzustimmen, aus der Welt schaffen sollen. Nach meinem Kenntnisstand war er anfangs bereit vor Gericht zu ziehen und zu kämpfen, nachdem er aber immer wieder gehört hatte, über wie viele Jahre es sich hinziehen könnte; wie viel Geld er verlieren könnte; wie viel negative Publicity dadurch entstehen würde (mit der ständigen Drohung des psychotischen Evan Chandler im Rücken) und so weiter, stimmte er schließlich einem Vergleich als bester Lösung zu. Rückblickend war es eine kurzfristige Lösung, um diesen Albtraum zu beenden, jedoch eine kurzfristige Lösung, die damit endete, sehr lange Schatten zu werfen – und zwar so, dass sein Vermächtnis bis heute darunter leidet. Vielleicht wäre ein langer Kampf die bessere Alternative gewesen, es scheint jedoch, dass in diesem Spiel jeder nur kurzfristig dachte. Der Vergleich war im Grunde Michaels Art zu sagen, ich möchte mich nicht damit befassen, so wie er es bei vielen großen Konflikten in seinem Leben tat. „Lasst uns das hinter uns bringen“, sagt er und zeigt mit einer emphatischen Geste mit seinem Daumen über seine Schulter.

Es ist die gleiche Taktik, die Michael an diesem Punkt des Interviews dazu bringt dran zu erinnern, dass nichts gefunden wurde, das ihn mit diesem Verbrechen in Verbindung brachte, indem er hartnäckig wiederholt: „Nichts wurde gefunden … nichts, nichts, nichts.“

Wenn es so scheint, als wäre Michael hier etwas verärgert oder dass er versuchte Sawyer absichtlich zu reizen, liegt das wohl nicht so weit daneben. Michael möchte seinen Standpunkt klarmachen und es scheint ihm gleich zu sein, ob er unhöflich oder nervig sein muss, um das zu tun. Er schneidet Sawyer hier das Wort ab, so wie sie oft ihm und Lisa ins Wort fällt, und er macht es sehr gezielt (wir spüren Sawyers Verärgerung; es ist ein Augenblick, in dem sie sichtlich fürchtet die Kontrolle über das Interview zu verlieren).

Sawyer befragt ihn weiter über angeblich gefundene „Beweise“. Natürlich gab es gar keine „eindeutigen“ Beweise. Alles, was gefunden wurde, waren ein paar Fotos und Kunstbücher, die die Staatsanwaltschaft unbedingt als „Beweise“ einbringen wollte. Ich habe aus der Hater-Ecke immer wieder hören müssen, diese Bücher seien genau die Sorte Material, das Pädophile besitzen würden, um die rechtlichen Probleme des Besitzes wirklicher Kinderpornografie zu umgehen. Auch wenn an diesen Behauptungen vielleicht etwas Wahres dran sein mag, kann der Besitz von legalen Kunstbüchern wohl allerhöchstens als schwächstes Indiz gesehen werden. Diejenigen, die Propaganda für Michaels Schuld machen, heben diese Bücher oft hervor, während sie die viel aussagekräftigeren Fakten, dass die Durchsuchung seines Hauses tausende pornografische Bilder von Frauen ergeben hat (eine Quelle schreibt, es seien etwa 1800 Bilder nackter Frauen gefunden worden) herunterspielen und ignorieren. Der gesunde Menschenverstand würde sagen, wenn wir die sexuellen Präferenzen von jemand aufgrund eines Bollwerks an eindeutigem, in dessen Zuhause gefundenem Material beurteilen wollten, dann sollten über tausend Fotos nackter Frauen schwerer wiegen als das Vorhandensein ein paar weniger Kunstbücher.

Michaels Erklärung darüber, wie er häufig von Fans mit Geschenken aller Art bombardiert wird, scheint durchaus plausibel, ist aber dennoch eine Erklärung, die von den Zweiflern heruntergemacht wird. Deren Hauptargument ist, dass Michael offensichtlich Leute hatte, die seine Post durchsahen – „Torwächter“, die Pakete geöffnet, Briefe gelesen und alle Inhalte untersucht hätten, bevor er sie überhaupt zu Gesicht bekam. Und dass offensichtlich nur besondere „Geschenke“, von denen sie wussten, Michael würde sie mögen, an ihnen vorbeigekommen wären.

Auch das könnte zunächst ein plausibles Argument sein – bis man bedenkt, dass wir hier von Michael Jackson sprechen, der, lasst es mich so ausdrücken, nie so handelte, wie es Prominente normalerweise tun. Ein Auszug aus Bill Whitfields und Javon Beards Buch Remember the Time bestätigt, dass Michael sich immer selbst kümmerte – sowohl um seine Fanpost als auch um Geschenke:

Mr. Jackson saß hinten, es lief klassische Musik, der Vorhang war zugezogen. Du konntest hören, wie er die Umschläge öffnete, Brief für Brief. Manchmal sagte er: „Hey, hört euch das an. Das ist so süß.“ Und er las uns etwas von dem vor, was jemand geschrieben hatte. Die Leute schrieben über ihre an Krankheiten sterbenden Kinder und wie viel seine Musik ihnen bedeutete. Manches davon ließ ihn sehr emotional werden. Du konntest hören, dass er sehr gerührt war. Er sagte: „Vielleicht könnt ihr zwei das nicht verstehen, aber diese Dinge inspirieren mich, meine Songs zu schreiben.“ Wenn wir dann wieder beim Haus angekommen waren, hatte er zwei Stapel Briefe. Einen behielt er, den anderen gab er uns und sagte: „Die könnt ihr wegwerfen.“

Bill: Die Leute schickten auch Geschenke, Teddybären, Luftballons, Blumen, Fotos, persönliche Erinnerungen. Vieles davon war selbst gemacht. Es gefiel ihm. Manchmal bekam er ein Päckchen, das verdächtig aussah oder bei dem er sich nicht wohlfühlte. Das gab er uns, damit wir es zuerst überprüfen würden. Es war nie etwas Gefährliches darin, keine Bomben oder solche Dinge, aber um das herauszufinden wurden viele Teddybären und aufgezogene Spieluhren im Pool ertränkt.

Es gab so viel davon, dass eines der Schlafzimmer als Fanpost-Zimmer benutzt wurde. Die Wände waren voll gehängt mit handgemachten Karten und Briefen, und am Boden lagen hohe Stapel. Und das war nur das, was sich in Las Vegas während weniger Monate angesammelt hatte.

Natürlich könnte man sagen, dass Michaels Personalstab sich zu der Zeit, als Whitfield und Beard dort waren, erheblich reduziert hatte. Und dennoch weiß ich aus vielen Quellen, dass Michael immer auf diese Weise mit der Post und den Geschenken seiner Fans umging. Seine Methode war genau gegenteilig von der anderer Prominenter. Michael war anscheinend sein eigener „Torwächter“, er wendete sich nur mit der Post, die er loswerden wollte oder die ihm verdächtig vorkam, an seine Angestellten. Geschenke wurden nie weggeworfen, es sei denn, es war wegen einer verdächtigen Verpackung unvermeidlich.

In dieser Beziehung also ein weiterer Punkt für Michael. Er beantwortet die Fragen geradeheraus mit einer ehrlichen Antwort, die für jeden, der mit ihm Zeit verbracht hatte, sinnvoll wäre.

Allerdings lässt er dem unmittelbar eine Ausflucht folgen. Es dürfte jedoch eine nachvollziehbare, sogar notwendige Ausflucht sein, weil ich mir sehr sicher bin, dass der andere Vergleich, auf den Sawyer hier anspielt, die außergerichtliche Vereinbarung mit Francia ist, die für Michael aufgrund eines angeblichen Vorfalls während einer Kitzelei mit einer Zahlung von 2,2 Millionen Dollar an die Familie Francia endete. Dieser Fall war auf einer sehr dürftigen Situation aufgebaut – Michael hätte angeblich (und höchstwahrscheinlich versehentlich) während einer Kitzelattacke mit seiner Hand Jason Francias Leistengegend berührt. Daraus wäre niemals ein Fall geworden, hätte es nicht zuvor den Vergleich mit den Chandlers gegeben, der die Türen für solche gehaltlosen Zivilklagen gegen Michael durch praktisch jeden, der je mit ihm in Kontakt stand, geöffnet hat. Aber so belanglos dieser Fall auch war, können wir dennoch nicht bestreiten, dass ein Vergleichsbetrag gezahlt wurde. Wie reflektiert dieses nun Michaels Aufrichtigkeit, als er Diane Sawyer geradeheraus erzählt „Nein, das stimmt nicht“ und „Ich habe gehört, dass alles in Ordnung ist und es gibt keine anderen“? Während im restlichen Interview seine Körpersprache und Äußerungen sehr aufrichtig und offen waren, scheint er sich hier sichtlich zurückzuziehen. Er lehnt seinen Körper nicht Richtung Sawyer, wie während seiner vorherigen Äußerungen; es gibt keine empathischen Gesten. Sein Ton und sein Verhalten wirken ablenkend, ein Versuch, diesen speziellen Fragen auszuweichen. Dafür kann es natürlich viele verschiedene, plausible Gründe geben, die man alle bedenken sollte, bevor man Schlüsse zieht. Es ist gut möglich, dass das, was er zu diesem Zeitpunkt sagte, soweit er es wusste, stimmte (aber angesichts seiner Körpersprache, glaube ich das nicht). Ein eher wahrscheinlicher Grund ist, dass er nicht in der Position war darüber zu sprechen, und jede Antwort, die er unter der Berücksichtigung dazu bestenfalls ein paar wenige Sekunden Zeit zur Verfügung zu haben geben würde, hätte nur zu seinen Ungunsten ausfallen können. Diese Frage so zu beantworten, dass seine Position verständlich geworden wäre, hätte vorausgesetzt, wesentlich mehr ins Detail der Angelegenheit gehen zu müssen, wozu er weder die nötige Zeit noch die Freiheit hatte darüber sprechen zu können. Es hätte zum Beispiel beinhaltet, über die ganze Vorgeschichte von Jasons Mutter Blanca Francia zu sprechen; über die Geschichte davon, dass sie ihn bestohlen hatte und daraufhin entlassen worden war. Das war wesentlich mehr, als er angemessen in 5 Sekunden hätte erklären können, und deshalb war es am klügsten überhaupt nichts zu sagen. Das war sicher die bessere Alternative zu dem Risiko, einen falschen Eindruck zu erwecken, weil ihm nicht die Zeit zur Verfügung stand, sich oder den Fall angemessen zu erklären.

Im Gegenzug davon ist der nächste Teil des Interviews einer der aufrichtigsten und aussagekräftigsten. Sawyer versucht, mit einer Folge von Fragen darauf abzuzielen, Michael bezüglich seiner sogenannten Angewohnheit Pyjamapartys zu veranstalten, in die Defensive zu bringen. Es ist immer interessant für mich in diesem oder dem Bashir Interview zu sehen, wie Michael diese Fragen tatsächlich beantwortet, gegenüber den Versuchen der Interviewer, sie zu verdrehen und den Deutungsversuchen vieler Medien. Sawyer, wie später auch Bashir, stellt ihre Fragen so, dass sie sich nur um Jungen drehen; daher stammt Michaels leichte Irritation, als er darauf zurückkommt und sagt: „Ich habe niemals nur Jungen eingeladen, in mein Schlafzimmer zu kommen, das ist lächerlich.“ Im Bashir Interview argumentiert er ähnlich, in dem er sagt, es waren niemals nur Jungs. Und die „Pyjamaparties“ waren weniger „Pyjamaparties“, sondern vielmehr eine Gruppe vieler verschiedener Gäste (üblicherweise zusammengesetzt aus Eltern, Verwandten, Cousinen etc.), die alle einfach irgendwo auf Neverland schliefen, wo immer sie der Schlaf gerade überkam.

Michaels schnell ausgelöste Verteidigung gegen die Behauptung, es seien „nur Jungen“ ist auch deswegen interessant, weil es die aussagekräftigen Proteste das typische Kennzeichen einer Beteuerung von jemandem sind ist, der nicht nur darüber verärgert ist, zu Unrecht beschuldigt zu werden, sondern auch über die unglaubliche Ignoranz und Leichtgläubigkeit der Öffentlichkeit, die glaubt, diese Dinge seien für ihn reizvoll.

Interessanterweise „verteidigt“ Michael in beiden Interviews nicht die Angewohnheit, mit Jungs zu übernachten – was völlig im Gegensatz zu dem steht, was die Medien darüber propagieren. Er sagt aus, er setze diese Gewohnheit, gemäß seinen Werten und Überzeugungen, nicht automatisch mit etwas Abartigem oder Schlechtem gleich. Aber in beiden Interviews verteidigt er nicht die Angewohnheit als solche, sondern vielmehr versucht er zu erklären, wie es zu diesen verfälschten Wahrnehmungen seiner Person kommen konnte. Hier sagt er geradeheraus, dass er niemals irgendwen in sein Bett eingeladen habe, und basta.

Interessant ist auch, dass er immer erwähnte, nie Kinder dazu eingeladen zu haben, bei ihm zu schlafen, und tatsächlich schlief er oft auf dem Boden, während die Kinder sein Bett nahmen – oder andersherum. Im Buch von Frank Cascio erzählt Frank darüber, wie er und sein Bruder Eddie sich einen Schlafsack am Boden vor dem Kamin teilten – offensichtlich waren sie in Michaels Schlafzimmer, aber nicht in seinem Bett. Ein gewaltiger Unterschied.

Und gerade als es dem durchschnittlichen Zuschauer unwahrscheinlich zu sein scheint, dass Michael eine Art Rattenfänger ist, dem die Kinder freiwillig überallhin folgen würden, erzielt Lisa einen weiteren Treffer mit ihrem Statement: „Ich habe diese Kinder gesehen … sie lassen ihn nicht einmal ins Badezimmer ohne hinterherzulaufen. Sie lassen ihn nicht aus den Augen, wenn er also ins Bett springt, dann bin sogar ich raus …“

Das führt jedoch zu ein paar angespannten Sekunden, in denen Sawyer beginnt Lisa darüber, in die Mangel zu nehmen, ob sie ihrem eigenen Sohn erlauben würde sich, wenn er 12 Jahre alt wäre, so zu verhalten. Lisa entgegnet, es käme dann nicht infrage, wenn sie Michael nicht kennen und nicht wissen würde, wer er ist, aber „ich weiß, wer er ist.“ In einem kurzen Augenblick zeigt die Kamera Michaels Reaktion darauf und sein Gesichtsausdruck ist, gelinde ausgedrückt, interessant. Es ist schwer zu sagen, ob das, was er fühlt, Ärger oder Verletzung ist, oder eine Mischung aus beidem. Um Michaels Reaktion zu verstehen, muss man erfassen, dass Sawyer hier im Grunde darauf anspielt, man sollte ihm seinen eigenen Stiefsohn nicht anvertrauen! Unabhängig davon, wie die Frage gemeint war, scheint er sie so zu verstehen. Das ist ein direktes Zurückwerfen zu dem Unbehagen während seines Interviews mit Oprah, als er gezwungen war daneben zu stehen, als zwei Frauen über ihn sprachen, als sei er gar nicht da. Jetzt ist er gezwungen, still dabei zu sitzen, während zwei Frauen über seine „Vertrauenswürdigkeit“ diskutieren. Man kann sich wohl vorstellen, dass für Michael, der während seiner Karriere als Erwachsener meistens die Kontrolle über seine Interviews hatte, solche Szenarien nicht leicht waren.

Diese Irritation ist bei der nächsten Fragestellung wieder spürbar, als Sawyer fragt, ob dieses jetzt einen Schlussstrich unter solche Situationen ziehen würde, „über die die Leute sich wundern würden.“ Beachte, wie seine Körperhaltung sich verändert hat. Er ist jetzt sehr wachsam, sitzt auf der Kante seines Stuhls und lehnt sich nach vorn. „Worauf achten?“, fragt er (mit offensichtlicher darunter liegender Verärgerung über die Frage; wir erinnern uns, er saß gerade dort, während sie seine Vertrauenswürdigkeit als Stiefvater anzweifelte). Seine Körpersprache während dieser Frage ist interessant. Sie weist auf Offenheit und Aufrichtigkeit hin, aber auch auf echte Verwirrung über die Art der Frage. Ganz gleich, wie jemand darüber denkt, seine Bemerkungen interpretieren zu müssen, ist eine Sache klar ersichtlich: Michael fühlt ehrlich, dass er hier nichts zu verbergen hat und legt seine echten Gefühle – auf Gedeih und Verderb – auf den Tisch. Noch einmal, was an Michaels Antworten am interessantesten ist, ist seine klare Weigerung, die normalerweise unter diesen Umständen erwartete „korrekte“ oder „Standardantwort“ zu geben. Die meisten so beschuldigten Personen würden nicht zögern zu sagen: „Absolut nicht, ich würde mich nie wieder in so eine verletzliche Situation bringen“, und man kann deutlich erkennen, dass das die Art Antwort war, die Sawyer erwartete. Seine Weigerung, sozusagen „dem Druck nachzugeben“ und die korrekten Antworten zu geben, ist für sie einigermaßen verwirrend (und frustrierend, denn es lässt das Interview wieder einmal aus ihrer Kontrolle laufen).

Aber die Frage, die man sich wirklich stellen muss, lautet: Ist es ein Zeichen von Unschuld oder eher ein Weg, um von der Schuld abzulenken, wenn man immer die „richtigen“ Antworten gibt? Interessanterweise schien es Michael klar zu sein, dass eindeutig auf Nummer Sicher zu gehen und nicht viel Aufhebens zu machen nicht seine beste Verteidigungsart war, sondern dass es besser war, die Voreingenommenheit, Vorurteile und Wahrnehmungen sowohl des Interviewers als auch des Publikums zu hinterfragen. Lisa sagte, der Rebell in Michael könnte nie wirklich kontrolliert werden, und hier können wir das ganz sicher erkennen. Seine rebellische Ader konnte wechselweise sowohl sein größter Freund als auch sein schlimmster Feind sein. Aber hier zahlt sie sich wunderbar zu seinem Vorteil aus, und gibt ihm die Oberhand über alle Versuche von Sawyer, ihn in die Enge zu treiben.

Wo wir gerade von rebellischem Verhalten sprechen, im nächsten Teil des Interviews werden Aufnahmen von der Hochzeit gezeigt. Ist es nicht interessant, dass beide für diese Zeremonie in Schwarz gekleidet sind, sogar die Braut? Und dass Michael während seines Hochzeitsgelübdes Kaugummi kaut? (Interessant, weil das seine erste Hochzeit war, und wohl mit der Frau, in die er seit mehr als 20 Jahre verknallt war. Sogar dort scheint ihre Körpersprache auszudrücken, dass sie sich miteinander völlig entspannt fühlen und es nicht nötig haben, irgendetwas vorzutäuschen.)

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Michaels Stimmungslagen scheinen während dieses Interviews so schnell vorbeizuziehen wie Wolken. Während der Befragung zu den Vorwürfen war er ärgerlich und frustriert, aber er ist sofort wieder ganz gelassen, als das Gespräch sich angenehmeren Themen zuwendet. Seht wie sein Gesicht aufleuchtet und er ganz spontan von Ohr zu Ohr grinst, als Sawyer Lisa fragt, was sie an ihm liebt. Es ist ein etwas seltsamer Augenblick, aber die meisten Jungs mögen, wenn man über sie in großen Tönen spricht und Michael war keine Ausnahme.

Dennoch sind die Fragen zu ihrem Intimleben invasiv, auch wenn sie garantiert damit gerechnet hatten, dass solche Fragen kommen würden. Meistens, wenn zwei attraktive Menschen heiraten (und es keinen so großen Altersunterschied wie zwischen Anna Nicole Smith und J. Howard Marshall gibt) wird selbstverständlich vorausgesetzt, dass sie Sex haben. Ich erschaudere jedes Mal, wenn ich Sawyers selbstironische Bemerkung höre: „Ich habe mein Leben nicht als seriöse Journalistin verbracht, um diese Art Fragen zu stellen …“ Oh Mann. Als ob sie nicht durch das Interview hindurch vor Ungeduld fast geplatzt wäre, um endlich diese Frage stellen zu können! Ich kaufe ihr auch nicht diese zufällige Sammlung von „Fans“ ab, von denen sie diese Frage weiterreicht. Keiner dieser Leute erscheint mir Michael Jackson Fan zu sein. Ihre Kommentare werden jedoch als eine Art Rechtfertigung benutzt – das ist die Frage, die jeder wissen möchte, und deshalb haben wir das Recht, sie zu stellen. „Haben wir Sex?“, fragt Lisa und kommt Sawyer dabei scherzhaft zuvor. (Mir gefällt, wie Lisa und auch Michael Sawyer durch das ganze Interview hindurch leicht links liegen lassen!) „Ja, ja, ja!“ bestätigt sie, während sie dabei Meg Ryans Rolle aus „Harry and Sally“ übernimmt und sich dabei fast als Konkurrenz für diese herausstellt. Ihre und Michaels Reaktionen scheinen eine echte, ehrliche Mischung aus Erstaunen und Empörung zu sein, und doch gehen sie mit diesen invasiven Fragen mit einem lockeren Sinn für Humor um, und daran erkennen wir, dass ihnen diese Vorwürfe, ihre Hochzeit sei nur eine Vortäuschung, nicht fremd sind. Sie haben gelernt, humorvoll darauf zu reagieren, aber was wäre ihnen auch anderes übrig geblieben? Egal, wie viele Gegenerklärungen man abgibt, Zweifler kann man offensichtlich nie überzeugen, deshalb denke ich, sie gingen mit diesen Fragen auf die bestmögliche Art um.

Interessant ist, dass dieselben Medien und die dieselbe Öffentlichkeit, die diese Hochzeit als reine Zweckhochzeit bezeichneten und sich weigerten zu glauben, dass sie miteinander schliefen, dann aber schnell dabei waren, die Gerüchte über eine Schwangerschaft zu glauben. (… haben sie nie davon gehört, dass man den Kuchen nicht am Teller behalten und gleichzeitig essen kann?) Der kameradschaftliche Umgang mit der „Baby“-Frage führt schließlich zu einem weiteren angespannten Moment, als Diane Sawyer eine wirklich dumme Frage stellt: „Plante Michael, Lisas Kinder zu adoptieren?“ Lisa findet diese Frage vollkommen absurd und sagt das auch ohne Umschweife. „Ich habe noch nie etwas davon gehört, dass jemand die Kinder eines anderen adoptiert“, sagt sie, und meint damit eine Konstellation wie die ihre, wo es eindeutig einen biologischen Vater gibt, der noch immer Teil des Lebens der Kinder ist. Diesen Teil des Interviews habe ich mir immer wieder angehört. Es ist interessant, dass Lisa über diese Frage weitaus verärgerter ist als Michael (vielleicht aus offensichtlichen Gründen), aber ich denke auch deshalb, weil sie in dieser Frage etwas erkannt hat, was Michael nicht gesehen hat, oder zumindest nicht auf Anhieb: Sawyer versucht absichtlich Michael mit einer blödsinnigen Frage eine Falle zu stellen, um ihn dumm dastehen zu lassen, besonders in den Augen der Fans von Lisa, von denen sich schon viele ihre Meinung über Michael und ihre Heirat gebildet hatten. Es könnte in diese Richtung gehen. Beachtet, wie Sawyer ihn an dieses Thema, Kinder zu adoptieren, heranführt (ein Thema, von dem sie mit Sicherheit wusste, dass Michael mit Leidenschaft dabei war) und dann ganz plötzlich Lisas Kinder ins Spiel bringt. Und das, wo sie nur Minuten zuvor darauf anspielte, dass Michael eine Person sei, der Lisa nicht ihren Sohn anvertrauen sollte! Mein Eindruck ist, dass Lisa sofort erfasste, was hier vor sich ging, auch wenn es Michael nicht bewusst war. Und interessanterweise lässt Sawyer direkt von der Frage und der Thematik ab, als Lisa sie als absurd bezeichnet; und sie begründet auch nicht weiter, warum sie überhaupt danach gefragt hatte. Stattdessen entscheidet sie der Einfachheit halber, dass es Zeit für eine Unterbrechung sei.

Als das Interview fortgesetzt wird, wendet sich die Aufmerksamkeit als nächstes Michaels neuem Film zu, dem Teaser seines HIStory-Albums. Dieses Interview dient auch als eine Art offizielle Promotion für den Film, aber Michael wird wenig Gelegenheit gegeben, wirklich darüber zu sprechen. Stattdessen beginnt Sawyer direkt mit dem kontroversen Aspekt. Der Film an sich und auch dieser Aspekt des Interviews wurde bereits gründlich in dem mehrteiligen Artikel des Blogs Dancing With The Elefant besprochen, weshalb ich mich hier nicht so sehr auf den Film und dessen Werte konzentriere (was einen eigenständigen Post erfordern würde), sondern bei den hier gestellten Fragen und Michaels Reaktionen darauf bleibe. Ich kann diesen Teil des Interviews nicht ansehen, ohne mich aufzuregen oder mich über den Tisch gezogen zu fühlen.

Wieder einmal gab es eine perfekte Gelegenheit für einen der größten Künstler unserer Zeit, auf einer weltweiten Plattform über seine Kunst zu sprechen, und dieser Augenblick wurde vollkommen zu einer Fußnote des Interviews degradiert, wobei der Künstler kläglich auf die Aussage „es ist Kunst“ reduziert wird, wie ein in die Ecke gedrängtes Kind, das nur noch schwach seine guten Absichten beteuern kann. Doppelt frustrierend daran ist, dass man spürt, dass Michael vielleicht zum ersten Mal bereitwillig und vorausschauend die Gelegenheit wahrnehmen wollte, über seine Kunst zu sprechen. Ich bin sicher, es hätte ihm sehr gefallen ein paar vernünftige, intelligente Fragen zur Bedeutung des Films gestellt zu bekommen; über die militärische Thematik und die Symbolik und was all das zu bedeuten hatte. Höchstwahrscheinlich hätte er sie bereitwillig beantwortet. Ich weiß, dass es bei Interviews dieser Sorte nur um Einschaltquoten geht und sie nicht als seriöse Plattformen dienen, über Kunst zu diskutieren, aber es war von Anfang an klar, dass Sawyer hier eine Sache aufzog, aus der Michael als Verlierer herausgehen würde. Von Anfang an leiert Sawyer nur die Kontroversen des Films herunter und zeigt dadurch deutlich, wo ihre eigenen Vorurteile liegen. Anstatt sich an einem intelligenten Gespräch über seine Kunst beteiligen zu können, wird Michaels Rolle auf die eines bettelnden Kindes reduziert, und er kann in den kläglichen Sekunden, in denen er überhaupt aus seiner Sicht über den Film sprechen darf, nur reklamieren, dass „es Kunst ist“.

Nachdem der Film läuft, sagt Sawyer sehr abfällig (auf eine Art, die deutlich darauf abzielt, eine Diskussion über die Sachlage zu beenden): „Also, wie zuvor besprochen, werden wir wohl darin übereinstimmen, dass wir uns nicht darüber einigen können, was das für manche Leute, die es ansehen, bedeutet.“ Seht euch das Bild von Michaels Gesicht an, bei 2:57, als Sawyer diesen Satz sagt. Dieser Ausdruck liest sich wie ein unausgesprochenes, aber unverfälschtes „Wie kannst du es wagen?“, was auf verschiedenen Ebenen interpretiert werden kann – Frustration über das Missverstehen seiner Kunst und der Verzerrung ihres Zwecks, ohne die Höflichkeit, ihm das letzte Wort dazu zu überlassen; Frustration darüber, so ungeniert abgewiesen zu werden. Genau genommen ist es mehr ein Ausdruck ungläubiger Fassungslosigkeit. Er macht sich nicht einmal die Mühe, noch einen Satz zu seiner Verteidigung zu sagen. Er scheint zu denken: „Was würde das bezwecken?“

Das Gespräch wendet sich dann den Kontroversen um „They Don’t Care About Us“ zu und der Zeile „Jew me, sue me.” Noch einmal, das waren alles neue, heiße Themen, als das Interview stattfand. Ich bin mir nicht sicher, ob die meisten Zuschauer Michaels Verteidigung, er spreche in dieser Zeile von sich selbst als ein Opfer verstehen, denn die natürliche Reaktion darauf wäre gewesen: „Aber Michael, du bist nicht jüdisch.“ Was aber Michael hier versucht zu erklären (und wobei wir bedenken müssen, dass ihm dazu nur eine unangemessen kurze Zeit gewährt wurde, um seine Sache darzustellen) ist, dass das Lied von Rassismus im weiteren Sinn handelt, und er in der Tat versucht viele historische Beispiele von Rassismus in den Song einzubringen, immer aus der Perspektive der Opfer, und es werden in diesem Song viele Opfer porträtiert. Ich habe über „They Don’t Care About Us“ bereits ausführlich geschrieben, weise auf diese Posts1 hin:

Auch durch die vor Kurzem publik gemachten „Sony hacks“ kamen weitere, beunruhigende Details zu dieser angeblichen „Kontroverse“ ans Licht:

Sony Hack Re-ignites Questions about Michael Jackson’s Banned Song

An diesem Teil des Interviews ist wiederum sehr traurig und frustrierend, dass Michael, anstatt über seine Kunst sprechen zu dürfen, in eine Verteidigungsstellung gedrängt wird, die nicht zu seinem Vorteil ist, egal wie viele Punkte er verbuchen kann. Es scheint ihm mit wachsender Frustration klar zu sein, dass er sich in einer Situation befindet, in der seine künstlerische Arbeit nicht respektiert wird und auch nur wenig wirkliches Interesse daran besteht, und in der er keine „richtige“ Antwort geben kann.

Wenn ich auf alle Aufzeichnungen solcher Art zurückblicke, scheint das auch bei den meisten anderen prominenten Interviews, die er gab, der Fall zu sein. Vielleicht entstand das zum Teil durch schlechte Beratung und schlechte Entscheidungen. Natürlich tendierte er zu den bekannten Journalisten, die ihm eine größtmögliche Plattform garantieren würden, sowohl in der Präsentation als auch in den Einschaltquoten. Aber der Kompromiss dabei war, dass diese Interviews oft zu einseitigen Gesprächen mit oberflächlichen Journalisten wurden, deren einziges Interesse die Sensationsgier war, und nicht die Kunst.

Und um sich treu zu bleiben, verschwendete Sawyer dann auch keine Zeit mehr für die Diskussion über Kunst und kommt mit der unvermeidlichen nächsten Frage, die direkt auf Michaels Aussehen und die Farbe seiner Haut zielt.

Einige der Nahaufnahmen von Michaels Gesicht während dieses Interviews ... unbezahlbar!
Einige der Nahaufnahmen von Michaels Gesicht während dieses Interviews … unbezahlbar!

Und wieder einmal ist die Nahaufnahme von Michaels Gesichtsausdruck als Reaktion auf diese Frage unbezahlbar. Ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich nur angestrengt versucht ein Pokerface beizubehalten (und dabei nicht sehr erfolgreich ist), oder was sonst der genaue Grund ist, aber wieder erkennen wir aufkommende Verärgerung, Frustration und ein „Warum müssen sie jetzt damit kommen“, alles in ein paar wenigen Sekunden. Wie schon zuvor können wir sehen, wie seine Augen zu Dolchen werden, wenn diese Auslöser gedrückt werden.

Zugegeben, ich habe Michaels Widerwillen öffentlich über seine Vitiligo-Erkrankung sprechen zu wollen, nie wirklich nachvollziehen können. Er war in einer einmaligen Position und Ebene, um die Öffentlichkeit über diese wenig verstandene Erkrankung aufzuklären und zu helfen, deren Bekanntheit zu erhöhen. Sein ausweichendes Verhalten in dieser Angelegenheit trägt zum Teil zu der Skepsis der Öffentlichkeit bei, zumindest war es definitiv nicht hilfreich.

Aber betrachten wir bei der Analyse seiner Reaktion an dieser Stelle den auslösenden Moment bei 4:18. Sie tritt exakt in dem Augenblick ein, als Sawyer die Worte „wie du aussiehst“ sagt. Michaels Gesicht zuckt zusammen, er zieht sich buchstäblich zusammen, als wäre er körperlich getroffen. Ich fordere euch unbedingt auf, diese Stelle des Videos mehrmals abzuspielen. Es ist wirklich die körperliche Reaktion von jemand, der ins Gesicht geschlagen wurde und sich zurückzieht, um den Schlag abzumildern. Wiederum nimmt er eine passiv-aggressive Haltung ein, und gibt die bewusst vieldeutige und entmutigte Antwort:

„Ich denke, es erschafft sich selbst – Natur.“

Einerseits ist das Michaels Art zu sagen, sein Aussehen liege nicht in seinen Händen; es entstand alles von Natur aus. Andererseits muss ihm hierbei bewusst sein, dass er absichtlich vage bleibt, indem er keine ausreichende Antwort gibt. Offensichtlich lagen einige Dinge wie seine Hautfarbe außerhalb seiner Kontrolle, aber das ist nur Teil der Frage. Er versucht absichtlich den anderen Teil der Frage nicht anzusprechen, der die Entscheidungen betrifft, die er offensichtlich selbst getroffen hat. Seht, wie er bei 4:25 seine Lippen aufeinanderpresst und als Reaktion auf die Frage sein Kinn schüttelt. Sein wörtlicher Hinweis ist ein Zurückweisen, eine gewollte Entgegnung die sagt: „Darauf habe ich keinen Bock.“

An diesem kritischen Punkt greift Lisa mit einem sehr aussagekräftigen Statement ein. Es fügt sich in die Gespräche ein, die wir auch auf dieser Seite führen, und passt zu den eher kontroversen Themen, die auch von Susan Fast und anderen Autoren aufgegriffen wurden. Sie sagt, Michael sei ein Künstler, der ständig wahrgenommene Mängel und Dinge, die er an sich nicht mag, verändert.

„Er formt sich selbst neu, er ist Künstler.“

Das ist eine interessante Aussage, da sie auf die oft diskutierte Kontroverse verweist, ob Michael sein Erscheinungsbild durch kosmetische Chirurgie bedingt durch Unsicherheiten mit seinem Aussehen veränderte, oder ob es tatsächlich aufgrund völlig beabsichtigter und ästhetischer Entscheidungen geschah, die mehr damit zusammenhingen, dass er Künstler war und weniger mit diesen vermeintlichen Unsicherheiten. Lisas Antwort scheint auf beides hinzuweisen, aber es ist interessant, dass Michael ihr nicht widerspricht, als sie diese Aussage über Michael als Künstler macht. Nicht nur, dass er ihr nicht widerspricht, er klinkt sich sogar in die Diskussion ein und bietet ihr Rückhalt, indem er sagt: „Ich bin ein Performer.“

Die Theorie, dass Michael vielleicht viele bewusste und absichtliche Entscheidungen bezüglich seines Aussehens aus künstlerischen und ästhetischen Gründen traf und nicht einfach nur, weil er sich selbst für hässlich oder minderwertig hielt (der populären Theorie der Dysmorphophobie (Body-Dismorphing-Disorder), die schon weitverbreitet zu einer öffentlich akzeptierten Erzählung über Michael Jackson wurde), wurde von wissenschaftlichen Autoren und anderen seriösen Analytikern von Michaels Werk schon sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet.

Diese Theorien sind in vielerlei Hinsicht interessant, da sie Michael von dem oft hochgejubelten Stigma der „Opferrolle“ befreien und ihn als jemanden beschreiben, der im Gegensatz dazu ein Künstler war, der die Kontrolle über jede ihn selbst betreffende ästhetische Entscheidung hatte, auch über die äußere Hülle (Leinwand), die er der Welt präsentierte.

Michael versucht, einen Witz daraus zu machen, indem er sagt: „Es könnte sein, dass ich mir eines Tages hier einen roten Punkt hinmachen möchte“ (zeigt auf seine Stirn), „zwei Augen hierhin“ (berührt seine Wangen). Aber innerlich lacht er nicht. Seine Worte und sein Ausdruck sind nicht besonders heiter, weil die durch diese Diskussion entstandene Anspannung immer noch spürbar ist. Es ist seine Art, die lächerliche Absurdität dieser Frage an Sawyer zurückzugeben. Einerseits versucht er die Anspannung durch Humor abzuleiten, aber stoppt das Video bei 4:45 und beachtet das entschlossene Grinsen auf seinem Gesicht. Es ist ein trotziger Blick, ein Blick, der herausfordert, ein Blick, der sagt „Versuchs nur und mach so weiter, du traust dich doch nicht.“ Nun ja, sie traut sich. Um es weiter mit einem Boxkampf zu vergleichen, ist das, als ob Michael gerade einen linken Haken gelandet hat, aber Sawyer jetzt versucht, sich für den Knock-Out-Schlag auszurichten.

„Wünschst du dir, wieder die Farbe von früher zu haben?“

Wiederum eine Frage, auf die Michael einfach die „eingeübte“ und „richtige“ Antwort hätte geben können und es wäre erledigt gewesen, aber wenn wir Michaels Körpersprache lesen, ist er sehr verstört darüber, eine solch lächerliche und angreifende Frage gestellt zu bekommen. Denkt man darüber nach, dann ist diese Frage genauso, als würde man einen Krebspatienten fragen: „Wünschst du dir, du hättest noch deine Haare?“ oder „Vermisst du deine gesunden Zellen?“ Warum fragt man nicht einen Leukämie-Patienten, ob er seine roten Blutzellen vermisst?

Beachtet, dass Michael in dem Augenblick als sie die Frage stellt, stocksteif da sitzt und seine Arme verschränkt. Verschränkte Arme sind auch eine Geste, die eine Barriere erschafft. Es ist nur ein flüchtiger Moment, aber die Geste spricht Bände über die von dieser Frage hervorgerufenen Gefühle. Unbewusst schützt er sich selbst vor dem, was er als Angriffshaltung wahrnimmt. „Das musst du die Natur fragen“, sagt er, und verwendet wiederum „Natur“ um darauf hinzuweisen, dass er über diese Situation keine Kontrolle hat. „Ich liebe schwarz“, sagt er eindringlich. „Ich beneide sie (zeigt auf Lisa), denn sie kann sich bräunen lassen und ich nicht.“

Auf einer unterbewussteren Ebene scheint er hier einen Gedanken zu vermitteln, der sich, wenn er wirklich das sagen könnte, was er sagen wollte, so anhören würde: „Ich bin offensichtlich weiß wie ein Kühlschrank, kannst du das nicht sehen? Denkst du, ich mag das lieber? Denkst du, ich wäre nicht lieber normal, so wie sie?“ Natürlich folgt dem ein Foto eines sehr jungen, dunkelhäutigen Michael mit Afro, ein fast 20 Jahre altes Bild. Wie immer wird hier darauf angespielt, dass das die „bessere“ Version von Michael sei, die Version, in der wir uns gerne an ihn erinnern, zu seiner Blütezeit. Michael hasste solche Vergleiche immer, verübelte den Rückschluss, er sei jetzt minderwertiger und könne es mit einem nostalgischen Ideal von sich selbst nicht aufnehmen.

Michael hasste diese Art von Vergleichen, mit ihrer offensichtlichen Anspielung darauf, dass er irgendwie zu seiner eigenen
Michael hasste diese Art von Vergleichen, mit ihrer offensichtlichen Anspielung darauf, dass er irgendwie zu einer „suboptimalen“ Vorstellung seines nostalgischen Selbst geworden war

Aber in einem Interview, das mehr als genügend Höhen und Tiefen hatte, versucht Sawyer die Sache mit einer positiven Note zu beenden, indem sie fragt, ob sie planen zusammen zu singen. Michael wirft eine kleine nette Showeinlage ein (von der Sorte, die Lisa verrückt machte), indem er dramatisch singt: “I would love to sing with you / would you like to sing with me?”(„Ich würde so gerne mit dir singen/ möchtest du mit mir singen?“). Immer wachsam für jede Gelegenheit eines Augenblicks guter Publicity, kann Michaels inneres Kind und sein spontaner Spieltrieb diesem Moment nicht widerstehen. Lisa ist ein wenig verlegen, aber kann nicht widerstehen zu lächeln. Sie klingt aufrichtig, als sie sagt: „Das ist nicht der Grund, warum ich Michael geheiratet habe.“ Ihre Körpersprache dabei ist sehr entspannt und locker; seine rechte Hand liegt hinten auf ihrer Schulter; sie nimmt seine linke Hand und hält sie. Auch hier scheinen ihre Gesten die eines Paares zu sein, das sich in Gesellschaft des jeweils anderen sehr wohlfühlt. Michael kann natürlich nicht widerstehen auf Lisas Kosten noch einen Scherz zu machen, er zeigt ihr Hasenohren, während sie weiter darüber schwafelt, weshalb sie keine Karriere als Sängerin nötig hat. Das war eine verspielte, neckende Geste, die Michael oft mit seinen besten Freunden machte, aber manchmal war es auch Michaels Art, seine Freunde auf sehr spielerische Weise wissen zu lassen, dass sie gerade Blödsinn reden. Es könnte auch ein „Illuminati Witz“ gewesen sein. Michael war in der Tat bekannt für seinen berühmt-berüchtigten Sinn für Humor. „Er ist ein Spinner“, witzelt Lisa, als Michael die Erleichterung darüber, das Interview „überlebt“ zu haben mit einem nachdrücklichen „Ja!“ feiert.

In irgendeiner Weise schien es oft so zu sein, dass Michael es mochte, ihr das Scheinwerferlicht zu stehlen, wenn sie zusammen waren. In dem Fall hier war es süß. Später wurde es zu einem Streitpunkt zwischen ihnen. Alles in allem waren sie zwei Berühmtheiten, die vieles gemeinsam hatten, so wie es Lisa ausdrückte, vielleicht etwas zu viel gemeinsam für eine länger anhaltende Verbindung. Beide stur, rebellisch, willensstark und zielstrebig; als zwei Kinder des Showbusiness, einerseits verwöhnt, jedoch andererseits auch dadurch lädiert und schikaniert, war ihre Verbindung leidenschaftlich, explosiv und letztlich zum Scheitern und Ausbrennen verurteilt.

Dieses Interview hält ihre Verbindung an einem interessanten Punkt auf der Hälfte ihres Weges fest. Zu dieser Zeit waren sie knapp über ein Jahr verheiratet, die Leidenschaft brannte noch, aber ein paar der Probleme, die sie schließlich auseinander brachten, waren schon zu ahnen. Sawyer beendet das Interview mit der Frage, wo sie beide hofften in 5 Jahren zu sein. Interessant ist, dass sie die Frage an jeden der beiden getrennt stellt und nicht an sie als ein Paar. Nach 5 Jahren würden sie natürlich geschieden sein; Michael würde zwei Kinder mit einer anderen Frau haben und Lisa würde sich auf einer nach unten drehenden Spirale von Schuld und bitterer Wut befinden, die sie dazu bringen würde, Michael gegenüber auf grausame Art auszuteilen. Ich glaube, im Jahr 2000 wird ihnen beiden dieses Interview wie eine weit entfernte, schmerzhafte Erinnerung vorgekommen sein.

Doch trotz aller Selbstgefälligkeit Diane Sawyers, ihrer frustrierenden Seichtigkeit und den manchmal einfach nur irrelevanten Fragen, bleibt es eines der wertvollsten Interviews Michaels – vielleicht genau so sehr wegen dem, was gesagt wurde, als auch für das, was nicht gesagt wurde. Michael konnte manchmal eine schwierig zu interviewende Person sein, besonders wenn er sich in die Ecke gedrängt oder durch invasive, persönliche oder schlichtweg blödsinnige Fragen festgenagelt fühlte. Andererseits war er jedoch auch eine sehr transparente Interviewperson, deren entschiedene Aufrichtigkeit nur zu oft als … irgendwie zu ehrlich um wahr zu sein abgetan wurde. Die Leute schienen immer bereit, seine Aufrichtigkeit anzuzweifeln, sie zu etwas Manipulativem oder Falschem zu verdrehen.

Michaels überaus menschliche Schwächen, wie seine Tendenz, sich auf passiv-aggressive Antworten zu verlegen, wenn er die Richtung eines Interviews nicht mochte, wurden allzu oft gegen ihn verwendet, anstatt dass man vielleicht auf den Verlauf der Fragen, gesehen hätte, die diese Reaktion hervorgerufen hatten. Michael hatte zu viel Klasse, um einfach ein Interview abzubrechen, oder um ganz offen feindselige Antworten zu geben, so wie ich es in letzter Zeit bei vielen Prominenten beobachtet habe. Aber auch er hatte seine Art seinem Unmut Luft zu machen.

In erster Linie müssen wir uns aber in Erinnerung rufen, dass Michael es nicht unbedingt hasste Interviews zu geben. Er hasste nur dumme Interviews. Einige seiner interessantesten Interviews sind solche mit eher geringer Verbreitung, wie sein offenherziges Radiointerview aus dem Stegreif mit Steve Harvey, während dem es keinen Druck gab, eine „Rolle zu spielen“ und wo er einfach entspannt und mit Spaß dabei war.

Aber wie ich über die Jahre festgestellt habe, war keines seiner Interviews ohne Wert. Sogar das Bashir Interview hatte trotz all seiner Abscheulichkeiten seine Momente. Jedes bietet Gelegenheit, etwas Wertvolles über Michael zu lernen – auch wenn es nicht das war, was er sich vorgestellt hatte – normalerweise war es seine Sichtweise von Kunst oder Menschlichkeit (die beiden Dinge, die ihm am meisten am Herzen lagen, die aber selten in einem von ihnen im Brennpunkt standen). Trotz allem bieten sie interessante Einblicke in das Herz und die Seele eines Mannes, der schon von früh auf gelernt hatte, nur wenigen Leuten zu trauen und dass kein Journalist einfach nur das Beste für ihn wollen würde.

Journalisten schmeichelten sich bei ihm ein, hatten aber selten das Beste für ihn im Sinn
Journalisten schmeichelten sich bei ihm ein, hatten aber selten das Beste für ihn im Sinn

Wir können beobachten, wie er dem Interviewer fast immer ein oder zwei Gedankenschritte voraus ist (weil er gelernt hatte, das zu tun) und wie er die Kunst des Interviews als ein Mittel nutzte, uns dazu zu bringen hinter unsere vorgefassten Meinungen, Voreingenommenheit und Vorurteile zu sehen. Er tat das wechselweise bewusst als auch unbewusst, indem er die Journalisten und auch uns direkt oder indirekt herausforderte. Wie bei einem fehlerfreien Tanz mit einem Tanzpartner wusste er, wann er sich zurückhalten und mitgehen und wann er die Führung übernehmen musste.

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Und dieses eine Mal war es ein Tanz, den er nicht allein tanzen musste.


Übersetzung: M.v.d.L. und Ilke


  1. Die Links http: //www. allforloveblog .com/?p=6408 und http ://www .allforloveblog .com/?p=6477 funktionieren leider nicht mehr. ↩︎

* Der Link http :// www. allforloveblog .com/?p=9840 funktioniert leider nicht mehr.

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